GKV sieht noch Klärungsbedarf

Wo bleiben die Wiederholungsrezepte?

Berlin - 14.09.2020, 17:50 Uhr

Wie sollen Rezepte zur mehrfachen Belieferung ausgestellt und abgerechnet werden? (m / Foto: stockadobe.com / Christian Schwier)

Wie sollen Rezepte zur mehrfachen Belieferung ausgestellt und abgerechnet werden? (m / Foto: stockadobe.com / Christian Schwier)


Kommen die Wiederholungsverordnungen noch vor der Einführung des E-Rezepts? Wenn es nach den Krankenkassen geht, wohl eher nicht. In ihrer Stellungnahme zum VOASG empfehlen sie der Bundesregierung, mit der Umsetzung der entsprechenden Regelung im Masernschutzgesetz zu warten, bis Verordnungen auf digitalem Wege möglich sind.

Bereits Anfang März war das Masernschutzgesetz in Kraft getreten. Für die Apotheker ist darin neben der Möglichkeit zur Vereinbarung von Modellprojekten zur Grippeimpfung in den Apotheken mit den Krankenkassen ein Passus besonders relevant: die Einführung sogenannter Wiederholungsverordnungen. Beide Punkte waren ursprünglich im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) untergebracht, die Bundesregierung verschob sie jedoch ins Masernschutzgesetz.

Auf der Website des Deutschen Bundestags sind inzwischen die aktuellen Stellungnahmen der Verbände zum Gesetzentwurf der Apothekenreform zu finden – unter ihnen auch eine des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). In vielen Punkten positionieren sich die Krankenkassen analog zu ihrer Stellungnahme vom Mai 2019, als es darum ging, den Referentenentwurf des VOASG zu kommentieren. Unter anderem hält sie die Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialrecht für europarechtlich „sehr bedenklich“: 

Wie auch die ABDA und andere Verbände hat der GKV-Spitzenverband weitgehend jene Regelungen ausgeklammert, die inzwischen in anderen Gesetzen untergekommen sind – mit einer Ausnahme: die Wiederholungsverordnungen.

Obwohl diese mit dem Masernschutzgesetz bereits abgefrühstückt sein sollten, fühlt sich der GKV-Spitzenverband bemüßigt, weitere Klarstellungen zu Wiederholungsverordnungen einzufordern. „Eine Vereinfachung der Versorgung von Patientinnen und Patienten, bei denen eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel angezeigt ist, ist wünschenswert“, schreibt der Kassenverband. „Eine praktische Umsetzung dieses Anspruchs konnte jedoch bisher nicht erreicht werden.“

Woran es bei der praktischen Umsetzung hapert

Vor diesem Hintergrund wünscht sich die GKV weitere Nachjustierungen der Neuregelung. „Zunächst muss in § 31 (SGB V) klargestellt werden, dass die mehrfachen Einlösungen des Verordnungsblattes nicht unmittelbar nacheinander stattfinden dürfen“, heißt es in der Stellungnahme. „Bei einigen Arzneimitteln wäre eine ‚Einmalabholung‘ der gesamten Menge äußerst kritisch, da beispielsweise die Verfallsdauer der Arzneimittel im Jahresverlauf überschritten oder die Wirksamkeit aufgrund von falscher Lagerung beeinträchtigt werden könnte.“

Zudem würden bei Patientinnen und Patienten, bei denen ein Wechsel der Medikation notwendig wird oder die sterben, erhebliche Verwürfe anfallen. „Dies wäre mit unnötigen Mehrausgaben für die Versichertengemeinschaft verbunden.“ Stattdessen sollte der Arzt aus der Sicht der Kassen bei der Verordnung festlegen, in welchen Zeiträumen die Apotheker zu Folgeabgaben berechtigt sind.

Problemfelder: Abrechnung und freie Apothekenwahl

Bei der praktischen Umsetzung sieht der GKV-Spitzenverband drei mögliche Wege: Die Verordnung auf nur einem Muster 16, auf mehreren Dokumenten oder in Form einer elektronischen Verschreibung. „Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes wäre diese dritte Lösung zu bevorzugen“, stellt er klar. „Im Rahmen einer elektronischen Verordnung könnten zeitgleich vier Verordnungen mit unterschiedlichen Einlösezeiträumen erstellt werden. Entsprechend böte diese Lösung analog zur Ausstellung mehrerer Papierverordnungen den Vorteil der freien Apothekenwahl sowie der sofortigen Abrechnung.“

Drei mögliche Wege

Diese sofortige Abrechnung ist aus Sicht der Kassen ein Vorteil gegenüber der Verordnung auf nur einem Formblatt. Denn ein Papierrezept „kann erst dann abgerechnet werden, wenn auf der Grundlage dieses Blattes keine weiteren Arzneimittel mehr abgegeben werden“. Entsprechend müsste eine Mehrfachverordnung in Form eines einzigen Muster 16 bis zur letzten Abgabe bei der Apotheke verbleiben. „Eine solche Lösung hat dann zwei Konsequenzen. Einerseits legt sich der Versicherte bei der ersten Abgabe auf Basis einer Mehrfachverordnung auch für die Folgeabgaben auf eine bestimmte Apotheke fest und kann dies nicht mehr rückgängig machen. Damit wäre er in der freien Wahl seiner Apotheke beschränkt. Andererseits kann eine Abrechnung des Verordnungsblattes erst nach der letzten Abgabe erfolgen. Entsprechend würde sich der Erhalt der Vergütung dann auch um bis zu einem Jahr verzögern.“

Anderen Vorgehensweisen, die eine sofortige Abrechnung ermöglichen würden, wie das Erstellen einer Kopie des Rezepts, erteilen die Kassen eine Absage. Sie seien äußerst manipulationsanfällig und brächten die Gefahr unbeschränkt häufiger Abgaben mit sich. „Eine solche Lösung würde zudem die Schaffung neuer Datenfelder auf dem bisherigen Muster 16 oder die Entwicklung eines neuen Vordrucks erfordern, um die verschiedenen Intervalle für die Abgabe anzugeben und die tatsächlich erfolgten Abgaben zu registrieren. Ein solcher Prozess erfordert Eingriffe in die Datenstruktur der bisherigen Verordnungsblätter und damit eine Vorlaufzeit von mindestens neun Monaten.“

Umsetzung würde ein dreiviertel Jahr dauern

Nutzt der Arzt mehrere Blätter für die Verordnung, wären damit zwar einige Probleme im Vergleich zur Nutzung nur eines Rezepts gelöst, zum Beispiel, was die freie Apothekenwahl und die Abrechnung betrifft. „Die Patientinnen und Patienten könnten wie gewohnt die Verordnungsblätter in der Apotheke einlösen und die Apotheken entsprechend abrechnen. Für die Ärztinnen und Ärzte würde ein solches Vorgehen einen leicht erhöhten, aber vertretbaren Aufwand bedeuten, da mehrere Verordnungsblätter erstellt werden müssten.“ Einen Haken hätte dieses Verfahren jedoch: „Bei dieser Lösung müsste auf den bestehenden Formularen ein Platz für die Angaben der unterschiedlichen Abgabezeiträume geschaffen werden.“ So sei auch hier eine Vorlaufzeit von neun Monaten nötig.

Seit einiger Zeit schon war gerätselt worden, weshalb die Einführung der Wiederholungsverordnungen sich derart verzögert. Immerhin ist seit dem Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes mittlerweile ein halbes Jahr vergangen. Noch im August verwies die ABDA auf Nachfrage von DAZ.online auf die nach wie vor nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit Kassen und Ärzten. Die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands könnte nun ein Anhaltspunkt dafür sein, dass es die Kassen sind, die diesbezüglich auf der Bremse stehen. Weder die ABDA noch die Kassenärztliche Bundesvereinigung streifen das Thema in ihren Stellungnahmen zum VOASG.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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