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Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat eine Untersuchung im Fall Duogynon angekündigt. Das Hormonpräparat, das bis 1978 als Schwangerschaftstest eingesetzt wurde, steht im Verdacht, schwere Missbildungen bei Kindern verursacht zu haben. Entschädigungsleistungen für die Betroffenen stehen derzeit jedoch nicht zur Debatte.
Duogynon® war ein Hormonpräparat, das in Deutschland von 1950 bis 1981 für Schwangerschaftstests und zur Behandlung bei ausbleibenden Menstruationsblutungen eingesetzt wurde. Es steht im Verdacht, schwere Missbildungen bei Kindern ausgelöst zu haben. Duogynon®-Injektionen und -Dragees enthielten eine Estrogen-Gestagen-Kombination. Traten bei Frauen nach einer Injektion oder der Einnahme keine Blutungen auf, galten sie als schwanger. Die Dragees, die auch in England unter dem Name Primodos® vertrieben wurden, hatten 10 mg des Gestagens Norethisteronacetat enthalten: 10 bis 20 Mal mehr als gängige Kontrazeptiva.
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Bemühungen um mehr Aufklärung hatte das BMG in den vergangenen Jahren mehrfach abgelehnt. Jetzt will das Ministerium offenbar doch aktiv werden und kündigt eine Untersuchung im Fall Duogynon an. Den Ausschlag könnten neue Entwicklungen in Großbritannien gegeben haben. Im Juli erschien dort der Bericht eines unabhängigen Prüfungskomitees, das beauftragt worden war, den Fall Duogynon zu untersuchen. Es kam zu dem Schluss, dass die britischen Behörden ihrer Verantwortung beim Schutz der Bevölkerung nicht nachgekommen waren.
Der Hormontest, heißt es in dem Bericht, hätte bereits 1967 vom Markt genommen werden müssen. Schon damals war im Fachjournal „Nature“ eine Studie erschienen, wonach Mütter von Kindern mit Missbildungen überdurchschnittlich oft hormonelle Schwangerschaftstests durchgeführt hatten. Das Untersuchungskomitee gab in seinem Bericht Empfehlungen für die britische Regierung. Es riet zu einer Entschuldigung bei allen Betroffenen, zur Einrichtung von Entschädigungsfonds und einer stärkeren Ausrichtung der Arzneimittelaufsichtsbehörde auf die Patienteninteressen.
Nach Erscheinen des Berichts entschuldigte sich der britische Gesundheitsminister Matt Hancock tatsächlich umgehend bei den Betroffenen. Und die ehemalige Premierministerin Theresa May forderte die britische Regierung auf, über Ausgleichszahlungen nachzudenken. Die deutschen Behörden waren dadurch unter Zugzwang geraten, denn sie hatten noch deutlich zögerlicher als die britischen reagiert. So waren in Großbritannien Primodos®-Dragees ab 1970 nicht mehr für Schwangerschaftstest indiziert und wurden 1978 vom Markt genommen. In Deutschland waren Duogynon-Injektionen noch bis 1978 für Schwangerschaftstests zugelassen. Dann wurde das Präparat umbenannt und weiterhin bei ausbleibenden Menstruationsblutungen verschrieben, erst 1981 wurde es aus dem Handel gezogen.
Entschädigungsleistungen bislang nicht vorgesehen
Das BMG will nun prüfen, ob es Verbindungen zwischen der damaligen Aufsichtsbehörde BGA (heute BfArM) und dem Hersteller Schering AG (heute Bayer AG) gegeben habe, die dazu geführt hätten, dass Duogynon „trotz besseren Wissens” nicht vom Markt genommen wurde, heißt es in einer Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Martina Stamm-Fibich (SPD). Stamm-Fibich, aber auch Abgeordnete anderer Parteien, setzen sich seit Jahren für eine Aufklärung des Duogynon-Skandals ein, bisher vergeblich. Auch eine Organisation, die die Interessen von etwa 500 mutmaßlich Geschädigten in Deutschland vertritt, kämpft seit langem darum. Seit 2017 läuft beim Deutschen Bundestag ein Petitionsverfahren zum Fall Duogynon, in dem die Unterzeichner eine Untersuchung und mögliche Entschädigungen fordern.
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Die Parteien Die Linke sowie die Grünen hatten 2016 und 2018 Kleine Anfragen zum Thema im Bundestag gestellt. Das BMG antwortete aber noch 2018, man sehe keinen Anlass für weitere Nachforschungen und teratogene Effekte von Duogynon® seien unwahrscheinlich. Das BMG gehe davon aus, dass das ehemalige Bundesgesundheitsamt (BGA) seiner Verantwortung als unabhängige Arzneimittelüberwachungsbehörde „im Rahmen seiner Möglichkeiten” nachgekommen sei, heißt es in der Antwort. Nun scheinen dem BMG offenbar Zweifel daran gekommen zu sein – und es will die Vorgänge überprüfen.
Um mögliche Entschädigungsleistungen für die Betroffenen soll es bei der angekündigten Untersuchung laut BMG aber vorerst nicht gehen. Dabei wäre ein staatlicher Entschädigungsfonds die wohl einzige Chance für Geschädigte: Ansprüchen gegenüber der Bayer AG als Rechtsnachfolger der Schering AG stehen Verjährungsfristen im Weg. Bayer hatte sich bereits auf die Verjährungsfrist berufen, als es 2011 einem mutmaßlich durch Duogynon® Geschädigten die Akteneinsicht verwehrte.
Das Abgeordnetenbüro von Martina Stamm-Fibich (SPD) teilte mit, dass das BMG zwar in einem ersten Schritt vor allem die Verbindungen zwischen der Schering AG und dem BGA untersuchen wolle. Aber das Thema Entschädigungsfonds stehe weiter im Raum: „Wenn bei diesem ersten Schritt festgestellt wird, dass es hier zu behördlichem Versagen kam, dann ist die Schaffung eines staatlichen Entschädigungsfonds die logische Schlussfolgerung und dringend notwendig,” so ein Mitarbeiter Stamm-Fibichs.
Valproinsäure
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Die britische Untersuchungskommission hatte sich übrigens noch mit weiteren Medikamenten befasst, darunter Valproat. Der Wirkstoff wurde lange Zeit auch bei werdenden Müttern zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt, erhöht aber das Missbildungsrisiko bei Kindern deutlich. Auch nachdem dies bekannt war, reagierten viele Länder zu spät und Valproat wurde trotzdem weiter Schwangeren verschrieben. Die Kommission forderte daher für Großbritannien die Einrichtung eines Entschädigungsfonds, genau wie im Fall Duogynon. Auch in Frankreich gibt bereits einen Entschädigungsfonds für Valproat-Geschädigte. Zuletzt wurde zudem deren Klagen gegen die französische Regierung und den Hersteller Sanofi stattgegeben. In Deutschland hatte das Bundesgesundheitsministerium 2017 mitgeteilt, es strebe keine Untersuchung der Verschreibungspraxis bei Valproat an. Auch ein Entschädigungsfonds sei nicht geplant.
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