Interpharm Online – Vorschau

Dauerbrenner Corona

Stuttgart - 22.09.2020, 11:45 Uhr

Wie klug ist es, bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen hauptsächlich auf das Spike-Protein als antigene Struktur zu setzen? (Foto: imago images / Science Photo Library)

Wie klug ist es, bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen hauptsächlich auf das Spike-Protein als antigene Struktur zu setzen? (Foto: imago images / Science Photo Library)


Können vergangene Infektionen mit endemischen Coronaviren auch vor SARS-CoV-2 schützen? Was bedeutet das für die Impfstoffforschung – und wie klug ist es, bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen hauptsächlich auf das Spike-Protein als antigene Struktur zu setzen? DAZ.online hat vorab mit Dr. Verena Stahl über die gemeinsam mit Professor Leif Erik Sander im Rahmen der Interpharm online geführte Fachdiskussion „Dauerbrenner Corona – Was uns COVID-19 lehrt“ gesprochen.

DAZ.online: Der wissenschaftliche eKongress der Interpharm Online beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit heimtückischen Attacken, SARS-CoV-2 scheint nach den bisherigen Erfahrungen besonders heimtückisch zu sein, oder?

Stahl: In der Tat. Auch wenn in den vergangenen Monaten durch nationale und internationale wissenschaftliche Kollaborationen ein unglaublich großer Erkenntnisgewinn zutage gefördert wurde, befinden wir uns immer noch in der „Kennenlernphase“. Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass es dem Virus auf verschiedenen Ebenen gelingt, Forschern große Rätsel aufzugeben.

Belebendes neues Format

Als Abschluss des Wissenschaftlichen eKongresses der diesjährigen Interpharm online erwartet die Interpharm-Teilnehmer ein besonderes Format: Dr. Verena Stahl steht nicht alleine auf der Bühne – wie bei zahlreichen vergangenen Interpharmen –, sondern führt gemeinsam mit Professor Leif Erik Sander ein Expertengespräch. Lebendig und interaktiv wollen sie über „Dauerbrenner Corona – Was uns COVID-19 lehrt“ diskutieren, wobei Sander von der Charité online zugeschaltet wird.

DAZ.online: Worüber wird gerätselt?

Stahl: Spannend ist beispielsweise, welchen Einfluss SARS-CoV-2 auf das Immunsystem ausübt und dass es bei der Infektabwehr so viele unterschiedliche Verläufe, dann aber auch wieder einheitliche Muster gibt. In der Praxis wird es hilfreich sein, früh zu erkennen, wer eher einen schweren Verlauf nehmen wird und bei wem das eigene Immunsystem noch „die Kurve kriegen wird“. Bei dieser Fragestellung können unterschiedliche Biomarker von Nutzen sein, deren Erhebung auch in der Routinediagnostik möglich sein muss. Ob sie wirklich einen prädiktiven Wert für den Krankheitsverlauf haben, ist aber noch Forschungsgegenstand. Hierüber wird uns mein Gesprächspartner, Professor Leif Erik Sander, aus erster Hand berichten können.


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Falls Sie Lust auf ein oder mehrere Tage Fortbildung haben, können Sie sich hier für die Interpharm online 2020 anmelden. Das genaue Programm mit allen Referenten finden Sie hier.

DAZ.online: Bitte stellen Sie uns doch einmal Ihren Co-Referenten etwas näher vor!

Stahl: Ich bin sehr froh, Professor Sander als Experten an meiner Seite zu wissen, denn er wird dem Anspruch des Interpharm Online-Kongresses vollkommen gerecht, Referenten aus Wissenschaft UND Praxis sprechen zu lassen. Er vereint große wissenschaftliche Kompetenz mit enormer praktischer Erfahrung. Als Facharzt für Innere Medizin / Pneumologie ist er an der Charité - Universitätsmedizin Berlin als Oberarzt für die COVID-19-Patienten zuständig und kennt die klinischen Besonderheiten ausgezeichnet. Zugleich leitet er die Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung der Charité und konnte hier mit seinem Team bereits mehrere hochkarätige Veröffentlichungen zum besseren Verständnis der immunologischen Prozesse rund um SARS-CoV-2 beisteuern. Nicht weniger wichtig ist seine Mitgliedschaft im interdisziplinären „Corona Research Board“ der Charité, welches dort sämtliche COVID-19-Forschungsprojekte koordiniert.

Kreuzreaktivität – Vorteil oder Nachteil?

DAZ.online: Sie werden auch darüber diskutieren, ob eine vorangegangene Infektion mit harmlosen Erkältungs-Coronaviren möglicherweise schützend wirkt. Was weiß man darüber?

Stahl: Gleich mehrere Forscherteams haben sich mit der sogenannten Kreuzreaktivität beschäftigt. Interessanterweise waren bei 30 bis 40 Prozent SARS-CoV-2-naiver Probanden, die nachweislich eine frühere Exposition mit humanen endemischen Coronaviren hatten, T-Gedächtniszellen vorhanden, die auch in der Lage sind, bestimmte Epitope von SARS-CoV-2 zu erkennen. Der Schluss liegt nahe, dass diese Personen besser vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt sind. Und so war es wenig verwunderlich, dass Boulevard-Medien bereits triumphierend äußerten, ein Drittel der Bevölkerung sei immun. Dieser Rückschluss ist aber nicht zulässig und man kann von einem guten (negativem) Beispiel sprechen, wie abermals wissenschaftliche Erkenntnisse missinterpretiert wurden. Tatsächlich ist noch vollkommen unklar, was diese Kreuzreaktivität bewirken kann und ob es nicht auch Nachteile mit sich bringt.

DAZ.online: Ergaben sich denn aus diesen Untersuchungen neue Erkenntnisse für die Impfstoffforschung?

Stahl: Diese Frage werde ich gerne an unseren Experten richten, schließlich kann es große Auswirkungen für die Impfstrategie haben, falls eine mögliche Hintergrundimmunität in der Bevölkerung vorliegen sollte. Auf den zweiten Blick haben die Untersuchungen aber auch dazu beitragen können, mehr über die antigenen Strukturen zu wissen, die von unserem Immunsystem erkannt werden. Das Virus weist schließlich noch andere interessante Epitope neben denen des allseits bekannten Spike-Proteins auf.

DAZ.online: Dennoch setzt der Hauptteil der Forschungsaktivitäten eines COVID-19-Impfstoffs auf das gleiche Pferd, eben jenes Spike-Protein – ein Fehler?

Stahl: Sicherlich wäre es sinnvoller, noch mehr Epitope anzusprechen. Noch ist es – auch aufgrund der Kürze der Zeit – nicht vollständig verstanden, was alles eine Immunität vermittelt, die neben der humoralen auch die T-Zell-Antwort einschließen muss. Es wird sich hoffentlich bald zeigen, ob die Immunantwort, die allein durch das Spike-Protein getriggert wird, robust genug ist, um vor einer Infektion zu schützen. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus für die Impfstoffkandidaten – auch dem wollen wir bei der Interpharm auf den Grund gehen.

Heimtückische Attacken erfolgreich abgewehrt

Dauerbrenner Corona – Was uns COVID-19 lehrt

Dr. Verena Stahl, Prof. Dr. Leif Erik Sander

Freitag, 25. September 2020; 16 Uhr Wissenschaftlicher eKongress



Apothekerin Dr. Verena Stahl
redaktion@daz.online


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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