AvP-Insolvenz

AVNR: „Apothekensterben“ verdoppelt sich

Stuttgart - 25.09.2020, 15:05 Uhr

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert den vorläufigen Insolvenzverwalter von AvP auf, die noch im Rechenzentrum befindlichen Rezepte herauszugeben. (Foto: DAZ/A.Schelbert)

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, fordert den vorläufigen Insolvenzverwalter von AvP auf, die noch im Rechenzentrum befindlichen Rezepte herauszugeben. (Foto: DAZ/A.Schelbert)


Nach und nach werden die Hilferufe aus den Apothekerverbänden lauter. In Nordrhein hat man nun in Anbetracht der Insolvenz der AvP Deutschland GmbH eine Markteinschätzung vorgenommen: Demnach sollen in NRW rund fünf Prozent der Apotheken so stark betroffen sein, dass kurzfristige Schließungen drohen. Damit könnte sich das „Apothekensterben“ verdoppeln. Der AVNR-Vorsitzende Thomas Preis steht in Kontakt mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter von AvP und drängt zur Herausgabe der noch im Rechenzentrum befindlichen Rezepte.

„Hier geht es um die nackte Existenz von Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die in der Hochphase der Coronakrise Herausragendes geleistet haben und jetzt ohne eigenes Verschulden vor einem persönlichen und geschäftlichen Scherbenhaufen stehen“, macht Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein (AVNR) in einer aktuellen Mitteilung deutlich. Preis appelliert an Politik, Großhandel und Banken, „einen schnell wirksamen Beitrag zu leisten, um Schließungen der Apotheken zu verhindern und möglichen Versorgungslücken vor Ort sowie Arbeitsplatzverlusten effektiv entgegenzuwirken.“

Einer aktuellen Markteinschätzung vom AVNR zufolge, sind in NRW etwa fünf Prozent der aktuell 3.985 Apotheken so stark betroffen , dass eine kurzfristige Schließung droht. Bundesweit seien es drei Prozent der insgesamt 19.075 Apotheken, die betroffen sind. Das hätte zur Folge, dass kurzfristig mit einer Verdoppelung des „Apothekensterbens" zu rechnen ist, so der Verband. Bei nun rund 700 zu erwartenden Apothekenschließungen stünden bundesweit auch fast 5.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Allein durch die AVP-Insolvenz etwa 2500.

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In Nordrhein hat man sich vor dem Hintergrund der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP inzwischen mit anderen Apothekerverbänden abgestimmt und fordert den vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos auf, noch nicht abgerechnete Rezepte den betroffenen Apotheken umgehend zur Verfügung zu stellen. Schriftlich hätte man diese Forderung bereits geltend gemacht. „Unsere Position werden wir auch in dem bereits für Anfang der Woche terminierten Gespräch mit Herrn Dr. Hoos wiederholen“, so Preis. Dabei soll es in dem Gespräch aber auch darum gehen, gemeinsam mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung eine rechtlich tragfähige, aber gleichzeitig auch pragmatische und kurzfristige Lösung zu erarbeiten. „Insgesamt gehen wir mit Zuversicht in dieses Gespräch“, kündigt Thomas Preis an.

Durch den Unternehmenssitz von AvP in Düsseldorf sind Nordrhein-Westfalens Apotheken besonders stark betroffen, weil die Rezeptabrechnung über viele Jahrzehnte hin eher regional organisiert war und es erst in den letzten Jahren zu einer Vergrößerung und Verlagerung der Kundenkreise der einzelnen Anbietern kam.

Sachsen-Anhalt: Jede fünfte Apotheke unverschuldet in Zahlungsnot

Doch auch in Sachsen-Anhalt ist man alarmiert: Hier soll jede fünfte Apotheke soll dort unverschuldet in akute Zahlungsnöte geraten sein – mehr als 100 der insgesamt 581 öffentlichen Apotheken seien betroffen, so eine Mitteilung der Apothekerkammer und des -verbandes. Die aus dieser Insolvenz resultierenden Zahlungsausfälle seien existenzbedrohend und würden sich pro Apotheke in einem Bereich von ca. 120.000 Euro bis 400.000 Euro bewegen, teilweise sogar noch darüber hinaus. „Da dieses Geld dringend für die Bezahlung der Rechnungen für die vom Großhandel und der Industrie gelieferten Arzneimittel, aber auch für Mieten, Gehälter und Sozialbeiträge benötigt wird, geraten viele der von der Insolvenz des Rechenzentrums betroffenen Apotheken unverschuldet in eine akute finanzielle Notlage“, betont Kammerpräsident Dr. Jens-Andreas Münch.

Kammer und Verband in Sachsen-Anhalt haben sich nun in einem Brief an den Ministerpräsidenten gewendet und einen Hilferuf an die Politik formuliert: „Es geht hier um Gelder der Sozialversichertengemeinschaft, die durch ein Insolvenzverfahren nicht ausgezahlt werden können und damit trotz bereits erbrachter Leistung den Apotheken nicht zur Verfügung stehen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Apothekerschaft gesetzlich  beauftragt ist, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Danach hat die Apotheke die Verpflichtung, das verordnete Arzneimittel abzugeben. Diese Verpflichtung gilt völlig unabhängig davon, ob sich dies wirtschaftlich rechnet. Gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln sind die Apotheken in Folge der gesetzlichen im Sozialgesetzbuch Teil V verankerten langen Zahlungsfristen für die Krankenkassen gezwungen, die für sie unwirtschaftliche Zwischenfinanzierung zu übernehmen“, so der Kammerpräsident.

Der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt und ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold ergänzt: „Der ersatzlose Ausfall einer ganzen Monatsabrechnung ist für nahezu jeden Apothekeninhaber existenzbedrohend. In der stark regulierten Arzneimittelversorgung tragen die Apotheken ohnehin ein großes finanzielles Risiko bei seit Jahren kaum angepassten Honoraren. Rabattverträge, Lieferengpässe, Retaxationen und die Vorfinanzierungskosten für immer mehr hochpreisige Arzneimittel belasten die wirtschaftliche Situation ohnehin schwer.“



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Verwunderung

von J.M.L. am 25.09.2020 um 18:55 Uhr

Verwunderung - Und ich dachte das Apothekensterben sei von der ABDA gewollt? Aber wahrscheinlich nicht so schnell...

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