Wegen akuter Nierentoxizität

PRAC überprüft COVID-19-Arzneimittel Remdesivir

Stuttgart - 05.10.2020, 14:15 Uhr

Der PRAC untersucht, ob Remdesivir möglicherweise die Nieren akut schädigt. Veklury ist das bislang erste und einzige Arzneimittel, das bei COVID-19 die Zulassung erhielt. (s / Foto: Crystal light / stock.adobe.com) 

Der PRAC untersucht, ob Remdesivir möglicherweise die Nieren akut schädigt. Veklury ist das bislang erste und einzige Arzneimittel, das bei COVID-19 die Zulassung erhielt. (s / Foto: Crystal light / stock.adobe.com) 


Der Sicherheitsausschuss der EMA (PRAC) hat ein Sicherheits-Review zum ersten zugelassenen Corona-Arzneimittel Remdesivir in Veklury eingeleitet. Der Grund: Den PRAC erreichte ein Signal zu akuter Nierenschädigung bei Patienten, die Remdesivir erhielten. Allerdings kann auch SARS-CoV-2 die Nieren schädigen. Was steckt hinter der Nierentoxizität – Remdesivir oder SARS-CoV-2? Dem geht der PRAC nun nach.

Veklury hat seit 3. Juli 2020 eine „bedingte Marktzulassung“ in der EU. Zugelassen ist es für die Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit Lungenentzündung und zusätzlichem Sauerstoffbedarf. Die bislang verfügbaren Daten zeigten, dass für diese schwerkranken Patienten der Nutzen des RNA-Polymerase-Inhibitors gegenüber den Risiken der Behandlung mit dem Virostatikum überwiegt. Allerdings erfolgte die Zulassung in einem beschleunigten Verfahren (Rolling-Review) bei dem der Humanarzneimittelausschuss (CHMP) noch während der klinischen Prüfung des Arzneimittels mit der Bewertung der jeweils verfügbaren Daten beginnt. Das bedeutet nun, dass in der Phase nach der Zulassung weiter Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Remdesivir vorgelegt werden müssen. 

Die EMA prüft alle neuen Informationen, die in monatlichen Sicherheitsberichten, regelmäßig aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten (PSUR, Periodic Safety Update Report) und Signalmeldungen verfügbar werden.

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Der PRAC hat nun am 2. Oktober 2020 ein Sicherheits-Review zu Remdesivir eingeleitet. Der Pharmakovigilanzausschuss hat diese Überprüfung auf Grundlage von Meldungen zu Remdesivir in EudraVigilance initiiert. Wie die EMA mitteilt, liege ein „Sicherheitssignal“, sprich ein neues oder unvollständig dokumentiertes unerwünschtes Ereignis, das möglicherweise in Zusammenhang mit einer Arzneimittelanwendung steht, zu Remdesivir vor. Dem PRAC zufolge gibt es Berichte zu Patienten, bei denen unter Remdesivir akute Nierenschäden auftraten. Doch betont der PRAC: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht geklärt, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Veklury und den Berichten über akute Nierenschädigungen besteht.“

Ändert sich die Indikation von Remdesivir?

So könnten Nierenverletzungen auch durch andere Faktoren verursacht werden, zum Beispiel durch Diabetes, gibt der PRAC zu bedenken. Auch COVID-19 selbst komme als Ursache infrage. Der Ausschuss für Pharmakovigilanz der EMA wird nun alle verfügbaren Daten sorgfältig auswerten, um zu beurteilen, ob das Medikament für die Nierenprobleme verantwortlich gewesen sein könnte und ob es notwendig ist, die vorhandenen Informationen über Veklury zu aktualisieren. Wichtig ist auch, dass sich die bislang gültigen Empfehlungen für die Anwendung von Remdesivir nicht geändert haben. Auch zum jetzigen Zeitpunkt rät die Produktinformation den behandelnden Ärzten, Patienten vor und während der Behandlung auf Nierenstörungen zu überwachen und die Behandlung bei Patienten mit erheblicher Abnahme der Nierenfunktion nicht zu beginnen.

Verknüpfung der Nukleinbasen (Cytosin, Guanin, Adenin und Uracil) über ein Zucker- (grau) und Phosphatrückgrat (türkis) zur RNA | Bild: Sponk

Wie wirkt Remdesivir?

Remdesivir zählt zu den Virostatika. Der Arzneistoff hemmt die Vermehrung bestimmter Viren – unter anderem Ebola- und Coronaviren –, indem Remdesivir das für die Vermehrung erforderliche Enzym, die virale RNA-Polymerase, blockiert. In SARS-CoV-2 liegt die Erbinformation – anders als beim Menschen – in Form von Ribonukleinsäure (RNA) vor. Bei der RNA handelt es sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – nämlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind (siehe Abb.). Als Zuckerbaustein dient die Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure.

Will sich ein Virus vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln. Dabei hilft die viruseigene RNA-Polymerase. Sie nutzt die vorhandene RNA als Vorlage und knüpft eine neue Kette, wieder bestehend aus Zucker-Phosphat und daran angehängt Adenin, Cytosin, Guanin oder Uracil. Remdesivir ähnelt jedoch der Nukleinbase Adenin und wird so als „falscher“ Baustein in die neue RNA des „Virus-Nachkommens“ eingebaut. Die Folge: Die RNA- und folglich die Virus-Vermehrung ist gestört. Der Wirkmechanismus könnte mit erklären, warum Remdesivir in früheren Phasen der COVID-19-Erkrankung, bei maximaler Virusvermehrung, besser zu wirken scheint als im fortgeschrittenen Stadium.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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