Konsequenzen aus dem AvP-Skandal

Von Sozialrechtsänderungen bis zur Verstaatlichung

Stuttgart/Berlin - 08.10.2020, 17:35 Uhr

ABDA-Präsident Schmidt hat sich mit einer Videobotschaft zur AvP-Insolvenz zur Wort gemeldet. (Foto: picture alliance / Marcel Kusch/ Külker)

ABDA-Präsident Schmidt hat sich mit einer Videobotschaft zur AvP-Insolvenz zur Wort gemeldet. (Foto: picture alliance / Marcel Kusch/ Külker)


Auf welche Finanzhilfen können die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheken jetzt zugreifen? Diese Frage wird aktuell heiß diskutiert. Die versprochenen KfW-Schnellkredite sind ein erstes Ergebnis der politischen Vorgänge in Berlin. Doch gleichzeitig muss geklärt werden, wie das Geschäft mit der Rezeptabrechnung auf stabile Füße gestellt wird. Erste Vorschläge existieren – und diese könnten auch in der jetzigen Situation für die Geschädigten von Bedeutung sein.

Nach der gestrigen Sitzung des Gesundheitsausschusses im Bundestag, an der neben den Fachpolitikern auch die ABDA, Vertreter dreier Ministerien, der vorläufige Insolvenzverwalter und der Geschäftsleiter von AvP teilgenommen hatten, steht fest: Akut will der Staat den betroffenen Apotheken mit zinsgünstigen Schnellkrediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unter die Arme greifen. An die Gelder kommen die Inhaber über ihre jeweiligen Hausbanken heran.

Doch dieser Vorschlag stößt größtenteils auf wenig Gegenliebe. „Zinsgünstige Kredite oder Zahlungsaufschübe helfen betroffenen Apotheken langfristig nicht weiter, weil sie die Ursachen der Liquiditätsengpässe nicht beheben werden“, erklärte beispielsweise die Dresdener Apothekerin Sylvia Trautmann kurz nach der Bekanntgabe gegenüber DAZ.online. Keinesfalls sei sie damit einverstanden, dass sie mit ihrem Privatvermögen für ein Finanzverbrechen haften soll, welches durch Gesetzgebung und staatliche Kontrolle hätte verhindert werden können. In Kommentaren und sozialen Medien äußern zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker vielmehr die Erwartung, dass ein staatlicher, zinsloser Rettungsfonds den kompletten finanziellen Ausgleich der AvP-bedingten Zahlungsverluste übernehmen sollte.

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Teilnehmer der gestrigen Sitzung berichteten gegenüber DAZ.online, dass auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt von zinslosen Darlehen oder günstigen KfW-Schnellkrediten gesprochen habe. Im Nachgang meldete sich der ABDA-Präsident via Video-Botschaft öffentlich zu Wort. Darin erklärt Schmidt nochmals die vom vorläufigen AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos im Ausschuss geschilderte schwierige Lage für die betroffenen Apotheken: Eine schnelle Lösung wird es nicht geben, ebenso wenig werden alle Forderungen befriedigt werden – und bis überhaupt etwas aus der  Insolvenzmasse ausgeschüttet wird, können Monate bis Jahre vergehen. 

Zweifelsohne sind dies schlechte Nachrichten. Schmidt betont allerdings in dem Video, dass ihm vor allem wichtig war, den Abgeordneten eines zu vermitteln: Es ist ein großer Unterschied, ob ein Großbank im Kreditportfolio eine Einzelwertberichtigung vornehmen muss oder ob eine Familie ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verliert.

Mit der KfW habe die ABDA über zwei Fragen gesprochen, erklärt Schmidt weiter. Zum einen, ob die Standardprodukte, die die KfW über die Hausbanken anbietet, in diesen Fällen anzuwenden sind? Hier laute die Antwort ganz klar ja. Zum anderen: Was geschieht wenn jemand die Anforderungen, die an diese Standardkreditprodukte gestellt werden, nicht erfüllt? Dann wäre die KfW in Kooperation mit der Hausbank bereit, Einzelfallprüfungen vorzunehmen.

ABDA unterbreitet konkreten Vorschlag

Zum Abschluss seines Statements geht Schmidt auf Hoos Forderung ein, regulatorisch klarzustellen, dass die Gelder, die von den Krankenkassen an die Rechenzentren fließen und an die Apotheken weitergeleitet werden, klar und offen auf Treuhandkonten auszuweisen sind. Sie seien also zu separieren vom Vermögen der Abrechnungsstelle. Diese Auffassung teile auch die ABDA.

Damit präsentiert Schmidt eine wichtige und elegante Möglichkeit einer politischen Konsequenz aus dem AvP-Skandal: Die ABDA hat dem Gesundheitsausschuss offenbar einen konkreten Vorschlag unterbreitet, eine solche Separierung im Sozialrecht vorzuschreiben. Schmidt zeigte sich optimistisch, dass die Politik diesen Vorschlag aufnehmen werde.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Blamabel

von Reinhard Rodiger am 08.10.2020 um 19:50 Uhr

Es bleibt blamabel, dass kein Wort zu den Kernfragen gefunden wird.Es wird individualisiert,statt die Verantwortung für Fehlleistungen und verschobene Risiken präzise zu adressieren.Das bedeutet-unabhängig von jahrelangen Fechtereien- die kritische gesellschaftliche Situation zu fokussieren.Es geht um Ausfallgarantien des Staates.Klare Signale zur Übernahme der Verantwortung sind zu fordern.
KfW-Kredite - auch in FS-optimierter Form- sind ein Hohn.
Es geht nicht um ein gnädiges Aussetzen der Bankprofitbedingungen mit allen Zusatzkosten.
Es geht um die Verantwortungsübernahme derer, die diese Situation ermöglicht haben.Der Staat hat die Bringschuld. Das mag juristisch schwierig sein, aber das ist keine Entschuldigung für das Ignorieren dieses Zusammenhangs. Nicht zuletzt zeigt die Coronakrise,dass solche gesetzlichen oder verfahrensmässigen Hürden lässig überwunden werden können.Wenn dafür das Interesse vorliegt.Trotz der Gefahr des Systembruchs und der individuellen Kathastrophen ist das nicht der Fall. Alles wird Jahre dauern und ist so schwierig. Cui bono?

Die Sicherung einer verlässlichen menschengemässen Versorgung liegt offensichtlich genauso ausserhalb des Spektrums wie die Abwendung selbstinduzierter Kollateralschäden. Das gilt in Eintracht für Politik und Standesvertretung. Gerade das ist besonders blamabel oder armselig oder...eben schlicht verantwortungslos.

Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht so stehen bleibt.

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