Arzneimittel-Programm für Einkommensschwache

US-Apotheken bereichern sich an Rabatten

Remagen - 20.10.2020, 13:45 Uhr

Über das „340B-Programm“ der US-Regierung sollen nicht versicherte und schutzbedürftige Patienten mit ermäßigten Medikamenten versorgt werden. Die durchschnittliche Gewinnspanne für 340B-Arzneimittel soll 72 Prozent betragen, verglichen mit einer Marge von 22 Prozent für Nicht-340B-Arzneimittel. (p/ Foto: imago images / Levine-Roberts)

Über das „340B-Programm“ der US-Regierung sollen nicht versicherte und schutzbedürftige Patienten mit ermäßigten Medikamenten versorgt werden. Die durchschnittliche Gewinnspanne für 340B-Arzneimittel soll 72 Prozent betragen, verglichen mit einer Marge von 22 Prozent für Nicht-340B-Arzneimittel. (p/ Foto: imago images / Levine-Roberts)


„US-Kettenapotheken bereichern sich an Arzneimittelprogramm für Arme“ – so könnte man das Ergebnis einer neuen Analyse der „Berkeley Research Group“ (BRG) plakativ auf den Punkt bringen. Es geht um das sogenannte 340B-Programm der Regierung, über das nicht versicherte und schutzbedürftige Patienten mit ermäßigten Medikamenten versorgt werden sollen. Die Realität hat damit aber offenbar nicht viel zu tun.

In den USA wurde in den 1990er Jahren das sogenannte „340B-Programm“ geschaffen. Über das Programm erhalten Sicherheitsnetz-Anbieter (safety net providers) – das heißt, bestimmte qualifizierte Krankenhäuser und staatlich finanzierte Kliniken – Zugang zu Ermäßigungen auf verschreibungspflichtige Medikamente für einkommensschwache oder nicht versicherte Patienten. Diese sollen dann wiederum von den Rabatten profitieren, die die Hersteller im Rahmen des Programms gewähren müssen. Im Jahr 2010 öffnete eine Richtlinie der „Health Resources and Services Administration“ (HRSA) die Möglichkeit, dass alle 340B-Unternehmen mit einer unbegrenzten Anzahl von Einzelhandelsapotheken Verträge über die Abgabe von 340B-Arzneimitteln abschließen konnten. Damit sollte der Zugang der Patienten zu den ermäßigten Medikamenten weiter verbessert werden. Nach einer neuen Analyse der „Berkeley Research Group“ (BRG) im Auftrag der „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) ist dieser Schuss jedoch nach hinten losgegangen. 

Die Öffnung hat vielmehr zu massiven Fehlanreizen geführt: gewinnorientierte Anbieter, Apotheken und Apothekenleistungsmanager nutzen das Programm, um mit 340B-Verkäufen selbst Gewinne zu erzielen. Die Preisnachlässe, die damit verbunden sind, kommen bei den einkommensschwachen und schutzbedürftigen Patienten tatsächlich nicht an.

Mehr als die Hälfte der Gewinne landet bei vier Apothekenketten

Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse sind folgende:

  • Als durchschnittliche Gewinnspanne für 340B-Arzneimittel, die üblicherweise über Vertragsapotheken abgegeben werden, hat die „Berkeley Research Group“ einen Wert von 72 Prozent ermittelt, verglichen mit einer Marge von 22 Prozent für Nicht-340B-Arzneimittel, die über unabhängige Apotheken abgegeben werden.
  • Unternehmen, die an 340B teilnehmen und ihre Vertragsapotheken erzielten mit 340B-Arzneimitteln im Jahr 2018 einen Bruttogewinn von schätzungsweise 
    13 Milliarden US-Dollar. Das entspricht mehr als einem Viertel des Gesamtgewinns von Apotheken und Anbietern aus der Abgabe von Markenmedikamenten.
  • Nach der Ausweitung des Vertragsapothekenprogramms durch die HRSA im März 2010 stieg die Beteiligung an Vertragsapotheken in den darauffolgenden zehn Jahren um erstaunliche 4.228 Prozent.
  • Heute nehmen über 27.000 Apotheken am 340B-Programm teil. Mehr als die Hälfte der von Vertragsapotheken einbehaltenen 340B-Gewinne landet bei nur vier Apothekenketten – Walgreens, Walmart, CVS Health und Cignas Spezialapotheke Accredo.

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Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in den USA (PhRMA) verweist in einer Mitteilung zu dem neuen BRG-Report auch auf eine Analyse im „New England Journal of Medicine“ aus dem Jahr 2018. Diese habe keine Hinweise darauf gefunden, dass die Ausweitung des 340B-Programms zu einer verbesserten Versorgung oder einer geringeren Sterblichkeit bei Patienten mit niedrigem Einkommen geführt habe, stellt die PhRMA fest. Auch dem US-Rechnungshof (Government Accountability Office, GAO) und dem Gesundheitsministerium, lägen ausreichende Beweise dafür vor, dass Krankenhäuser Vertragsapotheken-Vereinbarungen nutzen, um mit dem 340B-Programm zusätzliche Einnahmen zu erzielen, ohne sicherzustellen, dass Patienten mit niedrigem Einkommen von den Herstellerrabatten profitieren.

In einer Untersuchung des Rechnungshofs zu dem Programm von 2018 hatte mehr als die Hälfte der befragten 340B-Krankenhäuser angegeben, in ihren Vertragsapotheken keine Rabatte mit den Patienten zu teilen.

Dringender Appell an den Gesetzgeber

„Es ist klar, dass Vertragsapotheken die Marktmacht genutzt haben, um Geld aus dem Programm herauszuziehen und es den schutzbedürftigen Patienten vorzuenthalten“, sagt Stephen J. Ubl, Präsident und CEO der PhRMA. „Ich fordere den Gesetzgeber dringend auf, die Ergebnisse dieser Analyse zu berücksichtigen und Richtlinien zu verfolgen, die sicherstellen, dass das 340B-Programm schutzbedürftigen Patienten zugutekommt, anstatt nur die Taschen von gewinnorientierten Unternehmen zu füllen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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