Grippeschutzimpfung in Apotheken

Auch Apotheker in Niedersachsen dürfen impfen

Berlin - 23.10.2020, 07:00 Uhr

Das möglicherweise größte der aktuell im Raum stehenden Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken wird schon bald in Niedersachsen beginnen. (x / Foto: Kunatorn / stock.adobe.com)

Das möglicherweise größte der aktuell im Raum stehenden Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken wird schon bald in Niedersachsen beginnen. (x / Foto: Kunatorn / stock.adobe.com)


Schulungen in vollem Gang

Die Apothekerkammer Niedersachsen organisierte daraufhin die für die Zusatzqualifikation benötigten Schulungen. Bereits Ende September liefen die ersten Web-Seminare des theoretischen Teils der Zusatzqualifikation. Die Teilnahmegebühr der in zwei Blöcke aufgeteilten Web-Seminare beträgt jeweils 
10 Euro, das darauffolgende Praxisseminar kostet weitere 125 Euro.

Das erste Praxisseminar startet am 29. Oktober. In dem ganztägigen Kurs vermittelt Dr. Thomas Menn, Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen, Umwelt- und Sozialmedizin, die praktischen Fähigkeiten zur Vakzination. Die ersten drei Präsenztermine Ende Oktober und Anfang November in Oldenburg, Osnabrück und Hannover sind bereits ausgebucht. Die Apothekerkammer bietet ab dem 
25. November weitere Praxisseminare in Hannover an. Die Inhalte der Schulung entsprechen denen des Curriculums zur Grippeschutzimpfung der Bundesapothekerkammer.

Ärztekammer Niedersachsen gegen Modellprojekte

Doch noch vor der ersten Impfung in der Apotheke weht Gegenwind durch Niedersachsen. In einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung positioniert sich die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), Dr. Martina Wenker, gegen die Modellvorhaben: „Ärztinnen und Ärzte haben Impfen gelernt, deshalb können nur Ärztinnen und Ärzte das Impfen adäquat begleiten.“ Die ÄKN startete dazu die Kampagne „Grippeimpfung? Aber sicher! In Ihrer Arztpraxis!“ und unterstützt die Kammermitglieder mit Aufklebern und Postern. Die Kampagne führt Patienten die Risiken der Vakzination vor Augen und betont die Wichtigkeit ärztlicher Expertise bei Überempfindlichkeitsreaktionen.

In einer 2019 im „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlichten Studie errechneten die Autoren anhand von Daten aus den Jahren 1990 bis 2016 eine Häufigkeit von 0,2 anaphylaktischen Reaktionen pro einer Million applizierter Grippeschutzimpfungen. Um auch auf diese Fälle vorbereitet zu sein, lernen die Apotheker im letzten Teil der praktischen Schulung von einem Arzt, welche Notfallmaßnahmen bei schweren allergischen Reaktionen zu ergreifen sind.

Zudem befürchtet Wenker, dass durch die Modellvorhaben vermehrt Lieferengpässe bei Grippeimpfstoffen auftreten würden. Tatsächlich treten aktuell lokal Lieferengpässe auf. Gesundheitsminister Spahn betont, dass das Paul-Ehrlich-Institut neue Impfstoff-Chargen erst nach und nach freigeben kann. Damit seien zeitlich begrenzte Engpässe regional möglich. Spahn merkte an, dass in den vergangenen Jahren jeweils vier bis sechs Millionen Impfdosen vernichtet wurden, da sich nicht genügend Menschen impfen ließen.

Verhärtete Fronten

Den altbekannten Streit zwischen Ärzten und Apothekern trugen am Mittwoch auch Apothekerin Cynthia Milz und der Arzt Dr. Johannes Gehle in einem DocCheck TV-Streitgespräch aus. „Die Politik hat gesagt, sie will Modellprojekte. Die müssen jetzt durchgezogen und ausgewertet werden“, erklärte Milz. Am Ende entscheide der Patient. Der Vertreter der Ärzteschaft bezog dagegen klar gegen die Impfung in Apotheken Stellung. 

Doch nicht alle Ärztinnen und Ärzte zeigen sich skeptisch gegenüber den neuen Modellvorhaben. Am 7. Oktober äußerte sich auch Sabine Dittmar, Ärztin und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, in einem Interview zur Kritik der Ärzteschaft: „Ich kann meine Kollegen nicht verstehen. Apotheker impfen bereits im europäischen Ausland, wobei wir beobachten, dass sich die Impfquoten erhöhen, ohne dass den Ärzten irgendetwas dabei weggenommen wird.“



Marius Penzel, Apotheker
redaktion@daz.online


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