Einsparpotenzial für die Krankenkassen?

Bundesregierung zweifelt am Nutzen von Pay-for-Performance-Verträgen

Berlin - 02.11.2020, 15:15 Uhr

Neue Arzneimittel haben ihren Preis. Könnten Pay-for-Performance-Verträge etwas bringen? (p / Foto: imago images / Science Photo Library

Neue Arzneimittel haben ihren Preis. Könnten Pay-for-Performance-Verträge etwas bringen? (p / Foto: imago images / Science Photo Library


Sind Pay-for-Performance-Verträge geeignet, um mit Blick auf kostspielige neuartige Therapien die Kosten im Arzneimittelsektor zu senken? Kommt drauf an, meint die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag.

Die Krankenkassen klagen schon fast aus Tradition über explodierende Arzneimittelkosten – mit den Preisen für neuartige Therapien erreichen diese inzwischen jedoch eine völlig neue Dimension. Paradebeispiel ist Zolgensma® (Onasemnogen abeparvovec-xioi), eine Gentherapie für Kinder mit spinaler Muskelatrophie von Novartis. Unbehandelt sterben die meisten betroffenen Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag. Zolgensma® verspricht nicht nur Linderung, sondern gar Heilung des Leidens nach nur einer Anwendung.

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Das lässt sich Novartis einiges kosten: In den USA verlangt das Unternehmen einen Preis von rund 2,1 Millionen US-Dollar (etwa 1,9 Millionen Euro) pro Behandlung. Damit ist das Mittel derzeit das teuerste Medikament der Welt. Kürzlich erteilte auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Zulassung. Die Preisverhandlungen sind Sache der Nationalstaaten, um die Therapie möglichst rasch in Europa verfügbar zu machen, legte Novartis ein sogenanntes Day-one-Programm auf. Dieses enthält Vereinbarungen etwa zu Rabatten, die rückwirkend nach erfolgter Preisfindung gewährt werden sollen, sowie die Möglichkeit für die Kostenträger, die fällig werdende Summe in Raten zu zahlen.

Nach und nach schleichen sich neue Preismodelle für teure Behandlungen nun auch hierzulande ein. Eine Variante: Schlägt der Therapieversuch fehl, zahlt die Kasse nicht oder nur einen Teil der Kosten, die im Erfolgsfall fällig geworden wären. Im Fachjargon nennt man Vereinbarungen, bei denen die Vergütung vom Outcome für den Patienten abhängt, Pay-for-Performance-Verträge. Die FDP-Fraktion im Bundestag wollte in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen, wie diese zu solchen Modellen steht.

In ihrer Antwort zieht die Regierung zunächst einen Vergleich zum aktuellen Mechanismus, mit dessen Hilfe die Kosten für neue Medikamente im Zaum gehalten werden sollen: das AMNOG-Verfahren. „Die seit 2011 etablierte Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln ist die Grundlage für eine zusatznutzenbasierte Preisverhandlung zwischen dem Hersteller und dem GKV-Spitzenverband“, erläutert sie. „Hierbei werden die aggregierten klinischen Daten zum Zusatznutzen systematisch auf ihre statistische Aussagekraft geprüft.“ Bei dem Verfahren klopft der Gemeinsame Bundesausschuss – oft in Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – ab, ob ein neues Medikament gegenüber der Standardbehandlung einen Vorteil bringt. Je ausgeprägter die Überlegenheit, desto besser ist die Verhandlungsbasis für den Hersteller.

Datenerhebung könnte zum Fallstrick werden

In der Antwort heißt es weiter: „Demgegenüber setzen erfolgsabhängige Vergütungsmodelle wie z. B. Pay-for-Performance-Verträge direkt an den Ergebnissen der klinischen Behandlung an und können unter Berücksichtigung des vorliegenden Behandlungserfolgs eine leistungsgerechte Erstattungshöhe einer Arzneimitteltherapie herleiten.“ Aus Sicht der Bundesregierung ergibt sich hieraus die Chance, dass sich die finanzielle Belastung der Kostenträger am tatsächlichen Mehrwert eines Medikaments für den individuellen Patienten orientiert.

Jedoch sieht die Regierung eine entscheidende Einschränkung für den Erfolg solcher Vereinbarungen: „Hierzu ist es allerdings erforderlich, dass jeder behandelte Patient über einen für die jeweilige Therapie und das Indikationsgebiet entsprechenden Zeitraum individuell beobachtet wird, um die einem erfolgsabhängigen Vergütungsmodell zugrundeliegenden Erfolgsparameter zu messen. Dies kann arzneimittelspezifisch zu einem hohen Aufwand bei der Erfassung der Daten und komplexen Herausforderungen sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch bei der Vertragsumsetzung und zu dementsprechend hohen Transaktionskosten führen.“ Es sei Sache der Vertragspartner zu prüfen, ob die anfallenden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen stehen. Die nötigen Rechtsgrundlagen sind laut Bundesregierung kollektiv- und selektivvertraglich gegeben.

Andrew Ullmann, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, stellt die Antwort nicht zufrieden. „Wir haben viele differenzierte Fragen zu verschiedenen Pay-for-Performance-Modellen gestellt und haben nur eine pauschale Antwort erhalten“, bemängelt er. „Die Bundesregierung zeigt dadurch deutlich, dass sie gar nicht an neuen Modellen zur Erstattung hochpreisiger Arzneimittel interessiert ist. Der Wille zu Innovationen und neuen Lösungen darf nicht an der Eingangstür des Gesundheitsministeriums abgelegt werden.“ 

Ullmann, der die Kleine Anfrage federführend für seine Fraktion eingebracht hatte, erwartet deutlich mehr Engagement in diesem Bereich. „Die Bundesregierung verschließt die Ohren und die Augen, um sich mit Kritik von Experten und Unternehmen nicht auseinandersetzen zu müssen. Nur abzuwarten und ‚genau zu beobachten‘ ist nicht genug. Der Schaden wurde dann bereits angerichtet und das auf dem Rücken der Patienten.“ 



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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