Mangel an Grippeimpfstoffen 2020/21

Warum wird Flucelvax nicht einfach nachproduziert?

Stuttgart - 04.11.2020, 17:50 Uhr

Lässt sich nicht einfach noch Grippeimpfstoff nachproduzieren? DAZ.online hat mit Seqirus gesprochen, dem Hersteller von Flucelvax Tetra, dem derzeit in Deutschland einzigen säugetierzellkulturbasierten Grippeimpfstoff. (p / Foto: Seqirus)

Lässt sich nicht einfach noch Grippeimpfstoff nachproduzieren? DAZ.online hat mit Seqirus gesprochen, dem Hersteller von Flucelvax Tetra, dem derzeit in Deutschland einzigen säugetierzellkulturbasierten Grippeimpfstoff. (p / Foto: Seqirus)


Wie lange dauert eine Herstellung in Säugetierzellkulturen?

Seqirus erklärt: „Der Prozess der Impfstoffentwicklung kann in einer normalen Grippesaison zwölf bis 18 Monate dauern. In einem saisonalen Kontext ist die Vorlaufzeit für die Herstellung und Freigabe des Produkts durch zahlreiche andere Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel der Verfügbarkeit von Saatgut und Reagenzien für sowohl zellbasierte als auch für eibasierte Impfstoffe. Aus diesen Gründen sind die Vorlaufzeiten für die beiden Herstellungsverfahren in etwa gleich lang. Die zellbasierte Produktion ist jedoch nicht von der Verfügbarkeit von Eiern abhängig und hat daher das Potenzial, insbesondere im Falle einer Pandemie, schneller als ein eibasierter Impfstoff auf den Markt gebracht zu werden.“

Vorteil liegt in der besseren Wirksamkeit und Eiaunabhängigkeit

Also liegt der Vorteil der zellkulturbasierten Impfstofftechnologie gar nicht primär in der schnelleren Produktion, sondern darin, dass diese eine von Hühnereiern unabhängige Produktion ermöglicht und eine Ei-Adaptation verhindert. Das bestätigt auch Deborah Di Salvo, Director Commercial Operations Deutschland, Österreich und Schweiz im Interview mit DAZ.online: „Auch die Grippeimpfstoffherstellung in Säugetierzellkulturen ist ein komplexer und vielteiliger Prozess. Viele Schritte – wie Bulk-Herstellung, zahlreiche Qualitätskontrollen, Abfüllung und Verpackung – entsprechen der bei der Produktion in Hühnereiern. Was die Schnelligkeit der Produktion angeht, so ermöglicht die zellkulturbasierte Technologie allerdings einen schnelleren Produktionsstart.“ Für die Zellkultur verwende man eine Zelllinie, die mit modernen Zellkulturtechniken mit am Herstellungsort verfügbaren Materialien erweitert werden kann. „Dies bedeutet, dass der Zellkulturprozess möglicherweise schneller auf ein höheres Produktionsniveau angehoben werden kann“, so Di Salvo.

Es kommt nochmals Grippeimpfstoff im November

Seqirus bestätigt zudem, dass im November nochmals Grippeimpfstoff ausgeliefert wird. Wie viele Impfdosen das sein werden, darüber gibt der Hersteller keine Auskunft. Auch habe man bislang alle Vorbestellungen bedient. Teilweise sei auch bereits von der extra produzierten Menge ausgeliefert, der Großteil der zusätzlich für das Bundesgesundheitsministerium hergestellten Menge komme im November. Dass überhaupt zusätzliche Impfdosen produziert werden konnten, ist laut Seqirus eine Ausnahme: Die Bestellung des Bundesgesundheitsministeriums erfolgte im April, also sehr spät und eigentlich zu spät. Denn normalerweise steht nach Angaben von Seqirus schon im August des Vorjahres die zu produzierende Gesamtmenge an Grippeimpfstoff fest, und diese ist fix. Man könne sodann noch innerhalb Europas eine gewisse Anzahl an Impfstoffdosen umschichten, doch könne die absolute Menge nicht mehr erhöht werden. 

In diesem Jahr haben Seqirus und auch andere Hersteller von Grippeimpfstoffen ihre Produktion erweitert und länger produziert, um einen möglicherweise erhöhten Bedarf zu decken. „Besonders dieses Jahr macht die Möglichkeit, dass die COVID-19-Pandemie in den Wintermonaten andauert oder erneut auftritt, eine Grippeimpfung wichtiger denn je. Wir geben unser Bestes, um die Versorgung auf den globalen Märkten zu optimieren und sicherzustellen, dass so viele Menschen wie möglich Zugang zu unseren Grippeimpfstoffen haben.“ Seqirus stehe hierzu in engem Kontakt mit dem Bundesministerium für Gesundheit, da die Grippe eine erhebliche gesundheitliche Belastung darstellt und eine Impfung die beste Präventionsmethode ist.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Grippeimpfstoff fehlt

von Christa Lippert am 04.11.2020 um 20:12 Uhr

Ich warte mittlerweile seit 4 Wochen auf den Impfstoff. Mein Hausarzt hat keinen. Heute wurde dem Arzt 50 (fünfzig) Impfungen geliefert! Mein Hausarzt wird nach Dringlichkeit den Impfstoff verteilen! Vermutlich bin ich nicht dringend— habe keinen Anruf erhalten. Hatte im Juni „nur“ einen schweren Herzinfarkt und bin mit 64 Jahren wohl zu jung zum impfen....da frage ich den Gesundheitsminister: wo ist denn der ausreichende Impfstoff ??

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Grippeimpfstoffe

von Gregor Huesmann am 04.11.2020 um 18:54 Uhr

"Wie viele Impfdosen das sein werden, darüber gibt der Hersteller keine Auskunft." Merkwürdig, dem Text davor ist zu entnehmen, dass der Impfstoff ja nicht nachproduziert weden kann, folglich weiß die Firma ganz genau, wieviel Impfstoff noch verfügbar ist, warum nennt sie dann nicht die Zahl. Alles sehr mysteriös. Und noch eins: Nun kommt aus Amerika der Fluzone-Impfstoff zu uns. Er ist 4fach höher dosiert als der normale Grippeimpfstoff. Ich hätte mich gerne damit impfen lassen, aber Efluelda war noch nicht verfügbar. Jetzt, wo alle Risikogruppen geimpft sind, kommt also der Fluzone. Sollen damit jetzt die Kinder geimpft werden? Ein einziges Chaos. Es wird noch nicht der Schlusspunkt sein. Den Franzozen nehmen wir jetzt auch noch den Impfstoff weg. Angeblich hat Herr Spahn doch alles wunderbar geplant.

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