Hilfsprojekte in Tansania, Uganda, Senegal

Die Corona-Lage in Afrika: Der Verein „Apotheker helfen“ berichtet

Berlin - 05.11.2020, 07:00 Uhr


Das Gesundheitssystem in vielen afrikanischen Ländern steht auch ohne Corona vor großen Herausforderungen für die Beteiligten. Mit Corona wird es zu einer Art Blackbox. Es ist beinahe unmöglich, eine genaue Einschätzung der Lage zu erhalten. Dr. Andreas Wiegand, Geschäftsführer des Vereins „Apotheker Helfen“, berichtet aus den Hilfsprojekten in den Ländern Tansania, Uganda und dem Senegal.

Im März dieses Jahres konnte mit Unterstützung der deutschen Hilfsorganisation Apotheker Helfen e.V. eine Apotheke im tansanischen Wasso eröffnet werden. Die neue Offizin ist direkt an das örtliche Krankenhaus angegliedert und ermöglicht es den Ambulanzpatienten, ihre Medikamente durch Fachpersonal zu erhalten. Die medizinischen Einrichtungen versorgen überwiegend Menschen vom Stamm der Massai, die in dem großen, abgelegenen Bezirk Ngorongoro im Nordosten Tansanias leben. Eine verantwortliche Apothekerin sowie eine pharmazeutische Fachkraft, deren Ausbildung vom Verein übernommen wird, arbeiten hier. „Vor wenigen Jahren gab es weder eine Apotheke noch pharmazeutisches Personal“, sagt Geschäftsführer Dr. Andreas Wiegand. 

Damit sei es gelungen, die Arzneimittelversorgung in Wasso auf eine solide Basis zu stellen. Doch nach wie vor ist die Lage nicht einfach: Eigentlich sollte der Staat allen Gesundheitseinrichtungen unentbehrliche Arzneimittel kostenlos und in ausreichenden Mengen zur Verfügung stellen. Doch dieser liefert nicht und die Apotheke in Wasso muss ihre Lücken bei Großhändlern auffüllen. Die Kosten dafür bleiben bei der Bevölkerung hängen. Um unter anderem Medikamente nachhaltig zu refinanzieren, aber auch Bedürftigen unter die Arme zu greifen, unterstützt ein Organisationsberater aus Kenia nun die neu eröffnete Apotheke.

Corona-Situation ist undurchsichtig in Tansania

Aber auch die Ausbreitung des Coronavirus stellt die Gesundheitseinrichtungen vor große Herausforderungen: Im Mai unterstütze der Verein die Einrichtung abermals, diesmal um Corona-Schutzausrüstungen anzuschaffen. Mundschutzmasken, Schutzanzüge, Desinfektionsmittel, Reinigungsmaterial und zusätzlicher Sauerstoff sollten Personal und Patienten unterstützen. Doch wie die Pandemie-Lage vor Ort wirklich ist, kann selbst Wiegand nicht genau sagen: „Hinsichtlich der Corona-Pandemie ist Tansania ein schwieriges Pflaster.“ Offiziell habe Landespräsident John Magufuli sein Land für „Coronavirus-frei“ erklärt. Doch Regierungsopposition und Gesundheitsexperten gehen laut einem Spiegel-Bericht von hohen Infektionszahlen im Land aus. In diesen Tagen stehen Neuwahlen an. Schlechte Nachrichten kann der Präsident daher nicht gebrauchen. So wird berichtet, dass die Direktorin des Nationallabors suspendiert wurde, nachdem sie Menschen in Tansania positiv auf das Coronavirus getestet habe. Über Social Media wurden Videos verbreitet, die heimliche nächtliche Beerdigungen zeigten. 

Nun habe der Präsident diese nächtlichen Beerdigungen untersagt, dafür aber den Angehörigen erlaubt, ihre Toten selber zu begraben. „Ich fürchte, viele Menschen in unserem Land sterben am Coronavirus, ohne dass je jemand davon erfährt. Das scheint zumindest die Strategie unseres Präsidenten zu sein", vermutet der investigative Journalist Khalifa Said gegenüber dem Spiegel. Da die Medienfreiheit stark beschränkt wurde und die Menschen im Lande sich nicht trauten, ihre Meinung und Beobachtungen frei zu äußern, sei es laut Wiegand schwierig, die Lage im Land wirklich zu beurteilen, auch im abgelegenen Örtchen Wasso.

Außergewöhnlicher Pandemie-Verlauf in Afrika

Dass die Pandemie in Afrika tatsächlich etwas anders verläuft, als anfänglich von der Weltgesundheitsorganisation befürchtet, ist Fakt. Mit rund 70.000 Neuinfektionen pro Woche liegt Afrika mit seinen 55 Ländern rund ein Drittel unter den europäischen Zahlen. Doch die mangelnden Testkapazitäten machen es schwer zu sagen, wie stark die Pandemie sich tatsächlich auf die Bevölkerungen der afrikanischen Staaten auswirkt. Es wird vermutet, dass die Dunkelziffer der Infizierten hoch ist. Dies erklärt jedoch nicht die niedrigere Sterberate im Vergleich zu Europa. Experten der WHO erklären sich dies damit, dass das Durchschnittsalter in Afrika bei jungen 19 Jahren liege und nur 3 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt sei – bei uns die Risikogruppe. Hinzu kommen möglicherweise das Klima, die Bevölkerungsverteilung sowie die eingeschränkte Mobilität. Auch der sehr frühe Lockdown vieler afrikanischer Staaten könnte einer starken Ausbreitung des Virus entgegengewirkt haben.

Radiospots informieren zu richtigem Verhalten

So einen frühen Lockdown gab es zum Beispiel in Uganda. Auch hier unterstützte „Apotheker helfen“ ihren Kooperationspartner „EMESCO Development Foundation“ mit Aufklärungskampagnen und Hygienemaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Oft fehlt es an Sanitätsanlagen. Im Kibaale District im Westen Ugandas stellten die Mitarbeiter der Foundation daher 50 Händewaschstationen an öffentlichen Orten auf: Einfache Tonnen mit 200 Liter Wasser und Seife sollen für eine bessere Handhygiene sorgen. Darüber hinaus wurden Ortsvorsteher und Gesundheitsarbeiter als erste Ansprechpersonen in den Dörfern geschult und geben den Bewohnern Ratschläge sowie Verhaltensregeln. Außerdem gehen sie gegen Gerüchte und Mythen zur Pandemie vor. Radiospots und Talkshows im Lokalradio sowie Plakate informieren über die Ansteckungsgefahren und deren Vermeidung. 

Gesundheitseinrichtungen werden weniger aufgesucht

Dennoch sieht Wiegand die Situation auch in Uganda als kritisch an. Der frühe Lockdown habe zu erheblichen Einschränkungen für die Bevölkerung geführt. So habe es ein Mopedfahrverbot gegeben. Dies sei jedoch ein wichtiges Transportmittel für die Bauern, um ihre Ware täglich zum Markt zu fahren. „Wenn die Logistik im informellen Sektor nicht funktioniert, haben die Bauern ein großes Problem“, so der Geschäftsführer des Vereins. Die Bauern würden zwar, auch aufgrund der Solidarität der Dorfgemeinschaften, nicht verhungern. Aber das zusätzliche bisschen Geld, um zum Beispiel Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen, fehle. So verschleppten viele Menschen ihre Krankheiten.

Zudem steige die Mütter- und Säuglingssterblichkeit an. Wiegand berichtet von zwei Geburtseinrichtung im Senegal, in denen derzeit weit weniger Frauen entbinden als gewöhnlich. Die Vermutung liege nahe, dass die Frauen sich selbst dieses Angebot nicht mehr leisten könnten. In den afrikanischen Städten ist die Lage noch ernster: Hier haben viele informell Beschäftigte ihren Job von einem auf den anderen Tag verloren. „Möglicherweise sind in Afrika mehr Menschen an den Corona-Maßnahmen gestorben als am Virus selbst“, vermutet Jürgen Schwettmann, Berater für verschiedene Entwicklungsorganisation, im Welt-Sichten-Magazin. Ein sozialverträglicher Lockdown sei in Afrika sehr viel schwieriger zu realisieren als in Europa.

Seit 21 Jahren ist Apotheker helfen e.V. weltweit im Einsatz. Ziel ist, die Gesundheitsversorgung, vor allem die medikamentöse Versorgung in Krisengebieten, bei Naturkatastrophen, Krankheit oder Armut, zu sichern und zu verbessern. Dazu stellt der Verein Arznei- und Verbandmittel, Krankenpflegeartikel und medizinisches Gerät zur Verfügung und fördern den Aufbau von medizinischer Infrastruktur.



Mareike Spielhofen, Autorin, DAZ.online
daz-online@deutscher-apotheker-verlag.de


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