Grippe in der Schwangerschaft

Erhöhtes Risiko für Fehlgeburten?

Stuttgart - 12.11.2020, 07:00 Uhr

Die STIKO rät zur Grippeimpfung in der Schwangerschaft ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. (Foto: Prostock-studio / stock.adobe.com)

Die STIKO rät zur Grippeimpfung in der Schwangerschaft ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. (Foto: Prostock-studio / stock.adobe.com)


Kann eine Grippeerkrankung in der Schwangerschaft auch das Baby schädigen? Die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC untersuchte, ob eine Influenzainfektion in der Schwangerschaft sich auf Geburtsgröße oder Geburtsgewicht des Neugeborenen auswirkt und ob es häufiger zu Früh- oder Fehlgeburten kommt. Publiziert wurden die Ergebnisse in „The Lancet“. Die Säuglinge hatten ein niedrigeres Geburtsgewicht und das Risiko für späte Fehlgeburten war erhöht.

Eine Grippeschutzimpfung während der Schwangerschaft schützt doppelt vor Grippe: die Schwangere und auch den Säugling. Dennoch werde die Influenzaimpfung von Schwangeren nach wie vor „zu wenig“ in Anspruch genommen, erklärt die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Manche Schwangere dürften schlichtweg nicht an den Grippeschutz denken oder Influenza in ihrer möglichen Schwere unterschätzen, andere entscheiden sich vielleicht aktiv gegen eine Impfung in der Schwangerschaft, da sie um Nebenwirkungen bei sich und dem Baby fürchten. Doch kann sich nicht auch eine Grippeerkrankung während der Schwangerschaft negativ auf das Baby auswirken? Das untersuchte die CDC in einer Studie, die Ergebnisse wurden am 
29. Oktober im renommierten Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht: „Incidence of influenza during pregnancy and association with pregnancy and perinatal outcomes in three middle-income countries: a multisite prospective longitudinal cohort study“.

Studie an 11.277 Schwangeren

Ihre Untersuchung führten die Wissenschaftler um Fatimah Dawood vor der Grippesaison 2017/18 durch: Sie rekrutierten zwischen März und August 2017 insgesamt 11.277 schwangere Frauen in Indien, Peru und Thailand. Die Teilnehmerinnen waren mindestens 18 Jahre alt, ihr medianes Alter lag bei 
26 Jahren (Median: eine Hälfte der Schwangeren war jünger als 26 Jahre, die andere Hälfte älter als 26 Jahre). Ihr Gestationsalter lag im Median bei 19 Wochen (Gestationsalter: Zeitraum seit dem ersten Tag der letzten Regelblutung; das normale Gestationsalter für eine komplette Schwangerschaft liegt bei 
280 +/- 10 Tagen). 

Von den 11.277 Schwangeren erhielten 13 Prozent (1.474) eine Grippeimpfung. Von allen Schwangeren erkrankten 3 Prozent (310) an Grippe, in den meisten Fällen – bei 270 Schwangeren – lag eine Influenza A-Infektion vor, einen Influenza B-Nachweis hatten 40 Teilnehmerinnen. Die Wissenschaftler kontaktierten die Schwangeren zweimal pro Woche und erkundigten sich nach Symptomen wie Halsschmerzen, Schnupfen, Husten, Atembeschwerden und Gliederschmerzen. Bei symptomatischen Frauen entnahmen sie einen Nasenabstich für einen Influenzanachweis (mittels PCR). 

Wirkt sich eine Grippeerkrankung auf die Fehlgeburtenrate aus?

Ziel der Studie war, herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen einer Influenzaerkrankung in der Schwangerschaft und einer Frühgeburt, einer späten Fehlgeburt (ab der 13. Schwangerschaftswoche), einer geringen Größe des Neugeborenen bei Geburt und einem geringem Geburtsgewicht gibt.

Kein erhöhtes Risiko für Frühgeburten – aber für Fehlgeburten

Die Influenza-Inzidenz gewichtet nach der Bevölkerung von Frauen im gebärfähigen Alter in jedem Studienland betrug 88,7 pro 10.000 Schwangerschaftsmonate, das bedeutet: Im Durchschnitt erkrankten in der Grippesaison 2017/18 pro 10.000 Schwangerschaftsmonaten 88,7 Frauen an Grippe, in der Saison zuvor waren es 69,6 Frauen pro 10.000 Schwangerschaftsmonaten. Die Wissenschaftler fanden in ihrer Untersuchung an indischen, peruanischen und thailändischen Schwangeren keinen Zusammenhang zwischen einer Influenzaerkrankung und einem höheren Risiko für Frühgeburten und einer geringen Geburtsgröße des Neugeborenen. Doch war eine Grippeerkrankung in der Schwangerschaft (perinatale Influenza) den Ergebnissen zufolge mit einem höheren Risiko für eine späte Fehlgeburt assoziiert sowie mit einem geringeren Geburtsgewicht des Säuglings.

Nutzen der Grippeimpfung in der Schwangerschaft bestätigt

Das Fazit der Wissenschaftler: „Pränatale Grippe war mit einem erhöhten Risiko für einige negative Schwangerschaftsausgänge verbunden.“ In der untersuchten Grippesaison hatten Frauen ein Influenzarisiko von 0,7 bis 0,9 Prozent pro Schwangerschaftsmonat. Die Wissenschaftler sehen in diesen Ergebnissen den Wert eines Grippeschutzes während der Schwangerschaft bestätigt.

STIKO rät zur Grippeimpfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel

In Deutschland rät die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) zur Grippeimpfung in der Schwangerschaft ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Frauen mit Risikofaktoren und Vorerkrankungen sollten sich im ersten Trimenon vor Grippe schützen. Der allgemeine Rat zur Grippeimpfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel basiert darauf, dass die meisten spontanen Fehlgeburten im ersten Trimenon beobachtet werden. Mit einer späteren Impfung will das RKI verhindern, dass diese fälschlicherweise der Grippeimpfung zugeschrieben werden. 

Vaxigrip Tetra ausdrücklich für Schwangere zugelassen

Prinzipiell eignen sich alle Totimpfstoffe zum Grippeschutz der Schwangeren. Eine explizite Zulassung zur Grippeimpfung der Schwangeren und dem passiven Schutz des Säuglings (durch mütterliche Antikörper) in den ersten sechs Lebensmonaten hat nur Vaxigrip® Tetra (Sanofi Pasteur). Eine aktive Grippeschutzimpfung von Säuglingen ist erst ab sechs Monaten möglich. Zugelassen sind hier Influsplit Tetra (GSK) und Vaxigrip Tetra. Wie wichtig auch die Grippeimpfung von Säuglingen ist, zeigte jüngst eine ebenfalls von der CDC beauftragte länderübergreifende Studie (Albanien, Jordanien, Nicaragua, Philippinen). Veröffentlicht wurde die Untersuchung Anfang September 2019 „Lancet Child & Adolescent Health“. Das Ergebnis: Grippe wird bei Säuglingen bislang massiv unterschätzt. Die Zahl der unter einjährigen Kinder, die in der Studie mit Grippe ins Krankenhaus eingeliefert wurden, war mindestens doppelt so hoch, wie man bislang immer angenommen hatte. Der Grund: Babys fallen durch das Gripperaster, sie zeigen oft nicht die für Erwachsenen grippetypischen Atemwegs-Symptome, was Ärzten die Diagnose erschwert. Gerade für Säuglinge im ersten Lebensjahr ist der Kampf gegen Grippe jedoch besonders schwer – es ist ihre absolut erste Grippeinfektion, die sie durchmachen, ihr Immunsystem ist unreif und ihre Atemwege und Lungen sind noch nicht vollständig entwickelt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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