Superfood – Beratungswissen Teil 7

Hanfsamen

Stuttgart - 16.11.2020, 09:15 Uhr

Hanfsamen sollen das Immunsystem stärken, Zellen vor „Entartung“ schützen und Entzündungen bekämpfen. (Foto: Анна Бортникова / stock.adobe.com)

Hanfsamen sollen das Immunsystem stärken, Zellen vor „Entartung“ schützen und Entzündungen bekämpfen. (Foto: Анна Бортникова / stock.adobe.com)


Gewagte Versprechen 

Im Internet findet man Geschichten über ein chinesisches Dorf mit Namen Bama Yao, wo angeblich besonders viele Hundertjährige leben. Deren gute Gesundheit sei höchstwahrscheinlich auf den Verzehr von Hanfsamen zurückzuführen. Wer „Bama Yao“ googelt, findet auch entsprechende Produkte und Nahrungsergänzungsmittel. Auf vielen Internetseiten, die sich mit alternativen Heilmethoden bzw. dem weitgefassten Feld „Gesundheit aus der Natur“ beschäftigen, findet man Hinweise auf wahre Wunderwirkungen von Hanfsamen. So sollen die in Hanfsamen vorhandenen Antioxidanzien das Immunsystem stärken, Zellen vor „Entartung“ schützen und Entzündungen bekämpfen. Damit sollen sie Arthritis, Bluthochdruck, Diabetes, Multipler Sklerose und Krebs vorbeugen.

Ein Fitness-Portal verspricht „Erleichterung bei der Fettverbrennung“ und schnellere „Regeneration der Muskulatur“ durch Verzehr von Hanfsamen. Der übersäuerte Körper werde wieder ins Gleichgewicht gebracht. Auch die Bildung von Testosteron werde gefördert.

Keines dieser Versprechen ist wissenschaftlich bewiesen. Folglich hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit keine Aussage zu einer etwaigen Gesundheitswirkung von Hanfsamen bzw. dem daraus gewonnenen Öl zugelassen.

Nussig, würzig, nährstoffreich 

Die fett- und kalorienreichen Hanfkörner (ca. 500 kcal/100g) können mit ihrem nussig-würzigen Geschmack durchaus den Speisezettel bereichern. Hanfsamen und Hanföl stellen eine gute Omega-3-Fettsäuren-Quelle dar. Damit sind sie für Fischmuffel eine Alternative zum immer wieder empfohlenem fettem Seefisch.

Hanföl sollte in der Küche nicht erhitzt, sondern kalt verwendet werden, zum Beispiel für Salate oder zum Anreichern und Verfeinern bereits gekochter Speisen. Aus geschälten Hanfsamen lässt sich auch eine pflanzliche Milch zubereiten, Rezepte und Anleitungen findet man im Internet. Die Verwendung von Hanfsamen und Hanföl ist aus ökologischer Sicht sinnvoll, wenn man europäische Produkte kauft. Vor dem Kauf sehr preisgünstiger Hanfzubereitungen aus dem außereuropäischen Raum wird ohnehin aufgrund von Pestizidbelastungen gewarnt.

Wirklich kein THC drin? 

Es gibt in Europa keinen Grenzwert für THC in Lebensmitteln. Allerdings hat das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin THC-Richtwerte für Lebensmittel abgeleitet, die als Richtwerte für die Lebensmittelüberwachung dienen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat festgestellt, dass bei hanfhaltigen Produkten auch THC-Werte gemessen würden, die die Richtwerte übersteigen. Betroffen seien aber vor allem Produkte aus Hanfblättern und Hanfblüten. Problematisch seien laut BfR vor allem hanfhaltige Nahrungsergänzungsmittel. Gesundheitliche Beeinträchtigungen seien zu befürchten für Vielverzehrer, Kinder und Schwangere.

Wer also bezüglich THC ganz auf Nummer Sicher gehen will, sollte auch Hanfsamen und Hanföl meiden, rät die Verbraucherzentrale. Gleichwertige Alternativen für die Ernährung seien Leinsamen, Sesamsamen, Leinöl und Walnussöl.

Und was ist mit CBD-Öl? 

Cannabidiol, abgekürzt CBD, ist ein aus dem weiblichen Hanf gewonnenes Cannabinoid, dem im Gegensatz zum THC keine psychoaktiven Wirkungen, dafür aber einige therapeutische Effekte zugeschrieben werden. So sollen CBD-Zubereitungen eine rationale Perspektive bieten bei der Behandlung von zum Beispiel Epilepsie, Schwindel, Erbrechen u.a. Im Handel ist ein CBD-haltiges Fertigarzneimittel (Epidyolex), außerdem gibt es eine NRF-Rezeptur für eine ölige Cannabidiol-Lösung.

Furore am Markt machen zurzeit zahlreiche freiverkäufliche CBD-Öle, auch als CBD-Tropfen oder Hanftropfen bezeichnet. Sie werden im Unterschied zum oben beschriebenen Hanf-Speiseöl nicht aus Hanfsamen, sondern aus Blüten und Blättern der Cannabis-Pflanze gewonnen. Die Verkehrsfähigkeit von CBD-Produkten steht rechtlich auf sehr wackligen Beinen. Es handelt sich ausdrücklich nicht um Lebensmittel, eine „Novel-Food“-Zulassung durch die EU-Behörden ist aber bisher auch nicht erfolgt. Die Hersteller scheinen sich darum nicht zu kümmern, sie bieten CBD-Öle vorwiegend im Internethandel an als Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte. Der Markt boomt. Zurzeit ist eine Einstufung als Betäubungsmittel im Gespräch. In Apotheken herrscht darüber Verunsicherung. Aktuelle Informationen über die Rechtslage gibt es immer wieder auf DAZ.online.

Auf einen Blick 

  • Bei der als Lebensmittel angebotenen Ware handelt es sich um die Samen des Nutz- oder Industriehanfs. Hanfsamen enthalten von Natur aus kein THC und sind damit nicht psychoaktiv.
  • Hanfsamen stellen eine für die menschliche Ernährung gut geeignete Proteinquelle dar, enthalten ein hochwertiges Öl mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren sowie die für eine gesunde Verdauung wichtigen Ballaststoffe.
  • Hanfsamen können möglicherweise durch Kontakt mit anderen Pflanzenteilen auch geringe THC-Spuren enthalten. Wer völlig auf Nummer Sicher gehen will, kann ohne gesundheitliche Einbußen auf Hanfsamen verzichten.


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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