Schwarze Kassen und fingierte Erlöse

Wer führte AvP in die Pleite?

Stuttgart - 20.11.2020, 17:50 Uhr

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)


Seit Anfang September beschäftigt die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP die Branche, die Politik und nicht zuletzt auch die Ermittlungsbehörden. Immer wieder rückt dabei die Frage in den Fokus, wie es zu der folgenschweren Pleite kommen konnte. Im Gutachten von Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos findet man dazu einen detaillierten Ermittlungsbericht, doch einer runden Geschichte gleicht dieser keinesfalls. Bei den „Forderungen aus Rabattverfall“ soll es einerseits um Luftbuchungen gehen – andererseits drohen ausgerechnet diese Beträge mit Blick auf eine mögliche Insolvenzmasse am Ende auch noch zu einer Luftnummer zu werden.

Mehr als 70 Jahre lang genoss das Rechenzentrum AvP das Vertrauen der Apotheker und anderer Leistungserbringer. Doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die das Unternehmen geriet und die zur jetzigen Situation führten, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. Das geht aus dem Gutachten von Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hervor, das der Redaktion vorliegt. Aus Gesprächen mit Verfahrensbeteiligten, Beratern und Branchenkennern hat sich für Hoos ein Bild ergeben, welches er detailliert beschreibt.

Abrechnungsdienstleister

AvP-Insolvenz

Demnach hatte es innerhalb der AvP-Unternehmensgruppe seit „geraumer Zeit“ finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben. Nach außen getreten waren diese im Jahr 2018, als es zu strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen einen Geschäftsführer bei AvP kam. Diesen vorausgegangen waren auffällige Überweisungen von Konten der AvP Deutschland GmbH auf ein bei der Stadtsparkasse Düsseldorf geführtes Konto der Dialog im Gesundheitswesen GmbH. Der Geschäftsführer leitete zeitweise auch diese Schwestergesellschaft innerhalb der AvP-Gruppe. Das Konto fand wiederum in keinen Büchern Erwähnung und die Gelder wurden für keines der Unternehmen in der AvP-Gruppe betriebsbezogen verwendet.

Vielmehr nutzte der Geschäftsführer das Konto für private Zwecke – also gewissermaßen als „schwarze Kasse“. Dies ergaben eigene Ermittlungen der Stadtsparkasse Düsseldorf, woraufhin man am 19. August 2018 Geldwäscheanzeige erstattete. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden erst mehr als ein halbes Jahr später öffentlich, als am 11. April 2019 Geschäftsräume der AvP Deutschland GmbH und der Dialog im Gesundheitswesen GmbH durchsucht wurden. Die Ermittler brachte zutage, dass zwischen 2009 und 2018 rund 1,8 Millionen Euro von den Abrechnungskonten in die „schwarze Kasse“ abgezweigt wurden. Der Geschäftsführer soll sich ab 2010 bis zur Auflösung des Kontos im Jahr 2018 an rund 1,6 Millionen Euro bedient haben. Nachträglich abgeschlossene Darlehensverträge dienten der Vertuschung.

Fragwürdige Bilanzierungspraxis

Doch die Vorgeschichte zur AvP-Pleite endet nicht an dieser Stelle, denn der Fehlbetrag, um den es aktuell geht, ist weitaus größer. Das Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos führt weiter durch die unrühmliche Chronik: Ende 2019 kam es zu einem Wechsel der bei der AvP Deutschland GmbH tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Der langjährige Abschlussprüfer Dr. Ralf Landwehrmann aus Bensheim an der Bergstraße legte sein Mandat nieder und wurde durch die Greis & Brosent GmbH aus Düsseldorf ersetzt. Die neue Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hinterfragte die Bilanzierungspraxis bei AvP und holte ein Gutachten ein. Dieses bestätigte den Verdacht, dass die Jahresabschlüsse 2018 und 2019 nichtig und neu zu erstellen waren. Kernkritik: Sowohl die Forderungen gegen Krankenkassen als auch die Guthaben der Abrechnungskonten sowie die Verbindlichkeiten aus einem Konsortialkredit, der für die Abschlagszahlungen genutzt wurde, wurden nicht bilanziert. Hinzu kam eine nicht ordnungsgemäße Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung im Hinblick auf die Abrechnungskonten. Infolgedessen konnten die Einzahlungen der Krankenkassen nicht mit den Rezeptforderungen abgeglichen werden.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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