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Nach der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP hält sich die Politik bisher mit konkreten Hilfsangeboten für die betroffenen Apotheken zurück. Sylvia Trautmann aus Dresden will das nicht länger hinnehmen: In einem Brandbrief an die Mitglieder des Bundestags macht sie den Abgeordneten Dampf und fordert sie auf, endlich zu handeln. Zumindest eine Rückmeldung aus Berlin hat die Apothekerin bereits bekommen.
Sylvia Trautmann gibt nicht auf: Weil derzeit kaum Signale aus der Politik kommen, den rund 3.000 von der AvP-Pleite betroffenen Apotheken unter die Arme greifen zu wollen, wurde die Pharmazeutin selbst aktiv. Sie schickte bereits Ende Oktober einen Brandbrief an die Abgeordneten im Bundestag und fordert Hilfe für die Betriebe ein, von denen inzwischen einige selbst vor der Insolvenz stehen dürften.
Bisher hat Berlin den in Not geratenen Apotheken lediglich KfW-Kredite in Aussicht gestellt, die jedoch wegen der kaum erfüllbaren Voraussetzungen für viele keine Option sind. Das ist mit Blick auf die brenzlige Situation, in der sich die Kollegen befinden, viel zu wenig, meint Trautmann. „Für die betroffenen Apotheken geht es teilweise um Summen, die dem dreifachen eines Jahresgewinnes entsprechen“, schreibt sie den Politikern. „Um die Liquidität der Apothekenbetriebe aufrecht zu erhalten, mussten sehr viele teure Betriebsmittelkredite aufnehmen. Das schiebt das Problem aber nur auf, weil Kredite getilgt werden müssen.“
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Das Argument, die Apotheken hätten sich aus freien Stücken entschieden, mit einem Rechenzentrum zusammenzuarbeiten, lässt Trautmann nicht gelten. Nach den derzeitigen komplizierten gesetzlichen Anforderungen sei es definitiv unmöglich, dass Apotheken ihre monatliche Abrechnung mit den mehr als 100 Krankenkassen ohne ein Abrechnungszentrum durchführen könnten. „Hier müssen gesetzliche Zuzahlungen, Herstellerrabatte, Retaxations-Abschläge und Bonus-Malus-Berechnungen infolge der Importquote zur Abführung an Krankenkassen für jede einzelne Arzneipackung berechnet werden“, stellt die Apothekerin klar.
Große strukturelle Mängel
Statt die Verantwortung den Betroffenen zuzuschieben, sollte jetzt der Gesetzgeber handeln, findet sie. „Die Umstände, die es ermöglichten, dass durch die Insolvenz Rezeptumsatzgelder in dreistelliger Millionenhöhe nicht an Apotheken ausgezahlt wurden, belegen große strukturelle Mängel in den gesetzlichen Regelungen zum Prozedere der Rezeptabrechnung an sich.“ Daraus ergeben sich Trautmann zufolge drei gesetzgeberische Notwendigkeiten:
- Die Apotheken-Abrechnungszentren müssen zu einer treuhänderischen, insolvenzfesten Verwaltung der Sozialversichertengelder auf gesetzlicher Grundlage verpflichtet werden. (…)
- Die betroffenen Apotheker müssen nach einer möglichst schnellen Quotenauszahlung aus der Insolvenzmasse der AvP mittels finanzieller Ausgleichzahlungen des Bundes unterstützt werden. (…)
- Es muss auf politischer Ebene verhindert werden, dass zur Abklärung von Aussonderungsrechten aus der Insolvenzmasse der AvP jahrelange teure Gerichtsprozesse laufen, die letztlich die Insolvenzmasse schmälern. Die einfachste und beste Lösung ist die, dass der Staat die Forderungen der Gläubiger abkauft und die Erlöse an die Apotheken auszahlt.
Trautmann erläutert dazu: „Diese Änderungen, möglicherweise sogar eine kostenneutrale Abrechnung durch ausschließlich staatliche Träger, werden insbesondere vor dem Hintergrund nötig, dass die bisherigen Geschäftsmodelle von Abrechnungszentren auf Grundlage positiver Zinsen funktionierten. Bis jetzt gibt es zu diesen Forderungen keine Ergebnisse und kein wahrnehmbares politisches Engagement.“
Abgeordnete „mitschuldig am Systemversagen“
Die Betroffenen, so Trautmann weiter, fühlten sich im Stich gelassen. Sie fragt: „Wie kann es sein, dass Apotheken als sich regelkonform verhaltende Teilnehmer unseres Gesundheitswesens infolge der Insolvenz eines Abrechnungsdienstleisters unverschuldet in finanzielle Haftung genommen werden? Warum darf der Bundesgesundheitsminister ohne politischen Widerstand im Bundestag Gesetze auf den Weg bringen, die wie ein Wirtschaftsförderprogramm für ausländische Versandapotheken wirken, den Vor-Ort-Apotheken aber frech als Hilfe verkauft werden (gemeint ist hier das VOASG)? Warum hat die BaFin, die bereits im März 2020 nachweislich von den finanzverbrecherischen Machenschaften der AvP Kenntnis erlangte, nicht sofort strafrechtliche oder schützende Ordnungsmaßnahmen ergriffen?“
Inzwischen, schreibt Trautmann, sind seit Bekanntwerden des AvP-Desasters drei Monate vergangen. „Mit jedem Tag, an dem Sie nicht eingreifen, machen Sie sich mitschuldig am Systemversagen“, mahnt die Apothekerin. Sie fordert die Abgeordneten zum Handeln auf. Denn: „Sie haben das beste Gesundheitssystem der Welt. Die bestausgebildeten Fachkräfte, die in der Coronakrise mehr als 100 Prozent gegeben haben. Bewahren Sie diese Ressource für unser aller Zukunft. Setzen Sie ein Zeichen durch Ihren Einsatz für uns. Jetzt!“
Resonanz lediglich von FDP
Auf Antworten wartet Trautmann bis heute – mit einer Ausnahme: Stellvertretend für die FDP-Fraktion, die sich aktuell in Sachen AvP auf Bundesebene überaus aktiv zeigt, schreibt die gesundheitspolitische Sprecherin, Christine Aschenberg-Dugnus, der Pharmazeutin. „Die Sorge der von der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AVP betroffenen Apotheken ist für mich nachvollziehbar“, versichert sie. „Es kann nicht sein, dass niedergelassene Apotheken bei einer nicht selbst verschuldeten Insolvenz die Leidtragenden sind.“
Aschenberg-Dugnus wirft der Bundesregierung vor, die Existenznöte der durch die Insolvenz betroffenen Apotheken nicht ernst zu nehmen. „Die Bundesregierung verschläft hier eine drohende Versorgungslücke“, warnt sie. „Es ist doch geradezu ein Widerspruch, wenn die Regierung beim Gesetzentwurf zu den Vor-Ort-Apotheken einen drohenden Versorgungsengpass als ‚Argument‘ anführt, hier aber lediglich zuschaut.“
Trautmann will auch in Zukunft nicht locker lassen. Im Gespräch mit DAZ.online unterstreicht sie, wie wichtig es sei, sich gemeinsam als Berufsstand Gehör zu verschaffen – denn auch von der ABDA kommt aus ihrer Sicht zu wenig. Statt zu resignieren, gelte es jetzt erst recht zu kämpfen. „Es ist mir wichtig, immer positiv zu bleiben“, sagt sie. Zusammen mit ihren Kollegen will sie jetzt von der Basis aus Bewegung in die Sache bringen.
4 Kommentare
Ermächtigungen zum Wohle des Volkes
von Bernd Jas am 25.11.2020 um 19:08 Uhr
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Kampfansage
von M. Prinz am 25.11.2020 um 18:45 Uhr
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$pahn
von Dr. Radman am 25.11.2020 um 17:34 Uhr
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AW: $pahn und €U-Versender
von Bernd Jas am 25.11.2020 um 19:28 Uhr
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