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Interview mit Thomas Dittrich
„Wir brauchen den Elan junger Kollegen in den Ehrenämtern“
Der Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, geht bei der bevorstehenden Wahl am 2. Dezember als einziger Kandidat für die Nachfolge von Fritz Becker als DAV-Chef ins Rennen. Mit DAZ.online sprach er über harte Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, die Folgen der AvP-Pleite, die anstehende ABDA-Strukturanalyse und die Beteiligung von eHealth-Tec an der Entwicklung des E-Rezept-Fachdiensts.
DAZ.online: Herr Dittrich, einigen Kollegen sind Sie bisher vermutlich noch nicht bekannt. Was haben diese von Ihnen zu erwarten, wenn Sie zum Jahreswechsel in die Fußstapfen von Herrn Becker treten? Wofür stehen Sie?
Dittrich: Erlauben Sie mir zunächst kurz zwei Bemerkungen, die mir wichtig sind: Erstens gilt meine Hochachtung dem jetzigen Vorsitzenden Fritz Becker für alles, was er für den DAV und die ABDA in den vielen Jahren geleistet hat und zweitens muss tatsächlich erst noch gewählt werden. Ich kann über mich sagen, dass ich im klassischen Sinn ein Teamplayer bin und für einen lösungsorientierten und sachlichen Diskurs zwischen den Gesprächs- bzw. Verhandlungspartnern stehe. Das sollte nicht verwechselt werden mit einem wenig ausgeprägten Hang zum harten Verhandeln. Beides schließt sich meiner Meinung nach nicht aus.
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Wer hart verhandelt, den erwartet oft ein entsprechender Gegenwind. Und auch aus den eigenen Reihen wird immer mal wieder Kritik laut an den konkreten Ergebnissen, die DAV und ABDA aus Gesprächen mit Kassen und Politik mitbringen. Wie kommen Sie damit zurecht?
Mit Kritik kann ich umgehen, kein Problem. Sie kann und muss auch geäußert werden, um nötige Veränderungen auszulösen und herbeizuführen. Das „Wie“ ist jedoch entscheidend. Leider habe ich in der Debatte über ein Rx-Versandhandelsverbot gelegentlich den gegenseitigen Respekt vermisst. Die Apothekerschaft erschien mir phasenweise gespalten. Eine der großen Herausforderungen der neu gewählten Standesvertreter, aber auch der Apothekerinnen und Apotheker, wird es daher sein, dass wir wieder gemeinsam und stärker an einem Strang ziehen. Dafür braucht es zunächst einen Vorschuss an Vertrauen, aber auch eine Portion Einsicht in die nicht unkomplizierte Lage.
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Baustellen für die Apotheker, denen Sie sich in den kommenden vier Jahren widmen werden?
Die größte Herausforderung liegt zweifellos in der fortschreitenden Digitalisierung. Mit dem E-Rezept – hier brauchen wir im Übrigen unbedingt noch das technische Makelverbot –, der elektronischen Patientenakte und vielem mehr werden die Abläufe in unseren Apotheken tatsächlich grundlegend verändert. Wir sollten die Risiken, die in der fortschreitenden Digitalisierung liegen, nicht verschweigen oder kleinreden, aber unser Fokus muss doch ganz klar auf den Chancen für unseren Berufsstand liegen. Noch intensivere Beratung und Betreuung der Patienten durch einen möglichen Zugriff auf Teilbereiche der ePA oder durch die Zurverfügungstellung des elektronischen Rezepts vor der Abholung können zu einer Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit führen. Auch deshalb dürfen wir den Patienten nicht allein lassen im Dschungel der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitssystem. Wir sollten diejenigen sein, die hier gewissermaßen eine Lotsenfunktion einnehmen. Das erfordert viel von uns, aber hier gibt es für uns die Möglichkeit, die Patienten noch enger an die Vor-Ort-Apotheken zu binden. Dabei ist es zwangsläufig notwendig, über die Honorierung unserer Leistungen zu reden. Wir können und wir werden nicht jede neue Aufgabe, jede neue Form der Patientenbegleitung und -betreuung ohne eine Anpassung unserer Honorierung durchführen.
„Die Erfahrungen aus ARMIN sind für uns alle sehr wertvoll.“
Was wollen Sie neben der Digitalisierung noch verstärkt anpacken?
Enorm wichtig für uns sind natürlich auch die pharmazeutischen Dienstleistungen und ihre flächendeckende Etablierung in den Alltag. Bei den weiteren Baustellen muss man nur in den aktuellen Apothekenklima-Index schauen. Verstetigung der Abgabeerleichterungen, Lieferengpässe, Bürokratieabbau und vor allem die Probleme in der Nachwuchsgewinnung stehen ganz weit oben auf der Liste. Und das zu Recht.
Wir haben einmal mehr in der aktuellen Pandemie bewiesen, dass wir für unser Gesundheitssystem unverzichtbar sind. Dennoch zeigen aber verschiedene Debatten auch sehr deutlich, dass uns einige Partner im System nicht immer auf Augenhöhe begegnen. Wir wissen, was wir können und was wir leisten, das verdient stärkere Wahrnehmung. Dafür ist es wichtig, dass jeder einzelne von uns immer wieder deutlich macht, welchen wichtigen Beitrag wir tagtäglich für die Gesellschaft erbringen.
Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit steht eine Feuerprobe an: die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zu den pharmazeutischen Dienstleistungen. Welche konkreten Ziele haben Sie sich dafür gesetzt?
Wir wollen mit spezifischen Dienstleistungen langjährige Versorgungsdefizite im Arzneimittelbereich angehen. Wir brauchen bundesweit für jede einzelne, angebotene Dienstleitung einheitliche Kriterien und Standards, die sowohl den Aufwand, die fachliche Qualität als auch die Honorierung umfassen. Hier hat das VOASG die richtigen Weichen gestellt. Von uns sind neben der fachlichen Expertise im Hinblick auf die Versorgungsverbesserung auch Fantasie und ein realistischer Blick auf das in den Apotheken umsetzbare, aber auch politisch Machbare gefordert.
Inwiefern ist es für Sie von Vorteil, mit ARMIN ein Modellprojekt vor der Haustür zu haben, in dem die Apotheker ihre Kompetenzen in der pharmazeutischen Betreuung unter Beweis stellen?
Die Evaluationsergebnisse von ARMIN werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zeigen, dass eine intensive pharmazeutische Betreuung durch die Stammapotheke in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt die Versorgungsqualität multimorbider Patienten nachweislich verbessert. Diese Erkenntnis ist nicht überraschend, konnte bislang jedoch nicht auf valide Zahlen aus Deutschland gestützt werden. Die Erfahrungen aus ARMIN sind für uns alle sehr wertvoll.
Auch wenn das Ausarbeiten des Katalogs in den Zuständigkeitsbereich der BAK fällt: Welche pharmazeutischen Dienstleistungen sollte er Ihrer Meinung nach umfassen?
Entscheidend ist, dass sich die angebotenen Dienstleistungen an den regionalen Bedürfnissen der Bevölkerung wie auch den absehbaren Entwicklungen unserer Gesellschaft orientieren, die Versorgungsqualität verbessern und sich von allen Apotheken umsetzen lassen. Ich bin kein Befürworter von Verpflichtungen, aber es sollten möglichst alle Kolleginnen und Kollegen die vermutlich einmalige Chance nutzen, eine zukünftig noch wichtigere Rolle in der Gesundheitsversorgung zu übernehmen. Bei den Einzelheiten bitte ich um Verständnis, dass wir uns, also ABDA, DAV und BAK, dazu erst in einigen Wochen äußern werden.
Wie muss die Honorierung gestaltet sein, damit die Dienstleistungen wirklich in der Versorgung ankommen?
Wir haben zum Beispiel bei ARMIN eine Honorierung, die es allen Kolleginnen und Kollegen ermöglicht, an diesem Modellprojekt teilzunehmen. Deshalb müssen die pharmazeutischen Dienstleistungen neben dem fachlichen Mehrwert auch ganz klar ihren Teil zum Betriebsergebnis der Apotheke beitragen. Inwieweit die 150 Millionen aus dem VOASG dafür ausreichend sind, wird sich zeigen.
„Wir brauchen maximalen Schutz der Gelder unserer Apotheken ...“
Welche Erfahrungen nehmen Sie mit aus den Verhandlungen zur Hilfstaxe und zum Rahmenvertrag?
Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind mit Sicherheit nicht einfach. Für mich hat sich gezeigt, dass wir gerade im Bereich der Hilfstaxe immer dann erfolgreich waren, wenn wir eine solide Datenbasis für unsere Berechnungen hatten. Hier ist vor allem bei den Anlagen zur Preisbildung für parenterale Lösungen und Cannabis der GKV-SV durch das gesetzlich verankerte Auskunftsrecht klar im Vorteil. Daran, also an der Verbesserung der Datenlage, müssen wir dringend arbeiten. Die MitarbeiterInnen in der ABDA-Geschäftsstelle und die ehrenamtlichen Mitglieder der Verhandlungskommission machen einen hervorragenden Job, aber wir müssen bei den vielfältigen Aufgaben, die vor uns stehen, die personellen Ressourcen vor allem auch in der Vertragsabteilung unbedingt weiter stärken. Die Verträge sind schließlich mit die wichtigste Arbeitsgrundlage in den öffentlichen Apotheken.
Die AvP-Pleite hat die Apothekerschaft hart getroffen. Wie kann es gelingen, solche Skandale in Zukunft zu verhindern? Welche gesetzgeberischen Schritte sind jetzt nötig?
Es bedarf ganz klarer Regelungen im Bereich des Insolvenzrechtes und hinsichtlich des Aussonderungsrechtes der von den Krankenkassen gezahlten Beträge. Wir brauchen maximalen Schutz der Gelder unserer Apotheken, dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass wir auch in Zukunft die Rechenzentren dringend benötigen. Wir müssen uns für konkrete Vorschläge finanz- und insolvenzrechtliche Kompetenz hinzuholen. Dieses Thema wird in nächster Zeit mit Sicherheit Schwerpunkt eines jeden Gesprächs mit der Politik sein.
Als Gesellschafter der Gematik war der DAV indirekt auch an der Entscheidung beteiligt, IBM den Zuschlag für das Entwickeln und Betreiben des E-Rezept-Fachdiensts zu erteilen. Als Subunternehmer mit an Bord ist die Firma eHealth-Tec aus der Zur Rose Gruppe. Was sagen Sie den Kollegen, die dies zum Teil scharf kritisieren?
Das BMG ist Mehrheitsgesellschafter der Gematik. Der Stimmanteil des DAV beträgt 4 Prozent. Ich kann den Ärger und die Sorge meiner Kolleginnen und Kollegen hier durchaus verstehen, aber es geht letzten Endes um das Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung nach engen rechtlichen Vorgaben. Sie betrifft erstens nur einen Teil der E-Rezept-Architektur und zweitens ist die Firma eHealth-Tec nur einer von mehreren Subunternehmern. Das Produkt wird für alle Marktteilnehmer entwickelt und bereitstehen. Wir werden das Geschehen gleichwohl mit Sicherheit kritisch beobachten und begleiten.
Auch ABDA-intern ist Bewegung drin. Derzeit läuft die angekündigte Strukturanalyse. Wo sehen Sie persönlich Verbesserungspotenzial?
Wie bereits am Beispiel der Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ausgeführt, übernehmen die Verbände und das Ehrenamt aufgrund der teilweise sehr knappen hauptberuflichen Personaldecke in der Vertragsabteilung auch Aufgaben im Tagesgeschäft. Hier müssen wir uns dringend weiter personell verstärken. Der Personalmarkt in Berlin ist aber auch hart umkämpft. Deshalb müssen wir zusätzlich überlegen, wie wir gut eingearbeitete und damit hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter längerfristig an die ABDA binden. Und wir sollten darüber hinaus nachdenken, wie wir Synergien zwischen Berlin, den Landesapothekerverbänden und unseren wirtschaftenden Töchtern noch besser und zielgerichteter nutzen können. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir zukünftig auch mehr jüngere Kolleginnen und Kollegen für das Ehrenamt gewinnen, denn wir brauchen sie mit ihrem Elan und ihren Ideen.
3 Kommentare
Eine große Bitte für die Zukunft!
von Thomas Eper am 30.11.2020 um 12:55 Uhr
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Mir fehlen die Worte...
von Tobias Kast am 30.11.2020 um 9:59 Uhr
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Neue DAV-Spitze
von Dr. Radman am 30.11.2020 um 8:47 Uhr
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