Interview mit Thomas Dittrich

„Wir brauchen den Elan junger Kollegen in den Ehrenämtern“

Berlin - 30.11.2020, 07:00 Uhr


„Wir brauchen maximalen Schutz der Gelder unserer Apotheken ...“

Welche Erfahrungen nehmen Sie mit aus den Verhandlungen zur Hilfstaxe und zum Rahmenvertrag?

Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind mit Sicherheit nicht einfach. Für mich hat sich gezeigt, dass wir gerade im Bereich der Hilfstaxe immer dann erfolgreich waren, wenn wir eine solide Datenbasis für unsere Berechnungen hatten. Hier ist vor allem bei den Anlagen zur Preisbildung für parenterale Lösungen und Cannabis der GKV-SV durch das gesetzlich verankerte Auskunftsrecht klar im Vorteil. Daran, also an der Verbesserung der Datenlage, müssen wir dringend arbeiten. Die MitarbeiterInnen in der ABDA-Geschäftsstelle und die ehrenamtlichen Mitglieder der Verhandlungskommission machen einen hervorragenden Job, aber wir müssen bei den vielfältigen Aufgaben, die vor uns stehen, die personellen Ressourcen vor allem auch in der Vertragsabteilung unbedingt weiter stärken. Die Verträge sind schließlich mit die wichtigste Arbeitsgrundlage in den öffentlichen Apotheken.

Die AvP-Pleite hat die Apothekerschaft hart getroffen. Wie kann es gelingen, solche Skandale in Zukunft zu verhindern? Welche gesetzgeberischen Schritte sind jetzt nötig?

Es bedarf ganz klarer Regelungen im Bereich des Insolvenzrechtes und hinsichtlich des Aussonderungsrechtes der von den Krankenkassen gezahlten Beträge. Wir brauchen maximalen Schutz der Gelder unserer Apotheken, dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass wir auch in Zukunft die Rechenzentren dringend benötigen. Wir müssen uns für konkrete Vorschläge finanz- und insolvenzrechtliche Kompetenz hinzuholen. Dieses Thema wird in nächster Zeit mit Sicherheit Schwerpunkt eines jeden Gesprächs mit der Politik sein.

Als Gesellschafter der Gematik war der DAV indirekt auch an der Entscheidung beteiligt, IBM den Zuschlag für das Entwickeln und Betreiben des E-Rezept-Fachdiensts zu erteilen. Als Subunternehmer mit an Bord ist die Firma eHealth-Tec aus der Zur Rose Gruppe. Was sagen Sie den Kollegen, die dies zum Teil scharf kritisieren?

Das BMG ist Mehrheitsgesellschafter der Gematik. Der Stimmanteil des DAV beträgt 4 Prozent. Ich kann den Ärger und die Sorge meiner Kolleginnen und Kollegen hier durchaus verstehen, aber es geht letzten Endes um das Ergebnis einer öffentlichen Ausschreibung nach engen rechtlichen Vorgaben. Sie betrifft erstens nur einen Teil der E-Rezept-Architektur und zweitens ist die Firma eHealth-Tec nur einer von mehreren Subunternehmern. Das Produkt wird für alle Marktteilnehmer entwickelt und bereitstehen. Wir werden das Geschehen gleichwohl mit Sicherheit kritisch beobachten und begleiten.

Auch ABDA-intern ist Bewegung drin. Derzeit läuft die angekündigte Strukturanalyse. Wo sehen Sie persönlich Verbesserungspotenzial?

Wie bereits am Beispiel der Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ausgeführt, übernehmen die Verbände und das Ehrenamt aufgrund der teilweise sehr knappen hauptberuflichen Personaldecke in der Vertragsabteilung auch Aufgaben im Tagesgeschäft. Hier müssen wir uns dringend weiter personell verstärken. Der Personalmarkt in Berlin ist aber auch hart umkämpft. Deshalb müssen wir zusätzlich überlegen, wie wir gut eingearbeitete und damit hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter längerfristig an die ABDA binden. Und wir sollten darüber hinaus nachdenken, wie wir Synergien zwischen Berlin, den Landesapothekerverbänden und unseren wirtschaftenden Töchtern noch besser und zielgerichteter nutzen können. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir zukünftig auch mehr jüngere Kolleginnen und Kollegen für das Ehrenamt gewinnen, denn wir brauchen sie mit ihrem Elan und ihren Ideen. 



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Eine große Bitte für die Zukunft!

von Thomas Eper am 30.11.2020 um 12:55 Uhr

Bitte keine Verträge mehr unterzeichnen, die für uns Nachteile, nicht honorierte Zusatz-Arbeiten und erhöhtes Retaxrisiko bedeuten.
Es wird keine Folter angedroht.

Wenn´s irgendwie möglich, bitte künftig für uns Vorteile aushandeln.

Dosierungsangabe auf Rp. bitte nachverhandeln.
Sonst gibt es nächstes Jahr ein Retax-Tsunami!

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Mir fehlen die Worte...

von Tobias Kast am 30.11.2020 um 9:59 Uhr

"Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind mit Sicherheit nicht einfach. Für mich hat sich gezeigt, dass wir gerade im Bereich der Hilfstaxe immer dann erfolgreich waren, wenn wir eine solide Datenbasis für unsere Berechnungen hatten."

... ich wusste nicht, dass es *so* schlimm ist ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Neue DAV-Spitze

von Dr. Radman am 30.11.2020 um 8:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Kollege Dittrich,

ich möchte Ihnen folgende Tipps aus der meiner Sicht für Ihre zukünftige Verhandlungen mit den KK mitgeben:

1- Für die Apotheker und Mitarbeiter der Apotheke ist enorm wichtig, dass sie sich Zeit für Beratung der Patienten nehmen. Wenn das Rezept aber mit Formfehlern behaftet ist (z.B. Datum, Unterschrift, Dosierung etc..), dann verbraucht der Apotheker mehrere Minuten damit, die Formfehlern aufzuklären. Das geht von der Beratungszeit des Patienten ab. Eine reibungslose Belieferung ohne Rücksprachen mit Ärzten, die sowieso nicht ans Telefon gehen, ist für mich sogar wichtiger als Honorarerhöhung.

2- Die Kassen verhandeln mit Apothekern nicht auf Augenhöhe, weil sie wohl wissen, dass die Apotheker nicht den Rückgrat haben im Ernstfall aus dem Vertrag auszusteigen. Hier müssen sie besseres belehrt werden. Erst dann werden sie uns ernsthaft verhandeln.

3- Bei der Verhandlung mit den Kassen, stellen Sie sich bitte ein Team aus mehrheitlich Frauen zusammen. Frauen können auf ihrer Art besser verhandeln, haben mehr Geduld und werden nicht so schnell genervt das Handtuch werfen, wie mache ihre Testosteron-gesteuerte Kollegen. Verhandlung ist eine Kunst, die man in Ihrer Position beherrschen sollte.

4- Wir sollten keine Furcht haben, die BMG auf uns zornig werden zu lassen. Denn wer auch immer dort die Geschicke lenkt, muss er letztendlich für die Versorgung der Deutschen Bevölkerung sorgen. Niemand kann sich leisten auf die Apotheker Vorort zu verzichten, auch wenn er das andeutet.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und viel Geschick in Ihrer Amtszeit.

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