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PDSG vor dem Bundesverfassungsgericht
Verfassungsbeschwerde gegen Makelverbot bleibt erfolglos
Das Bundesverfassungsgericht sieht derzeit keinen Anlass, sich näher mit dem jüngst in Kraft getretenen Makelverbot für (E-)Rezepte zu befassen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das mit dem Patientendaten-Schutzgesetz eingeführte Verbot hat es nicht zur Entscheidung angenommen. Das klagende Unternehmen hätte zunächst vor den Verwaltungsgerichten klagen müssen.
Am 20. Oktober 2020 ist das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) in Kraft getreten. Eine für Apotheken wichtige Regelung in diesem Gesetz ist das Makelverbot. § 11 Absatz 1a Apothekengesetz bestimmt seitdem, dass es für „Dritte“ unzulässig ist, „Verschreibungen, auch in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren“.
Mit dem Verbot will der Gesetzgeber ganz bewusst das kommerzielle Makeln von Rezepten untersagen. „Es kann nicht nur die freie Apothekenwahl beeinträchtigen, sondern auch zu erheblichen Verwerfungen im Apothekenmarkt führen, die eine flächendeckende Versorgung durch wohnortnahe Apotheken gefährden“, hieß es in der Begründung des Regierungsentwurfs. Doch solche Geschäftsmodelle, so die Befürchtung, könnten mit der Einführung des E-Rezepts an Bedeutung gewinnen, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert.
Berufsverbot für meinRezept.online-Betreiber?
Die ABDA hatte dieses Makelverbot stets gefordert – aber natürlich gibt es auch Unternehmen, die davon gar nichts halten, weil es ihr Geschäftsmodell zunichtemacht. Zum Beispiel das Hamburger Start-up meinRezept.online. Die Plattform ermöglicht Patienten, die zuvor die App „meinRezept.online“ heruntergeladen haben, auf der Homepage des Arztes oder auf der Website von meinRezept.online das gewünschte Medikament zu bestellen. Der Arzt bekommt dann das Rezept auf sein Smartphone oder Tablet, signiert es elektronisch, anschließend wird es auf die Patienten-App weitergeleitet. In der Patienten-App wählt der Kunde aus, von welcher Vor-Ort-Apotheke er beliefert werden möchte. Danach wird das Rezept an diese Apotheke online übermittelt und dort ausgedruckt; das Medikament wird per Botendienst ausgeliefert und das Rezept ganz normal abgerechnet. Apotheken, die mitmachen wollten, zahlten zumindest in der Vergangenheit eine einmalige „Onboarding“-Gebühr, zudem eine Pauschale pro vermittelter Packung.
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Verfassungsbeschwerde gegen PDSG geplant
Das neue Makelverbot könnte meinRezept.online einen Strich durch die Rechnung ziehen. Schon im September kündigte das Unternehmen an, Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen, sobald das PDSG in Kraft getreten ist. Der Ansatz: § 11 Abs. 1a ApoG verletze das Grundrecht der Berufsfreiheit, für meinRezept.online komme es praktisch zum Berufsverbot, und es drohe die Insolvenz. Der Gesetzgeber sei bei seiner Verbotsnorm zu weit gegangen. Bei meinRezept.online gehe es nicht ums Makeln, sondern um die Optimierung der Dienstleistung, indem E-Rezepte für alle nutzbar gemacht würden.
Rechtsweg zum Verwaltungsgericht wäre möglich und zumutbar gewesen
Das Unternehmen hat sein Vorhaben umgesetzt. Nun liegt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vor, wonach dieses die Verfassungsbeschwerde gegen das Makelverbot nicht zur Entscheidung annimmt. Dabei setzen sich die Bundesverfassungsrichter allerdings nicht wirklich inhaltlich mit der neuen Verbotsnorm auseinander.
Im Beschluss heißt es deutlich: „Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführerin angezeigt.“ Sie sei unzulässig, weil sie dem Grundsatz der Subsidiarität nicht genüge und zudem die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorlägen.
Das heißt konkret: Das beschwerdeführende Unternehmen hat es versäumt, fachgerichtlichen Rechtsschutz einzuholen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Denn das Bundesverfassungsgericht kann grundsätzlich nur dann wegen einer möglichen Grundrechtsverletzung angerufen werden, wenn zuvor der Rechtsweg ausgeschöpft wurde.
Zwar gibt es in der Regel keinen Rechtsschutz unmittelbar gegen ein Gesetz. Doch der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, vor der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können. Im vorliegenden Fall kommen die Verfassungsrichter zu dem Schluss, dass zunächst eine negative Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht angezeigt gewesen wäre. Dort hätte die Sach- und Rechtslage erst einmal geklärt werden müssen; die Fachgerichte sind primär für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zuständig.
Klage weder sinn- noch aussichtslos
Es wäre möglich gewesen, auf Feststellung zu klagen, dass die ausgeübte Tätigkeit nicht den als verfassungswidrig angegriffenen, das Unternehmen konkret und aktuell belastenden Verboten nach § 11 ApoG unterliegt. „Dies ist weder sinn- noch aussichtslos“, heißt es im Beschluss. Die Auslegung des Makelverbots und seine Anwendung auf die von der Beschwerdeführerin angebotenen Leistungen sei ungeklärt. In der Fachliteratur werde der Wortlaut der Norm als zu weit kritisiert und eine einschränkende Auslegung gefordert. Auch die Beschwerdeführerin selbst habe darauf hingewiesen, dass die angegriffenen Verbote nach ihrem Wortlaut sogar tradierte Logistikmodelle wie den postalischen Apothekenversandhandel erfassten – damit gingen sie eventuell über den gesetzgeberischen Willen hinaus. Der Gesetzgeber wiederum gehe davon aus, innerhalb der geplanten Telematikinfrastruktur bleibe auch „unter Geltung des Makelverbotes nach § 11 des Apothekengesetzes […] die Möglichkeit Dritter gewahrt, unter Nutzung der Schnittstelle Mehrwertangebote anzubieten, die nicht die unzulässige Beeinflussung der freien Apothekenwahl durch Gewährung oder Versprechen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen zum Gegenstand haben“ (BT-Drs. 19/18793, S. 129).
Kurzum: Das Bundesverfassungsgericht findet, erst einmal hätten sich die Verwaltungsgerichte mit der neuen Gesetzesmaterie und deren Auslegung befassen müssen – möglicherweise hätten sie das Verbot eng ausgelegt und das Unternehmen hätte sein Ziel erreicht, ohne das Bundesverfassungsgericht bemühen zu müssen.
Diesen Rechtsweg zu beschreiten, wäre auch nicht unzumutbar gewesen. Drohende erhebliche wirtschaftliche Nachteile habe die Beschwerdeführerin nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Insolvenzrisiken habe sie lediglich behauptet, aber nicht näher belegt, etwa mit Bilanzen.
Prof. Dr. Jens Prütting von der Bucerius Law School, der das Verfahren für meinRezept.online betreut hat, gibt nicht so leicht auf. Er erklärte gegenüber DAZ.online, die Klage vor dem Verwaltungsgericht sei bereits in Vorbereitung.
Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmeschluss vom 12. November 2020, Az.: 1 BvR 2424/20
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