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Kuba als Vorbild?
Postwachstum: Gefahr oder Chance für das Gesundheitswesen?
In einem wissenschaftlichen Beitrag legen Professor Martin Hensher, Professor für Finanzierung und Organisation der Gesundheitssysteme, sowie Katharine Zywert, Doktorandin für soziale und ökologische Nachhaltigkeit, dar, wie sich das Gesundheitswesen weltweit an die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft anpassen könnte. Sie untersuchen an ihren Instituten in Australien bzw. Kanada einige der schwierigen und unbequemen Veränderungen, die die Gesundheitssysteme vornehmen müssten, um Teil der sozial-ökologischen Transformation zu werden.
Die Menschheit beeinflusst alle Systeme auf der Erde – so tiefgreifend, dass sogar ein neues Erdzeitalter nach ihnen benannt wird: das Anthropozän. Neue Errungenschaften und Technologien, eng verbunden mit einem ständigen Wachstum, haben vielen Menschen Wohlstand und verbesserte Lebens- und Gesundheitsaussichten gebracht. Es wird jedoch immer deutlicher: Die planetarischen Grenzen werden zunehmend überschritten. Wollen wir jetzt und in Zukunft noch gut leben, besteht dringender Handlungsbedarf für eine sogenannte sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft.
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In ihrem Beitrag, veröffentlicht in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachzeitschrift „The BMJ“, analysieren die Wissenschaftler Martin Hensher und Katharine Zywert, was der Übergang zu einer nachhaltigen Gesellschaft mit großen Veränderungen des Weltwirtschaftssystems für das Gesundheitswesen bedeuten könnte. Die beiden Wissenschaftler vermuten, dass dieses sich erheblich anpassen müsste, um in einem neuen sozial-ökologischen System weiter funktionieren zu können.
„Überdiagnosen“ und „Überbehandlungen“ eliminieren
Eine durch nachhaltige Nutzung der Ressourcen weniger komplex werdende Wirtschaft könnte, laut der wissenschaftlichen Untersuchung, auch medizinische Behandlungsmethoden und Technologien einschränken. Die beiden Autoren vergleichen die Situation mit der, in der Kuba 1990 steckte: Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war das Land vom internationalen Handel und der fossilen Versorgung abgeschnitten. Relativ schnell entwickelte Kuba daraufhin ein zwar abgespecktes, aber wirksames universelles Gesundheitssystem.
Ironischerweise, so die Autoren der Studie, könne der Druck nun ebenfalls weltweit handeln zu müssen, ähnlich wie auf Kuba, die schon lange notwendige Umgestaltung des Gesundheitssystems herbeiführen. Werden „Überdiagnosen“ und „Überbehandlungen“ des modernen Gesundheitssystems eliminiert, so könnte die Gesundheitsversorgung sogar verbessert werden, so die Hoffnung der Autoren.
Gefahren der Wohlstandsgesellschaft – Chancen der COVID-19-Pandemie
Der Übergang zu einer Post-Wachstum-Wirtschaft würde die Gelegenheit bieten, wirksam auf die sozialen Faktoren der Gesundheit einzuwirken. Um innerhalb der planetarischen Grenzen zu wirtschaften, werden wir nicht umhinkommen unseren Konsum zu reduzieren – und können damit gleichzeitig etwas für unsere Gesundheit tun. Konsum von ungesunden Lebensmitteln, Alkohol, Suchtprodukten sowie Bewegungsmangel bis hin zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzung in all ihren Formen belasten unser Gesundheitssystem unnötig. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO zeigt mit ihrer Liste der zehn größten Gefahren für die globale Gesundheit auf, dass viele Krankheiten und Todesfälle mit übermäßigem Konsum, Luftverschmutzung und Klimawandel in Verbindung stehen.
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Laut Autorenteam werden sich die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen grundsätzlich wandeln müssen, wenn die notwendige sozial-ökologische Transformation zustande kommen soll. Es würde beispielsweise einen kulturellen und ethischen Wandel der Beschäftigten im Gesundheitssystem und der Gesellschaft an sich im Hinblick auf Heilbehandlungen voraussetzen. „Wir werden eine Kultur und Ethik entwickeln müssen, in der wir genug tun, statt zu versuchen, alles zu tun, was möglich ist“, so die Autoren.
Werden Menschen wieder generationenübergreifend zusammenleben?
Unerwartet hat die COVID-19-Pandemie, laut Henshert und Zyvert, sowohl für die Beschäftigten im Gesundheitssystem als auch für die Gesellschaft insgesamt Räume für Innovation und kulturellen Wandel eröffnet. Die Beschäftigten im Gesundheitssystem hätten neue Wege gefunden, um die Zusammenarbeit auszuweiten und ineffektive Arbeitsweisen aufzugeben. Sie hätten angesichts der Widrigkeiten ihr Engagement für die beruflichen Grundwerte erneuert, während gesellschaftlich die zentrale Bedeutung der Fähigkeiten des Gesundheitswesens anerkannt werde.
Die Erwartungen der Gesellschaft an das Gesundheitssystem und die Abhängigkeit von der institutionellen Versorgung müsse sich jedoch im Rahmen einer sozial-ökologischen Transformation verändern. So könne der Zusammenhalt in der Gemeinschaft wieder eine größere Rolle, auch in Bezug auf Geburt, Krankheit und Tod spielen. Das Autorenteam hat die Vision, dass nach und nach Familien generationenübergreifend wieder zusammenleben, um die kollektive Betreuung älterer Menschen und Kinder zu fördern, statt der derzeitigen Modelle der Altenpflege in Heimen.
Nicht nur für den theoretisch besten Fall gewappnet sein
Die COVID-19-Pandemie zeigt laut Henshert und Zyvert, wie fragil und verwundbar unsere komplexen sozialen und wirtschaftlichen Systeme sind. Im Lichte einer harten Lehre sollten wir die Erholungsphase nach der Pandemie als Gelegenheit nutzen, die sozial-ökologische Transformation einzuleiten – und damit auch das Gesundheitssystem zu ändern. Denn viele Lehren aus der Pandemie überschneiden sich auch mit den Empfehlungen für einen kulturellen und institutionellen Wandel. Dazu gehöre zum Beispiel die öffentlichen und bevölkerungsbezogenen Gesundheitsdienste und -kapazitäten zu stärken. Außerdem sei es notwendig, dass jedes Land, weg von globalen Prozessen, wieder Herstellungskapazitäten für Arzneimittel, Impfstoffe und wichtige medizinische Ausrüstung und Verbrauchsmaterialien einrichtet.
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Zudem sollten die Mitarbeiter im Gesundheitssystem so ausgebildet sein, dass sie flexibel eine sichere und wirksame Versorgung mit unterschiedlichen Ressourcen und unter widrigen Umständen gewährleisten können – nicht nur für eine idealisierte „best practice“.
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