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Überwachung von Apothekenrechenzentren
Die überschätzte Rolle der BaFin
Das Apothekenrechenzentrum AvP wurde von der Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht, weil es Factoring betrieben hat. Die Insolvenz konnte jedoch nicht verhindert werden. Seitdem steht die BaFin unter massiver Kritik. Dabei wird ausgeblendet, dass die Behörde im Geschäftsbereich von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht der Schlüssel sein kann, um das System künftig sicherer zu machen. Die meisten Rechenzentren werden nämlich als „sonstige freigestellte Institute“ gar nicht laufend überwacht - und das entspricht den Regeln.
Bei der Aufarbeitung der AvP-Insolvenz wird vielfach gefragt, was die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu welchem Zeitpunkt wusste und ob sie möglicherweise früher hätte tätig werden müssen. Dabei ist jedoch bisher kaum beachtet worden, welche grundlegenden Regeln für diese Aufsicht überhaupt bestehen.
Factoring oder Freistellung?
Die AvP Deutschland GmbH unterstand der Aufsicht der BaFin, weil Factoring-Geschäfte betrieben wurden. Factoring ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 Kreditwesengesetz (KWG) „der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff“. Doch die Abtretung von Forderungen oder gar das Factoring sind für die Rezeptabrechnung nicht notwendig. Sogar Vorschusszahlungen für Apotheken sind in gewissem Umfang ohne Factoring möglich, sofern das Rechenzentrum über hinreichende Bonität verfügt und entsprechende Kredite erhält. Viele Apothekenrechenzentren arbeiten seit jeher ohne Factoring, wie in einem Übersichtsbeitrag in der DAZ erläutert wurde („Kleingedrucktes mit großen Folgen“, DAZ 2020, Nr. 45). Sie werden in der Unternehmensdatenbank der BaFin dementsprechend als „freigestellte sonstige Institute“ geführt.
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Die Frage, wie Apothekenrechenzentren überwacht werden, darf daher nicht auf das Factoring begrenzt werden. DAZ.online wollte von der BaFin wissen, inwieweit solche Unternehmen von der BaFin überwacht werden. Die BaFin erklärte dazu:
„Die Kategorie ‚freigestelltes sonstiges Institut‘ betrifft Unternehmen, die zwar in einem Spartengeschäft punktuell Bankgeschäfte betreiben und damit grundsätzlich der laufenden Aufsicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) unterlägen, jedoch von der BaFin nach § 2 Abs. 4 KWG im Wege einer Einzelfallregelung von der laufenden Aufsicht freigestellt sind. Solange diese Unternehmen die Grenzen der Freistellung und Auflagen, die mit der Freistellung verbunden werden, beachten, findet eine laufende Aufsicht über die Unternehmen nicht statt.“
Keine automatische Überwachung für die Apothekenabrechnung
Damit stellt sich die Frage, wie die typischen Geschäfte der Apothekenrechenzentren einzustufen sind. Die entscheidenden Rechtsnormen dafür bilden § 1 Absätze 1 und 1a KWG. Dort werden Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen definiert. Diese bedürfen einer Genehmigung. Doch dort ist keine Position zu finden, die sich auf die eigentliche Abrechnungstätigkeit anwenden lässt, soweit diese ohne Factoring abläuft. Allerdings ist zu fragen, ob Vorschusszahlungen ein Bankgeschäft darstellen. Denn zu den Bankgeschäften zählt gemäß § 1 Absatz 1 Nr. 2 KWG „die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (Kreditgeschäft)“. Auf die Frage, ob die BaFin die Vorschusszahlungen als erlaubnispflichtig einstuft, erklärte die BaFin gegenüber DAZ.online:
„Wer in Deutschland in erlaubnispflichtiger Weise Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen betreiben will, bedarf dazu einer schriftlichen Erlaubnis der BaFin.“
Die Voraussetzungen seien im KWG geregelt. Ob diese bei den Apothekenrechenzentren regelmäßig erfüllt sind, beantwortete die BaFin jedoch nicht. Offenbar fällt eine allgemeine Einschätzung der unterschiedlichen Vereinbarungen schwer. Doch die Bewertung ergibt sich wohl implizit aus der erstgenannten Antwort der BaFin. Da viele Apothekenrechenzentren bei der BaFin als „sonstiges freigestelltes Institut“ geführt werden, hat die Prüfung offenbar ergeben, dass sie von der Aufsicht freigestellt wurden. Dabei ist auch das Merkblatt der BaFin „zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG“ interessant. Demnach ist die Freistellung nur möglich, wenn das Bankgeschäft nur ein Hilfsgeschäft ist, das das Kerngeschäft des Unternehmens sachlich unterstützt.
Regelungslücke
Da viele Apothekenrechenzentren von der laufenden Aufsicht freigestellt sind, ist die eigentliche Abrechnungstätigkeit offenbar kein Aufsichtsgrund für die Finanzdienstleistungsaufsicht. Das Sozialversicherungsrecht enthält dafür ebenfalls keine angemessenen Kontrollmechanismen, obwohl es fast ausschließlich um Gelder aus der Solidargemeinschaft geht. So besteht offenbar eine Regelungslücke, und es gibt zumindest von staatlicher Seite weiterhin keinen Schutz vor einer Wiederholung der jüngsten Ereignisse.
Überwachung der Zuverlässigkeit
Allerdings wurde AvP durchaus überwacht. Das ist aber eher dem Zufall geschuldet, weil das Unternehmen Factoring betrieben hat. Doch auch diese Aufsicht wirft Fragen auf. Denn aufgrund der AvP-Insolvenz war bekannt geworden, dass einer der Verantwortlichen bei der AvP wegen eines Steuerdeliktes vorbelastet war, wie DAZ.online schon sehr früh berichtete.
In diesem Zusammenhang erscheinen die §§ 32 und 33 KWG interessant. Diese regeln die Inhalte des Erlaubnisantrags. Gemäß § 33 Absatz 1 Nr. 2 und 3 KWG kann die BaFin die Erlaubnis versagen, wenn die verantwortlichen Personen nicht zuverlässig sind. In diesem Zusammenhang wollte DAZ.online von der BaFin wissen, inwieweit die rechtskräftige Verurteilung in einem Strafverfahren dafür relevant ist. Die BaFin erklärte dazu:
„Die BaFin zieht für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Bewerbers neben eigenen Erkenntnissen u.a. Selbstauskünfte zu Strafverfahren, Ordnungswidrigkeitenverfahren, behördlichen Verfahren, Insolvenzverfahren, eidesstattlicher Versicherung sowie Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem Gewerbezentralregister oder sonstiger Register heran. Ergeben sich daraus Anhaltspunkte oder sind gegen den Bewerber bankaufsichtliche Maßnahmen erlassen worden, ist im Einzelfall zu beurteilen, ob der Bewerber zuverlässig ist. Bei der Beurteilung sind Schwere und Art der Verfehlung zu berücksichtigen. Eine Verallgemeinerung ist nicht möglich.“
Wie erfährt die BaFin von Verfahren und Verurteilungen?
Die BaFin verweist dazu auch auf ihr 37 Seiten umfassendes „Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB“. Außerdem wollte DAZ.online von der BaFin wissen, wie die BaFin erfährt, wenn eine verantwortliche Person strafrechtlich verurteilt wird. Dazu verweist die BaFin auf § 60a KWG, in dem die Informationswege geregelt sind. Gemäß § 60a KWG haben das Gericht, die Strafverfolgungs- oder die Strafvollstreckungsbehörde bei bestimmten Strafverfahren gegen verantwortliche Personen in überwachten Unternehmen der BaFin im Fall der Erhebung einer öffentlichen Anklage die Anklageschrift, den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und die abschließende Entscheidung zu übermitteln. Die Regelung enthält eine komplexe Umschreibung, welche Straftaten davon erfasst sind. Insbesondere geht es dabei um die Verletzung der Berufspflichten und Straftaten bei der Ausübung des Gewerbes. Bei fahrlässig begangenen Straftaten gilt die Pflicht nur, wenn unverzügliche Maßnahmen der BaFin geboten sind.
Schließlich hat DAZ.online gefragt, welche Sanktionsmöglichkeiten die BaFin hat. Dazu verweist die BaFin auf § 36 KWG. Die BaFin erklärte dazu:
„Danach kann die BaFin Geschäftsleiter verwarnen oder gegenüber dem Aufsichtsorgan verlangen, dass sie abberufen werden und sie durch einen Sonderbeauftragten ersetzen. Die BaFin kann auch Mitglieder von Aufsichtsorganen abberufen und die Befugnisse eines Aufsichtsorgans auf einen Sonderbeauftragten übertragen.“
Fehlende Informationen im Fall AvP
Soweit zu den vorgesehenen Regularien. Doch wie ist es im Fall AvP tatsächlich gelaufen? Dies hatte die FDP-Bundestagsfraktion bereits im Oktober in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gefragt. Das Bundesfinanzministerium hatte Anfang November geantwortet, die AvP Service AG sei Alleingesellschafterin der AvP Deutschland GmbH und unterliege damit den Regelungen zur Inhaberkontrolle. Diese umfasse eine anlass- oder anzeigenbezogene Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit ihrer gesetzlichen Vertreter. Dazu sei es aber nicht gekommen, „da der BaFin weder Anzeigen noch Hinweise bezüglich der strafrechtlichen Vorbelastung eines der gesetzlichen Vertreter der AG vorlagen“, wie es in der Antwort des Ministeriums hieß. Die BaFin habe in diesem Fall nicht die nach § 60a KWG vorgesehene Mitteilung durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde bzw. das zuständige Gericht erhalten. Die Verurteilung eines Vorstands der AvP Service AG wegen einer Steuerstraftat sei der BaFin erst aus der Presse bekannt geworden, hatte das Ministerium damals erklärt.
Fazit: Keine grundsätzlichen Überwachungsregeln
Doch unabhängig von dieser Vorgeschichte im Fall AvP liegt das Problem mit Blick auf die Sicherheit des Gesamtsystems offenbar anderswo. Auch die jüngste Fokussierung der Betrachtung auf Factoring-Institute geht wohl am Kern des Problems vorbei. Denn nur ein kleiner Teil der Rechenzentren betreibt Factoring. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die eigentliche Abrechnungstätigkeit der Rechenzentren nach den Regeln der Finanzdienstleistungsaufsicht kein Grund zur laufenden Überwachung ist. Dies ist keine Entscheidung der BaFin, sondern des Gesetzgebers – und diese Entscheidung dürfte nun zu hinterfragen sein.
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