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Frauen und Männer sind anders
RKI beleuchtet gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland
Mitten in der Pandemie ist fast untergegangen, dass das Robert-Koch-Institut im Dezember seinen ersten Frauengesundheitsbericht vorgelegt hat. Darin werfen die Wissenschaftler einen Blick auf den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitsversorgung von Frauen aller Altersklassen in Deutschland.
Dass Frauen und Männern ein bisschen anders sind – das lernen Kinder spätestens im Kindergarten. In vielen Bereichen im Leben wirkt sich das ja auch aus, etwa bei ungleicher Bezahlung, um ein negatives Beispiel zu nennen. Im Bereich der Medizin wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern dagegen immer noch nur wenig beachtet. Von den sehr konkreten Fachrichtungen der Frauen- und der Männerheilkunde – Gynäkologie und Andrologie – einmal abgesehen ist „Gendermedizin“ noch oft Neuland.
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Doch die Unterschiede gibt es – das hat auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erkannt: „Eine gute medizinische Versorgung berücksichtigt immer auch das Geschlecht. Manche Erkrankungen lösen bei Frauen andere Symptome aus als bei Männern. Andere erfordern eine spezifische Behandlung. Um Prävention, Diagnose und Therapie weiter zu verbessern, müssen wir die Unterschiede kennen“, sagt er anlässlich der Veröffentlichung des ersten Frauengesundheitsberichtes im Dezember 2020. Insgesamt ist dies der zweite Frauengesundheitsbericht. Der erste erschein im Jahre 2001, herausgegeben vom Bundesfamilienministerium.
Untersuchungszeitraum von Sommer 2017 bis Ende 2019
„Eine geschlechtersensible Berichterstattung trägt dazu bei, wissenschaftlich fundierte Informationen als Grundlage für politisches Handeln zu liefern. Zudem unterstützt sie die Akteure des Gesundheitswesens dabei, eine frauengerechte Prävention und Gesundheitsversorgung umzusetzen“, sagte dabei auch RKI-Präsident Lothar Wieler.
Von Sommer 2017 bis Ende 2019 haben die Gesundheitswissenschaftler im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums dabei den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitsversorgung von Frauen aller Altersklassen in Deutschland gründlich unter die Lupe genommen. Mit Verzögerung von rund einem Jahr hat man den Bericht nun inmitten der Corona-Pandemie vorgelegt – und damit sicherlich weniger Echo in den Medien geerntet als das in Nicht-Pandemie-Zeiten der Fall gewesen wäre. Denn das 394 Seiten starke Werk enthält eine Fülle an Informationen zum einen rein statistischer Natur, zum anderen auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen bezogen. Dabei haben die Forscher differenziert nach Frauen- und Mädchengesundheit, der Gesundheit älterer Frauen und von Frauen mit Migrationshintergrund. Auch konkret den Themen sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie Gewalt gegen Frauen sind eigene Kapitel des Berichts gewidmet. Die besondere Situation „zwischen Erwerbs- und Familienarbeit“, die von Frauen und Mädchen mit Behinderungen sowie der Vergleich der Situation auf europäischer Ebene sind weitere Kapitel. Das Thema Corona, dass zum Ende des Untersuchungszeitraums aufkam, wird im Bericht nur am Rande erwähnt – auch dort sahen die Wissenschaftler aber die geschlechtsspezifischen Unterschiede – Männer sind von COVID-19 statistisch häufiger betroffen als Frauen.
Weibliches Geschlecht in der Freizeit weniger sportlich aktiv
Zu den Erkenntnissen der Forscher gehört dabei etwa, dass Frauen sich häufig gesundheitsbewusster verhalten als Männer – mit entsprechenden Folgen für den Gesundheitszustand. Frauen werden in Deutschland so im Schnitt 83,3 Jahre alt. Das ist eine um 4,8 Jahre höhere durchschnittliche Lebenserwartung als für Männer – und sie ist seit 1994 um 4,3 Jahre gestiegen. Frauen würden beispielsweise im Vergleich zu Männern weniger rauchen und wenn dann seltener stark. Auch Alkoholmissbrauch sowie generell der Alkoholkonsum seien geringer. Dazu komme eine häufiger ausgewogene Ernährung bei Frauen als bei Männern. Dagegen sei das weibliche Geschlecht in der Freizeit weniger sportlich aktiv als das männliche und Wege würden von Frauen seltener zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt als von Männern, fassen die Forscher zusammen.
Auch im Bereich Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsversorgung führen die Frauen laut dem Bericht. Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung würden von Frauen öfter in Anspruch genommen als von Männern, außerdem nähmen rund 91 Prozent der Frauen im Vergleich zu nur 84 Prozent der Männer innerhalb eines Jahres ambulante ärztliche Versorgungsleistungen in Anspruch.
Unterschiede gibt es dabei bereits in der Kindheit. So seien Mädchen gesünder und medizinisch unauffälliger als Jungen. In der Jugend ab elf Jahren kehre sich das dann um. „Mädchen leiden im Vergleich zu Jungen häufiger unter Schmerzen, Schlafstörungen und Schwindel. Sie weisen auch häufiger Hinweise auf Essstörungen und Symptome von Depression und Angst auf. Mädchen berichten deutlich häufiger als Jungen, oft Stress zu erleben und mit ihrem Körper und Aussehen unzufrieden zu sein“, heißt es im Bericht.
„Typisch männliche“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufigste Todesursache bei Frauen
Häufigste Todesursache bei Frauen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen – rund 40 Prozent aller Todesfälle gehen darauf zurück. Und bereits da, so die Forscher, zeige sich ein geschlechterspezifischer Unterschied: Denn „trotzdem gelten Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterhin als eher ‚männliche‘ Erkrankungen und Frauen unterschätzen häufig ihr Erkrankungsrisiko.“
„Zu den Erkrankungen, von denen Frauen häufiger betroffen sind, gehören Muskel- und Skelett-Erkrankungen – vor allem Arthrose, Osteoporose und rheumatoide Arthritis – sowie eine Reihe psychischer Erkrankungen wie Depression, Angststörungen und Essstörungen. Auch sind Suizidversuche bei Frauen häufiger als bei Männern, die Anzahl der vollzogenen Suizide ist jedoch geringer“, schreiben die Forscher weiter im Bericht.
35 Prozent der Frauen ist seit dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt widerfahren
Auch dass 35 Prozent der Frauen in Deutschland seit dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt widerfahren ist, die überwiegend von Partnern oder Ex-Partnern ausging, legt der Bericht dar. Dabei seien insbesondere auch Frauen und Mädchen mit Behinderungen häufiger betroffen als die ohne.
In ihrem Bericht stellen die RKI-Forscher fest, dass es bereits Unterscheidungen hinsichtlich des Geschlechts in der Medizin gibt – allerdings nicht unbedingt die richtigen. So werde etwa bei der ärztlichen Diagnosestellung bei gleicher Symptomatik bei Frauen häufiger eine psychische, bei Männern eine körperliche Erkrankung diagnostiziert.
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Insgesamt könne man mit dieser geschlechtersensiblen, fokussierten Berichterstattung dazu beitragen, wissenschaftlich fundierte Informationen als Grundlage für politisches Handeln zu liefern, resümieren die RKI-Wissenschaftler. Denn: „Um die Gesundheit von Frauen zu verbessern und soziale sowie geschlechterbezogene Ungleichheiten in der Gesundheit und Versorgung abzubauen, müssen neben der Gesundheitspolitik weitere Politikfelder eingebunden werden (Health in all Policies).“
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