Wort & Bild-Chef Andreas Arntzen im DAZ-Interview

„Wir sind besser, wenn wir uns zusammentun“

Stuttgart - 08.01.2021, 15:25 Uhr

Wort & Bild-Verlagschef Andreas Arntzen sprach mit der Deutschen Apotheker Zeitung auch über die Herausforderungen des vergangenen Corona-Jahres. (Foto: Wort & Bild Verlag)

Wort & Bild-Verlagschef Andreas Arntzen sprach mit der Deutschen Apotheker Zeitung auch über die Herausforderungen des vergangenen Corona-Jahres. (Foto: Wort & Bild Verlag)


Für den Wort & Bild Verlag ging 2020 ein bewegtes Jahr zu Ende – Coronakrise, Relaunch und neue Wettbewerber. Verlagschef Andreas Arntzen sieht auch 2021 einem ereignisreichen Jahr entgegen und ist glücklich, den Wandel aus einem pandemiebedingten Reaktionsmodus in ein vorausschauendes Agieren geschafft zu haben. Im Interview mit der Deutschen Apotheker Zeitung spricht er unter anderem über das Verhältnis zu Burda und die Digitalisierung im Gesundheitswesen. 

DAZ: Herr Arntzen, wie hat sich die Corona-Pandemie bisher auf den Wort & Bild Verlag ausgewirkt? 

Arntzen: An erster Stelle standen und stehen auch für uns die Gesundheit unserer Mitarbeiter sowie die Aufrechterhaltung aller Betriebsabläufe. Unser Krisenmanagement war sehr erfolgreich, sodass wir ohne Einschränkung für die Apotheker da sein konnten. Gleichzeitig haben wir Geschäftspartnern unsere Unterstützung angeboten und unter die Arme gegriffen. Inzwischen kann man sagen, dass wir den Wandel aus einem pandemiebedingten Reaktionsmodus in ein vorausschauendes Agieren geschafft haben, worüber ich sehr glücklich bin. 

Und im Hinblick auf die Apotheken und ihre Kunden?

Wir haben von Anfang an sehr sensibel darauf reagiert, wie die aktuelle Situation ist. Als im Frühjahr der totale Run auf die Apotheken stattfand, haben wir beispielsweise die TV-Werbung komplett zurückgefahren, damit wir nicht noch mehr Menschen in die Apotheke treiben. Für uns stand nicht der Vertrieb unserer „Apotheken Umschau“ im Vordergrund, sondern die Unterstützung der Apotheken bei der Bewältigung der Kunden- und Patientenströme.

Welche Unterstützung haben Sie den Apotheken darüber hinaus geboten? 

Wir haben die Vor-Ort-Apotheken ausgestattet mit über zehn Millionen Gratis-Flyern, um die Beratung der Kunden in vielen Sprachen zu erleichtern. Dabei ging es um Themen wie die allgemeinen Corona-Verhaltensregeln, die korrekte Handhabe von Masken oder Gesundheitstipps für das Homeoffice. Damit hatten Apotheker und PTA für die häufigsten Fragen nützliche Hilfsmittel zur Hand. Wir haben uns auch massiv dafür eingesetzt, dass die Rolle und Wichtigkeit der Apotheken unterstrichen wurde. Bei vielen DANKE-Kampagnen wurden die Apotheken leider schlichtweg vergessen. 

Wie haben Sie auf den veränderten Informationsbedarf der Leser – also den Apothekenkunden – reagiert?

Das ist ein sehr interessanter Aspekt, denn bisher waren wir aufgrund unserer redaktionellen und produktionsbedingten Abläufe auf einen entsprechenden Vorlauf eingetrimmt. Die „Apotheken Umschau“ erscheint alle zwei Wochen und die Beiträge werden langfristig geplant und finalisiert. Corona hat das verändert und das hat sich maßgeblich auf die Transformation innerhalb unseres Verlages ausgewirkt. Die Pandemie hat bewirkt, dass wir aktuelle Informationen wesentlich umfangreicher und kurzfristiger verarbeiten und veröffentlichen. Das haben wir als sehr positiv empfunden, weil das unsere ohnehin beabsichtigte Weiterentwicklung noch mal beschleunigt hat. Die Re­daktion hat übrigens doppelt so viele Texte verfasst im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 

Und online?

Neben unseren Printmedien wurden unsere Online-Angebote, vor allem die Podcast-Serie „Klartext Corona“ mit Dr. Dennis Ballwieser sehr gut angenommen. Anfangs hat das Team noch jeden Tag gesendet, inzwischen werden zwei bis drei Folgen pro Woche veröffentlicht. Bei der Bestenliste taucht unser Podcast „Klartext Corona“ gleich hinter den Podcasts der Virologen Prof. Drosten und Prof. Kekulé auf. 

„Zu einem ‚Change-Prozess‘ gehören auch Personalmaßnahmen“

2019 fand ja ein Relaunch der „Apotheken Umschau“ statt. Präven­tion als ein neuer Schwerpunkt, Männer als eine neue Zielgruppe und insgesamt eine leichter verständliche Sprache und Heftstruktur. Ist das alles so geglückt, wie Sie sich das vorgenommen haben? 

Zunächst einmal: Eine solche Reise ist nie abgeschlossen. Wir haben den Anspruch zu schauen, was wir jeden Tag besser und anders machen können. Das gilt nicht nur für den Verlag, sondern auch für die Redaktionen. Ich kann bestätigen, dass Dr. Dennis Ballwieser dort einen hervorragenden Job macht, eine Redaktion hat, die vollkommen offen ist, für Inspirationen und neue Ideen und inzwischen mehr ausprobiert als früher. Das ist ein wichtiges Ergebnis des Relaunches und eines Transformationsprozesses, der nie aufhört. 

An welcher Art von Rückmeldung wird der Erfolg dieses Prozesses festgemacht?

Mein vorläufiges Fazit ist, dass wir aus Verlagssicht viel verändert haben – für die Leser hingegen waren die gefühlten Veränderungen weniger spürbar. Das Feedback, das wir erhalten, ist jedoch sehr positiv – sowohl von Apothekerinnen und Apothekern als auch von ihren Kunden. Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung.

Nun gab es letztes Jahr auch personelle Umstellungen im Wort & Bild Verlag: Eigenen Angaben zufolge haben Sie sich von bis zu 20 Mitar­beitern aus den Redaktionen getrennt. Im September wurde bekannt, dass der langjährige „Umschau“-Chef­redakteur Dr. Hans Haltmeier das Unternehmen verlassen hat. Wie lassen sich diese Veränderungen einordnen?

Zu einem „Change-Prozess“ gehören auch Personalmaßnahmen. Von manchen Mitarbeitern haben wir uns getrennt, in Summe sind wir aber gewachsen. Alleine in den letzten dreieinhalb Jahren haben wir über 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt. Für eine Umstrukturierung und Weiterentwicklung sind auch immer neue Kompetenzen und Inspiration von außerhalb notwendig. Neue Mitarbeiter bringen ihre persönlichen Erfahrungen mit und hinterfragen eingefahrene betriebliche Prozesse viel stärker. Ich bin mir sicher, dass wir nun eine sehr gute Mixtur gefunden haben und inzwischen wesentlich vielschichtiger aufgestellt sind. 

Sie sind ja erst seit 2016 Verlags-CEO. War dieser „Change-Prozess“ überfällig?

Das, was wir jetzt machen, ist etwas, das andere Medienhäuser und Verlage schon vor zehn Jahren vollzogen haben. Nämlich, sich von einer Titelredaktion zu einer Ressortredaktion zu entwickeln. Das tun wir ja nicht, um Personal einzusparen, sondern um unsere journalistische Qualität und unser Profil zu steigern. Damit werden die einzelnen Redakteure nämlich zu Spezialisten einzelner Ressorts, wie „Herz-Kreislauf“, „Gelenke“ oder „Haut“ und nicht für bestimmte Zeitschriftentitel. Das ist ein wesentlicher Unterschied, der unser Arbeiten deutlich erleichtert hat und uns flexibler werden lässt – nicht zuletzt in der Corona-Krise.

Das, was gut läuft, versuchen wir immer weiter auszubauen und zu verbessern. Zeitgleich müssen wir aber auch neue Projekte aufsetzen, um der veränderten Bedarfssituation zu begegnen oder einfach auch mal neue Dinge auszuprobieren.

Annährerung zum Burda-Verlag? 

Wenn man Informationen zu Gesundheitsthemen und Arzneimitteln online sucht, trifft man sehr schnell auf das Angebot der „Apotheken Umschau“. Bleibt das nach wie vor eine Art Flaggschiff oder sollen neue Formate und Angebote entstehen?

Das, was gut läuft, versuchen wir immer weiter auszubauen und zu verbessern. Zeitgleich müssen wir aber auch neue Projekte aufsetzen, um der veränderten Bedarfssituation zu begegnen oder einfach auch mal neue Dinge auszuprobieren.

Gibt es dafür Beispiele? 

Einerseits brauchen die Apothekenkunden und Patienten gut recherchiertes sowie aktuelles lexikalisches Wissen, beispielsweise über Erkrankungen und Arzneimittel. Dazu gehören auch Wechselwirkungschecks und Expertenforen. Neuland betreten wir dagegen bei Angeboten wie dem „Digital Ratgeber“, bei dem wir uns einem ganz neuen Thema widmen, weil die Digitalisierung im Gesundheitswesen längst Einzug gehalten hat und sich daraus Fragen für das Fachpublikum und die Patienten ableiten lassen. Ein anderes sehr aktuelles Beispiel ist die Corona-Reise-App, die wir entwickelt haben. Hier ging es nicht vorrangig um ein neues Geschäftsfeld, sondern darum, einen relevanten Bedarf in der Bevölkerung bezüglich Reiseinformationen während der Pandemie zu decken. 

Inwiefern ist die Apothekenkundenzeitschrift „My Life“ von Noweda/Burda ein Grund oder Auslöser für die Veränderungen innerhalb des Wort & Bild Verlags gewesen? 

Wir orientieren uns primär an den Bedürfnissen des Marktes – also an dem, was uns Apotheker und Leser signalisieren. Selbstverständlich führt Wettbewerb dazu, Kräfte zu mobilisieren. Daher finde ich Wettbewerb etwas Tolles, da er der Antrieb für ­Dynamik und Verbesserungen ist. „My Life“ hat mit vielen Dingen am Markt zu kämpfen so wie wir auch. Daher teilen wir uns die Herausforderungen und Chancen dieser Zeit. Man muss auch bedenken, dass die Apo­theken bis Mitte letztes Jahr „My Life“ noch gratis erhalten konnten. Daher wird sich der Titel erst jetzt so richtig etablieren müssen. 

Wie hat sich das Verhältnis zu Burda entwickelt?

Positiv. Ich kann mir vorstellen, dass man in Zukunft das ein oder andere zusammen macht. Unser Anspruch ist es, den Lesern qualitativ hochwertige und evidenzbasierte Informationen zur Verfügung zu stellen. Das nützt den Anzeigenkunden aus der Industrie und natürlich auch den Apotheken in Bezug auf Kundenbindung und Umsatzsteigerung.

Darf man 2021 schon mit einer Annäherung zwischen Wort & Bild und Burda rechnen?

Vielleicht. Ich bin kein Freund von Konkurrenzdenken, sondern eruiere lieber, wo man partnerschaftlich etwas gemeinsam aufsetzen kann. Am Ende des Tages überleben in solch kritischen und dynamischen Märkten nur diejenigen, die Partnerschaften bilden. Unser Medienhaus setzt traditionell auf solche Partnerschaften. Daher besteht Offenheit. 

Unser Gesundheitsminister behauptet, dass es in Deutschland keine hochwertigen und evidenzbasierten Gesundheitsinformationen gebe und er diese vermeintliche Lücke nun schließen müsse. Da wurde der Minister offenbar schlecht beraten. Ich finde diese Ansicht unerhört und stelle mich vor meine 300 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter. Der Wort & Bild-Verlag steht seit über 65 Jahren für ein hervorragendes Angebot an Gesundheitsinforma­tionen, die 30 Millionen Menschen pro Monat erreichen. Aber es betrifft ja beispielsweise auch einen Burda-Verlag mit seinem Angebot netdoktor.de. Ich habe daher überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Minister Steuergelder in Millionenhöhe dafür verwendet, im Alleingang ein staatliches Gesundheitsportal mit Informationen zu füllen, statt sich mit seriösen Anbietern evidenz­basierter Informationen auszutauschen und zu kooperieren. 

Für evidenzbasierte Gesundheitsinformationen hätte Spahn keine Steuergelder in Millionenhöhe gebraucht

Die von Ihnen angesprochenen Partnerschaften im Verlags- und Medienwesen haben ja Ende letztes Jahr eine ganz neue Bedeutung gewonnen, als bekannt wurde, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit dem Monopolisten Google kooperiert. Staatliche Gesundheitsinformationen sollen also nach dem Willen der Bundesregierung „ganz weit oben“ stehen. Bitte erläutern Sie uns die Brisanz dieses Vorgangs noch mal aus Ihrer Sicht.

Unser Gesundheitsminister behauptet, dass es in Deutschland keine hochwertigen und evidenzbasierten Gesundheitsinformationen gebe und er diese vermeintliche Lücke nun schließen müsse. Da wurde der Minister offenbar schlecht beraten. Ich finde diese Ansicht unerhört und stelle mich vor meine 300 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter. Der Wort & Bild-Verlag steht seit über 65 Jahren für ein hervorragendes Angebot an Gesundheitsinforma­tionen, die 30 Millionen Menschen pro Monat erreichen. Aber es betrifft ja beispielsweise auch einen Burda-Verlag mit seinem Angebot netdoktor.de. Ich habe daher überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Minister Steuergelder in Millionenhöhe dafür verwendet, im Alleingang ein staatliches Gesundheitsportal mit Informationen zu füllen, statt sich mit seriösen Anbietern evidenz­basierter Informationen auszutauschen und zu kooperieren. 

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Sehen Sie diesen Vorgang als eine Gefahr für die Pressefreiheit an?

Ich halte es für katastrophal, dass Bürgerinnen und Bürger zu Gesundheitsfragen an allererster Stelle die Informationen des Bundesgesundheitsministeriums erhalten und nicht die einer neutralen Stelle. Das Ministerium sollte sich vielmehr damit beschäftigen, wie mit falschen, unseriösen Informa­tionen umgegangen werden muss und damit die Pressefreiheit und seriöse Medien zu stärken. Das löst man nicht mit einem eigenen Portal.

Apropos Portal: Die Apothekerschaft blickt nach wie vor gespannt auf die Initiative „Pro AvO“. 2021 sollte der Start der Apothekenplattform aber nun kommen, oder? 

Ich finde, mit dem neuen Jahr sollte man den Blick noch mal etwas schärfen. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, speziell im Arzneimittelmarkt, wird zu solch grundlegenden Veränderungen führen, wie sie in diesem Ausmaß nur wenige Branchen bisher erlebt haben. Daher bauen wir an etwas wirklich Großem. Um es bildhaft auszudrücken: Es geht nicht darum, nur mit den anderen Flugzeugen am Himmel zu fliegen, sondern eine Rakete zu konstruieren, die es den Vor-Ort-Apotheken ermöglicht, in viel höhere Sphären vorzudringen. Ich glaube daran, dass wir das mit „Pro AvO“ und der Phoenix hinbekommen, aber es sind noch sehr viele Parameter offen. 

Inwiefern? 

Weil die Regulierungen vonseiten des Gesetzgebers ja noch gar nicht feststehen. Das ist der Hauptgrund, weshalb wir uns bisher zurückgehalten haben. Und in diesem Kontext muss man jedes Projekt – also jedes Flugzeug, das sich aktuell da oben befindet – ganz anders bewerten. Jede angebotene Lösung bewerte ich erst mal positiv, denn sie trägt bei zur weiteren Entwicklung. Doch kein einziges dieser Flugzeuge wird zukünftig in der Lage sein, zum Mond zu fliegen. Dafür brauchen wir eine Rakete und gebündelte Kräfte. Es geht um die beste Lösung für die deutschen Vor-Ort-Apotheken, damit diese bestehen können gegen Wettbewerber wie Amazon, Alibaba und die, die wir Stand heute noch gar nicht kennen.

Können wir im ersten Halbjahr mit einer Pilotphase der geplanten Plattform rechnen?

Definitiv. Es braucht eine gewisse Lernphase. Die Apotheken müssen auf Tuchfühlung gehen. Nur leider muss man auch sagen, dass wir jetzt zum Jahresauftakt noch nicht überblicken können, wie sich 2021 entwickeln wird, weil wir ja noch nicht mal wissen, wie Deutschland in den nächsten drei Monaten aussehen wird.

Herr Arntzen, wie lautet Ihr – hoffentlich optimistisches – Schlusswort als Ausblick? 

Ich bin davon überzeugt, dass 2021 die großen Marktteilnehmer zusammenfinden werden. Ich glaube an Burda, ich glaube an Noweda, ich glaube an einen Deutschen Apothekerverband. Vielleicht sehen wir alle mit der Zeit durch den Einfluss der Corona-Pandemie, dass wir besser sind, wenn wir uns zusammentun. Es geht um Neugierde, positives Denken und Partnerschaften – drei wesentliche Elemente, die das neue Jahr erfolgreich machen. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Arntzen!



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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