Kredite, Stundungen, Hilfe von der Familie

Wie Apotheken die AvP-Insolvenz bewältigen

Stuttgart - 28.01.2021, 13:15 Uhr

Im September 2020 traf die AvP-Insolvenz viele Apotheken wie der Schlag. Wie sieht ihre Situation heute aus? (Foto: Axel Bueckert / stock.adobe.com)

Im September 2020 traf die AvP-Insolvenz viele Apotheken wie der Schlag. Wie sieht ihre Situation heute aus? (Foto: Axel Bueckert / stock.adobe.com)


Die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP hat rund 2.900 öffentliche Apotheken in finanzielle Schwierigkeiten gebracht – Pleiten soll es bisher nicht gegeben haben, jedenfalls nach Aussagen der Landesapothekerverbände. Doch hinter jeder betroffenen Apotheke stecken sehr persönliche Schicksale, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabe beschreibt. So hätten sich die meisten Inhaber:innen bislang mit eigenen Rücklagen, Krediten, Stundungen der Großhändler und mit finanzieller Unterstützung der eigenen Familie über Wasser halten können. Immerhin sollen inzwischen mehr als 300 KfW-Kredite genehmigt worden sein.

Spätestens mit dem Jahreswechsel hat sich die Berichterstattung über die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP fast vollständig aus den öffentlichen Medien zurückgezogen. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bekanntgegeben, dass sie Ermittlungen gegen fünf Beschuldigte führt. Diese sollen der Führungsebene der AvP-Unternehmensgruppe angehören. Nach Informationen von DAZ.online handelt es dabei um zwei Frauen und drei Männer. Konkret geht es der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft um den Verdacht der Insolvenzverschleppung, der Bilanzfälschung, der Urkundenfälschung, des Betrugs beziehungsweise der Beihilfe zum Betrug, des Bankrotts sowie der Untreue. Der Insolvenzverwalter von AvP beziffert die Verbindlichkeiten des Rechenzentrums auf 593,8 Millionen Euro – die gesamten angemeldeten Forderungen sollen nach Informationen aus der Gläubigerversammlung vom 15. Dezember 2020 617,7 Millionen Euro betragen. In diesen Betrag fließen vor allem die offenen Forderungen der etwa 2.900 öffentlichen Apotheken – also die fehlenden Abrechnungsgelder aus dem August 2020. Zum Gläubigerkreis zählen darüber hinaus aber auch Krankenhausapotheken und sonstige Leistungserbringer. Insgesamt soll es sich um rund 5.000 Gläubiger handeln.

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Abseits der pharmazeutischen Fachmedien verfolgt vor allem das „Handelsblatt“ diese Entwicklungen nach wie vor, weil die AvP-Pleite auf ein multiples Behördenversagen im Geschäftsbereich von Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hinweist. Schon bei den Wirecard- und Cum-Ex-Skandalen zeigte sich, dass die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) es offenbar systematisch versäumt hat, frühzeitig einzugreifen und größere Schäden abzuwenden. Bei AvP sollen Privatentnahmen sowie schwarze Konten in Kombination mit Bilanzmanipulationen zu einem Desaster geführt haben, das die BaFin trotz diverser Vorzeichen nicht erkannte. Die Folge: Je nach Quelle sind aktuell zwischen 2.600 und 2.900 Apotheken betroffen. Die Unternehmen warten auf Gelder mindestens aus dem Abrechnungsmonat August, was bei einigen von ihnen die erwirtschafteten Jahresgewinne deutlich übersteigt und somit nur schwer aus eigener Kraft abzufedern ist.

Nun beleuchtet ein Artikel in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Schicksale der AvP-Apotheken. So wird der Fall eines Apothekeninhabers aus dem Münsterland skizziert, der mit Mitte 60 eigentlich kürzer treten wollte. Nun stehe dieser wieder 60 Stunden pro Woche „hinter dem Tresen“, arbeite jeden Samstag und mache jeden Nacht- und Notdienst. Durch die AvP-Insolvenz fehlten seinem Betrieb rund 125.000 Euro. 

Gefahr nicht gebannt – Kredite müssen zurückgezahlt werden

Inwiefern sich dieses Schicksal auch auf andere betroffene Apotheken im Bundesgebiet beziehen lässt, prüfte die FAZ-Redaktion anhand von Befragungen der Landesapothekerverbände, da aussagekräftige Daten zu den wirtschaftlichen Folgen aktuell nicht existierten. Demnach hat der Zahlungsausfall bislang keine Apotheke in die Insolvenz geführt – jedenfalls werde vonseiten der Landesapothekerverbände keine Schließung in Zusammenhang damit gebracht. Die Liquiditätsengpässe hätten die meisten Inhaber:innen mit Krediten der Hausbanken, Stundungen der Großhändler, eigenen Rücklagen und finanzieller Unterstützung der eigenen Familie bewältigen können. Auch das Engagement der Krankenkassen in Form von vorgezogenen Abschlagszahlungen wird thematisiert, sowie die Möglichkeit der betroffenen Apotheken, relativ unkompliziert zu anderen Rechenzentren zu wechseln.

Doch damit ist die Gefahr bekanntlich noch nicht vorüber: Die FAZ weist darauf hin, dass die Gelder auch zurückgezahlt werden müssten – zuzüglich Zinsen von zum Teil bis zu 8 Prozent. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe, in dessen Einzugsgebiet sich etwa 250 betroffene Apotheken befinden, beziffert den durchschnittlichen Verlust auf 220.000 Euro je Betrieb. Eine Apothekeninhaberin habe Lebensversicherung und Bausparvertrag auflösen müssen. Ein über-60-jähriger Inhaber baute Personal ab, reduzierte Zahlungen in die eigene Altersversorgung und nahm einen Kredit mit einer Laufzeit von über acht Jahren auf. Auch in Bayern, mit ungefähr 300 betroffenen Apotheken, ließen sich laut Bericht die Folgen nur schwer vorhersagen. Eigenmittel und Kredite seien auch dort das Mittel der Wahl.

341 bewilligte KfW-Kredite

Auch auf die von der Bundesregierung angebotenen Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geht der Artikel ein: Bis zum 21. Januar sollen 349 Anträge gestellt und 341 genehmigt worden sein. Das Kreditvolumen betrage 64 Millionen Euro. Eine beachtliche Entwicklung, denn bis Ende November war von lediglich 87 KfW-Krediten die Rede gewesen, die aus den Corona-Sonderprogrammen den Apotheken zugesagt werden konnten. Der Zeitungsartikel weist in einem Kommentar abschließend daraufhin, dass die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten seien und sich die meisten Apotheken wohl offenbar selbst helfen konnten. Ein staatlicher Rettungsschirm, der unmittelbar nach der Insolvenz von Vielen gefordert wurde, sei nicht notwendig gewesen. „Das sind gute Nachrichten, sie ermöglichen den Apotheken allerdings nicht mehr als eine Atempause“, so die Kommentatorin. Und sie weist darauf hin, dass „Apotheker in der Regel mit ihrem Privatvermögen haften“ und daher weiter um ihre Existenz bangen müssten.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Die absolute Untätigkeit der Verbände/Abda

von Hannes am 29.01.2021 um 7:41 Uhr

Die Apotheker helfen sich wie immer selber, da den Vorständen ihrer Verbände das Schicksal der Mitgliedsapotheken schlichtweg egal ist. Solange man als Vorstand nicht mit der eigenen Apotheke betroffen ist, sieht man keinen Handlungsbedarf.

Bestes Beispiel ist dafür der Bayerische Apothekerverband, der die geschädigten Apotheker sogar noch verspottet und auch dazu wieder schweigt. Absolut beschämend.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Die absolute Untätigkeit der Verbände/

von Dr.Diefenbach am 29.01.2021 um 10:02 Uhr

Mich interessiert WAS der Bayerische AV gesagt hat, getan bzw. NICHT getan hat.?Inwiefern hat man die KollegInnen verspottet?.Es wäre ja dann wohl eine Antwort des Herrn Dr.Hubmann geboten .!

AW: Die absolute Untätigkeit der Verbände/

von Hannes am 29.01.2021 um 11:06 Uhr

Es wurde sich über Mitglieder vom 2. BAV-Vorstand lustig gemacht, die sich verärgert an den Vorstand gewandt haben, weil ihre Anfragen nicht beantwortet wurden.

Des Weiteren forderte die bayerische Gesundheitsministerin Huml bereits in einem Gespräch am 09.10.2020 (!) Zahlen über die Betroffenheit der bay. Apotheken vom BAV und der BLAK an, die bis heute noch nicht an das Ministerium übersandt wurden.
Dies wurde sogar mittels eines offenen Briefes durch den Verbund Starke Apotheke an Dr. Hubmann und Frau Overwiening angesprochen, der leider bei der DAZ keine Berücksichtigung gefunden hat.

Ist alles nachzulesen bei Apotheke adhoc..

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