Kleine Anfrage

Ullmann (FDP): Antigentest-Preisverordnung hat „nur Schaden verursacht“

Berlin - 23.03.2021, 10:45 Uhr

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann zweifelt an der handwerklichen Qualität der Antigentest-Preisverordnung. (Foto: IMAGO / Future Image)

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann zweifelt an der handwerklichen Qualität der Antigentest-Preisverordnung. (Foto: IMAGO / Future Image)


Ganze 23 Tage lang galt Ende 2020 die Preisverordnung für SARS-CoV-2-Antigentests. Konnte sie in diesem Zeitraum ihren ursprünglich beabsichtigten Zweck erfüllen? Das wollte die FDP-Bundestagsfraktion in einer Kleinen Anfrage vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wissen. DAZ.online liegt die Antwort nun exklusiv vor.

Im Dezember 2020 war die sogenannte Antigentest-Preisverordnung (AntigenPreisV) in Kraft getreten. Darin hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für Apotheken und Großhändler einen Festzuschlag für die Abgabe dieser Tests festgelegt: 60 Cent je Test für Apotheken, 40 Cent für Händler, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Nur gut drei Wochen später hob das Ministerium die Verordnung wieder auf – Ziel erreicht, hieß es damals.

Die FDP-Fraktion im Bundestag wunderte sich über die kurze Geltungsdauer der Verordnung. Ihr Obmann im Gesundheitsausschuss, Andrew Ullmann, legte daraufhin dem BMG eine Kleine Anfrage dazu vor. Darin erkundigte sich der Abgeordnete nach den Hintergründen und der Sinnhaftigkeit der Regelung. DAZ.online hat nun exklusiv Einblick in die Antwort aus dem Ministerium.

Unter anderem wollten Ullmann und Kollegen wissen, auf welcher Datenbasis das BMG die Verordnung erlassen hat und weshalb es fixe Zuschläge für die Abgabe eines Produkts für nötig hielt, dessen Sachkosten durch die Cornavirus-Testverordnung mit einem festen Betrag erstattet wurden. „Die Hersteller von Antigentests haben gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mitgeteilt, dass sie einen Preis von 4 bis 5 Euro pro Test vorsehen“, schreibt die zuständige Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss dazu in der Antwort. „Auf Basis dessen wurde in der Testverordnung vorgesehen, dass Pflegeheime eine Vergütung für die Sachkosten in Höhe der entstandenen Beschaffungskosten, aber höchstens 7 Euro je Test, erhalten sollen.“

Ziel sollte es demnach sein, dass Pflegeheime die Kosten voll erstattet bekommen. „Das BMG erhielt vermehrt Hinweise, dass die Tests für höhere Preise angeboten wurden, sodass das Ziel einer breiten Anwendung in den Pflegeheimen durch die für diese nicht mehr gegebene Kostendeckung gefährdet war.“ Bei der Ausarbeitung der Preisverordnung für SARS-CoV-2 Antigen-Tests zur patientennahen Anwendung (AntigenPreisV) sei zudem „ökonomischer Sachverstand“ einbezogen worden.

Anders als die Apotheken sollten „Händler“ lediglich 40 Cent je Test erhalten. Aus welchem Grund wurden in der AntigenPreisV die Festzuschläge zwischen Apotheken und Händlern differenziert, wollten die Abgeordneten wissen? Das BMG antwortet: „Mit der Differenzierung des Zuschlags wurde berücksichtigt, dass aufgrund der heterogenen Handelsstrukturen größere Bestellungen einheitlicher Tests direkt beim jeweiligen Hersteller oder Großhandel erfolgen, die öffentlichen Apotheken mithin häufiger als andere Leistungserbringer als Lieferanten für Kleinmengen angefragt werden, deren Bereitstellung stückbezogen aufwendiger ist. Aufgrund der bei der Erstellung der Verordnung aktuellen Packungsgrößen mit 20, 25 und mehr Antigen-Tests zur patientennahen Anwendung ergab sich ein Festzuschlag von 8 Euro pro Packung mit 20 Antigen-Tests zur patientennahen Anwendung zuzüglich Umsatzsteuer, wenn die Abgabe direkt durch den Großhandel an den Leistungserbringer erfolgte. Bei der Abgabe über Großhandel und Apotheke ergab sich ein Festzuschlag von 20 Euro pro Packung mit 20 Antigen-Tests zuzüglich Umsatzsteuer.“

Welche Datenbasis nutzte das BMG?

Zudem erkundigt sich die FDP nach der Datenbasis, aufgrund derer das BMG tätig geworden war, und weshalb es nach lediglich 23 Tagen die Verordnung wieder aufhob. Auch der Nutzen, den das Ministerium während der Geltungsdauer verzeichnet hat, interessiert die Liberalen. Das Ministerium erklärt dazu, nach Inkrafttreten der Verordnung seien mehr als 100 Antigentests auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet worden, welche die durch das Paul-Ehrlich-Institut in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut festgelegten Mindestkriterien erfüllen und damit zum Einsatz gemäß Coronavirus-Testverordnung zur Verfügung standen. „Sowohl die inzwischen hohe Anzahl an Anbietern als auch die Sachkostenvergütung für Leistungserbringer sorgen für einen inzwischen funktionierenden Preis- und Qualitätswettbewerb und eine sichere Versorgung mit Antigen-Tests, sodass das Regelungsziel der AntigenPreisV erfüllt ist und ein Regelungsbedarf nicht mehr besteht. Diese Entwicklungen waren zum Zeitpunkt des Verfahrens über die AntigenPreisV nicht vorhersehbar.“

Wie hoch die durchschnittlichen Zuschläge, die von Händlern und Apotheken vor der Einführung der AntigenPreisV erhoben wurden, gewesen sind und wie hoch diese nach Außerkrafttreten der Verordnung waren, dazu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, ist in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu lesen. Am 17. Dezember 2020 fand demnach jedoch ein Gespräch zwischen der Fachebene des BMG und unter anderem dem Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Industrie (VDGH) statt. „In diesem Gespräch bestätigte sich der Eindruck, dass die AntigenPreisV eine Wirkung entfaltet, die vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigt war“, räumt das Ministerium ein. „Die anschließende rechtliche Bewertung führte zu der Entscheidung, die Verordnung aufzuheben.“

Was die Begrifflichkeiten in der Verordnung betrifft, hat die FDP ihre Zweifel, ob diese wirklich treffend gewesen sind. Sie möchte wissen, wie die Bundesregierung rückblickend die Benutzung von „Abgabepreis des Herstellers“ anstelle des aus ihrer Sicht klar definierten Begriffs „Herstellerabgabepreis“ bewertet. „Der Begriff ‚Herstellerabgabepreis‘ stammt aus dem Arzneimittelrecht und ist der Preis, zu dem das Arzneimittel vom pharmazeutischen Hersteller an den Pharmagroßhandel abgegeben wird“, erläutert das Ministerium dazu. Der Begriff des Herstellerabgabepreises sei dem Medizinprodukterecht unbekannt. „In Anlehnung an die Arzneimittelpreisverordnung, die selbst auch vom ‚Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers‘ spricht, wurde der Begriff ‚Abgabepreis des Herstellers‘ gewählt. Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen es aufgrund der Benutzung dieser Begrifflichkeit zu Problemen bei der Beschaffung von Antigen-Tests geführt hat.“

Ullmann stellt die Antwort auf seine Kleine Anfrage nicht zufrieden. „Diese Verordnung bleibt für mich weiter ein Mysterium“, teilt er gegenüber DAZ.online mit. „Auch das Gesundheitsministerium konnte meine Fragen nicht widerspruchsfrei beantworten. Die Einführung scheint nur auf Hören-Sagen geschehen zu sein. Daten liegen dem Ministerium schließlich nicht vor.“ Handwerkliche Fehler gebe das BMG zwar zu, leugne diese aber direkt wieder. „Die Fakten sprechen für sich, die Verordnung wurde sofort nach meiner Einzelfrage im Dezember außer Kraft gesetzt. Nicht die guten Marktentwicklungen, sondern die schlechte handwerkliche Arbeit der Bundesregierung haben die Verordnung außer Kraft gesetzt. Die Verordnung hat keine Probleme gelöst, sondern nur Schaden verursacht.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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