Mehr Kontrolle und Transparenz in der EU

Strengeres Fallbeil für Ausfuhren von COVID-19-Impfstoffen

Remagen - 26.03.2021, 09:15 Uhr

Am 25. März 2021 kamen 23.000 Dosen Pfizer-Impfstoff aus dem COVAX-Programm am Flughafen Sarajevo in Bosnien an. (Foto: IMAGO / Pixsell) 

Am 25. März 2021 kamen 23.000 Dosen Pfizer-Impfstoff aus dem COVAX-Programm am Flughafen Sarajevo in Bosnien an. (Foto: IMAGO / Pixsell) 


Zwar sind mittlerweile schon vier Corona-Impfstoffe zugelassen, aber wegen der immensen Nachfrage können die Hersteller den Bedarf aktuell bei weitem nicht decken. Obwohl die EU sich bereits große Kontingente gesichert hat, hakt es immer wieder mit den Lieferungen. Nun will die Kommission Exporte von COVID-19-Vakzinen noch gezielter begrenzen. So soll wenigstens das, was der EU zugesagt wurde, auch hier bleiben. 

Seit Anfang Februar sind in der EU Ausfuhren von COVID-19-Impfstoffen und Wirkstoffen in Drittländer genehmigungspflichtig. Die Regelung sollte zunächst nur für sechs Wochen gelten und nur für Exporte von Unternehmen, mit denen die EU Abnahmegarantien vereinbart hat. Damit sollte verhindert werden, dass das Impfstoffvolumen, das die Hersteller der EU zugesichert haben, gefährdet wird.

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Bisher hat die Kommission mit sechs Unternehmen Abnahmegarantien unterzeichnet (BioNtech-Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Janssen Pharmaceutica NV, Sanofi-GSK und CureVac) und damit Zugriff auf bis zu 2,6 Milliarden Dosen für die EU-Bürger:innen. Bestimmte ärmere Länder sind von der Exportgenehmigungspflicht ausgenommen, damit die Europäische Union ihren internationalen Verpflichtungen im Rahmen der Pandemiebekämpfung nachkommen kann.

Exportkontrolle so nicht sinnvoll

Per Verordnung vom 11. März war die Laufzeit der Exportregelung bereits bis Ende Juni 2021 verlängert worden, weil die Impfstofflieferungen in die EU sich verzögerten. Nun will die EU die Zügel noch weiter anziehen. Der Grund: Offenbar haben die Hersteller der Union große Mengen von Waren, die unter den Genehmigungsmechanismus fallen, in Länder ausgeführt, die selbst über eine eigene Produktionskapazität verfügen und die ihrerseits Ausfuhren in die Union beschränken. Außerdem hat sich gezeigt, dass entsprechende Exporte in Länder gingen, die zwar keine Herstellungskapazitäten haben, aber eine höhere Impfrate oder in denen die epidemiologische Situation weniger ernst ist als in der EU. Damit soll nun Schluss sein.

Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit

Mit einer neuen Durchführungsverordnung sollen befristet auf sechs Wochen zwei Änderungen am bestehenden Mechanismus vorgenommen werden: Zum einen sollen die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission bei Ausfuhren von COVID-19-Impfstoffen nicht nur prüfen, ob Hersteller ihre Lieferverträge mit der EU erfüllen. Untersucht werden soll zusätzlich, ob das Bestimmungsland selbst Ausfuhren beschränkt und wie dort die epidemiologische Lage, die Impfquote und die Impfstoffvorräte im Vergleich mit der EU sind. Auf diese Weise will die Kommission die Grundsätze der Gegenseitigkeit und der Verhältnismäßigkeit in den bestehenden Genehmigungsmechanismus integrieren. „Die EU ist stolz darauf, Impfstoffhersteller zu beherbergen, die nicht nur die Bürgerinnen und Bürger der EU beliefern, sondern auch weltweit exportieren“, kommentierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den strengeren Ansatz. „Freie Fahrt sollte aber in beide Richtungen gelten.“

Exportkontrollen jetzt auch für die Schweiz und Israel

Eine weitere Einschränkung betrifft den Katalog der Zielländer, die von der Exportgenehmigungspflicht ausgenommen sind. Zwar bleibt die EU weiter der internationalen Solidarität verpflichtet. Das heißt, Impfstofflieferungen, die für die humanitäre Hilfe oder für die 92 Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen auf der COVAX-Abnahmegarantie-Liste bestimmt sind, bleiben weiterhin genehmigungsfrei. 17 bislang ausgenommene Länder sollen nun jedoch nicht mehr dazu gehören, um ein vollständiges Bild des Impfstoffhandels erstellen zu können. Konkret betrifft dies unter anderem bestimmte Balkanländer und Kaukasus-Staaten, aber auch Norwegen, die Schweiz und Israel.

EU weltweit wichtigster Lieferant von COVID-19-Impfstoffen

„In Zeiten, in denen die Mitgliedstaaten mit der dritten Welle der Pandemie konfrontiert sind und nicht jedes Unternehmen vertragsgemäß liefert, ist die Europäische Union unter den OECD-Mitgliedern der einzige große Wirtschaftsraum, der weiterhin Impfstoffe im großen Maßstab in Dutzende Länder ausführt“, betonte von der Leyen bei der Vorstellung der Neuregelung. Konkret wurden nach Angaben der Kommission seit Einführung des Exportkontroll-Mechanismus 380 Ausfuhranträge über insgesamt rund 43 Millionen Dosen für 33 verschiedene Bestimmungsländer bewilligt. Nur einem Ausfuhrantrag wurde nicht stattgegeben. Zu den wichtigsten Zielländern zählen das Vereinigte Königreich (rund 10,9 Millionen Dosen), Kanada (6,6), Japan (5,4), Mexiko (4,4), Saudi-Arabien, Singapur und Chile (jeweils 1,5), Hongkong (1,3) sowie Korea und Australien (jeweils 1,0 Millionen).

Besonders UK und AstraZeneca unter dem Radar

Nach den neuen Kriterien dürften in erster Linie Großbritannien und der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca im Fokus der Kontrollen stehen, denn hier greifen alle beide. Laut Auskunft von Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis liefert die EU zwar tüchtig nach UK, aber von dort kommen keine Impfdosen in die EU. Außerdem ist auch die Impfrate höher als in den Mitgliedstaaten der Union. Für großen Unmut sorgten in den letzten Tagen Pressemeldungen, wonach AstraZeneca in einem Lager in Italien 29 Millionen Dosen seines Impfstoffs vorhält, obwohl das Unternehmen seine Lieferverpflichtungen gegenüber der EU bei Weitem nicht einhält. Nach einem Bericht der italienischen Zeitung „La Stampa“ soll der Vorrat für den Export nach Großbritannien bestimmt sein. Die italienische Regierung soll jedoch erklärt haben, dass die Lieferung nach Belgien gehen solle.

Auf dem gestrigen EU-Gipfel haben die Staats- und Regierungschefs Medienberichten zufolge der von der Kommission vorgeschlagenen verschärften Ausfuhrkontrolle für Corona-Impfstoffe zugestimmt. Exportbeschränkungen würden künftig wahrscheinlicher, wenn Unternehmen sich nicht an Abmachungen hielten, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zitiert.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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