Superfoods-Beratungswissen – Teil 10

Kombucha – der prickelnde Pilz

Stuttgart - 29.03.2021, 09:15 Uhr

Kombucha-Freunde beschreiben Kombucha als „zuckerarmes“, wenn nicht sogar zuckerfreies Getränk, weil der Pilz den anfangs zugefügten Zucker vollständig verstoffwechselt. (Foto: Mihai Blanaru / stock.adobe.com)

Kombucha-Freunde beschreiben Kombucha als „zuckerarmes“, wenn nicht sogar zuckerfreies Getränk, weil der Pilz den anfangs zugefügten Zucker vollständig verstoffwechselt. (Foto: Mihai Blanaru / stock.adobe.com)


Eine asiatische Herkunft und märchenhafte Heilversprechen – das prickelnde Kombucha-Getränk enthält alle „Zutaten“, die gutgläubige Verbraucher neugierig machen. Anhänger der Paleo-Diät glauben, dass Kombucha ihnen sogar ein echtes Steinzeit-Feeling vermitteln kann. Was ist dran am Superfood „Kombucha“ und seinem Zauber?

Es gibt eine „Kombucha-Bibel“ als „Pflichtlektüre für alle Kombucha-Freunde“ und Erfahrungsberichte darüber, „wie Kombucha dein Leben verändert“. Ähnlich einem „Frühjahrsputz“ soll Kombucha alle Schad- und Giftstoffe sowie Schwermetalle aus dem Körper „binden und entfernen“. Krankheitserreger sollen aus dem Körper „verdrängt“, der Darm komplett saniert werden. Natürlich soll Kombucha auch gegen Krebs und beim Abnehmen helfen, Schlaganfälle und Herzinfarkte verhindern und das Altern verzögern. Laut Erfahrungsberichten meistert der Kombucha-Konsument energiegeladen und motiviert seinen Alltag – ohne dass er ein Bedürfnis nach einem Nickerchen hat oder Coffein-haltige Getränke braucht. Kombucha sei „paleo-tauglich“, heißt es auf einem Portal für Paleo-Lifestyle, auch wenn man in der Steinzeit vermutlich noch keine fermentierten Lebensmittel kannte.

Der Überlebenskünstler

Der Teepilz, aus dem das Getränk entsteht, ist geheimnisumwittert: „Wo er wirklich herkommt, weiß niemand genau.“ Manche Quellen sagen, der koreanische Arzt Kombu habe den japanischen Kaiser damit geheilt, daher der Name Kombucha (japanisch für „Tee des Kombu“). Man liest aber auch, dass „Kombu“ das japanische Wort für „Braunalge“ ist und ein Algentee mit dem Namen Kombucha in Japan seit Jahrhunderten gebräuchlich ist. Von Ostasien aus soll der Teepilz über Russland auf verschlungenen Wegen nach Deutschland gelangt sein, wo man ihn zunächst „Heldenpilz“ taufte. Im 20. Jahrhundert geriet Kombucha durch die Weltkriege hierzulande in Vergessenheit, weil Pilz und Getränk für ihr Gedeihen Zucker brauchen und dieser in Kriegszeiten knapp war. Doch offenbar lebte der Teepilz im Verborgenen weiter und seine „Auferstehung“ folgte, sobald es wieder Zucker gab. Als „Lebenselixier“ und „Heilmittel für alle Krankheiten“ wurde er unter der Hand weitergereicht.

Ein Mix aus Bakterien und Hefen

Der sogenannte Tee- oder Kombuchapilz ist kein eigenständiger Pilz. Vielmehr handelt es sich um ein symbiotisches Gemisch aus verschiedenen Essigsäurebakterien sowie Hefepilzen aus der Gruppe der Schlauchpilze (Ascomycota). Die Hefen vermehren sich im Kombucha durch Sprossung und Spaltung, wobei eine gallertartige, wachsende Schicht entsteht. Das glibbrige Bakterien-Hefe-Gebilde wird von seinen Anhängern schon fast liebevoll „Scoby“ genannt. Die Buchstaben SCOBY stehen für „symbiotic culture of bacteria and yeast“ (yeast = Hefe). Im Internet gibt es Tipps für das Aufbewahren und die Pflege von Scoby, die den Eindruck erwecken, es handele sich um ein niedliches Haustier mit einem Kosenamen. Seit einigen Jahren wird der Kombuchapilz bzw. Scoby in Deutschland in Naturkostläden und Reformhäusern verkauft. Man kann auch im Internet ein „Starter-Kit“ für rund 50 Euro bestellen.

So entsteht das Getränk

Für die Herstellung des Kombucha-Getränks wird die Hefe-Bakterien-Kultur plus der Ansatzflüssigkeit, in der sie gekauft bzw. aufbewahrt wird, in ein großes Gefäß mit abgekühltem, reichlich gezuckertem Kräutertee, Grüntee oder schwarzem Tee gegossen. Das Gefäß wird mit einem Tuch, befestigt durch ein Gummiband, sorgfältig abgedeckt und mehrere Tage bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Die Hefe-Bakterien-Kultur beginnt nun, den Zucker durch alkoholische Gärung zu Kohlenstoffdioxid und Ethanol abzubauen, wobei sich auch Milchsäure und Gluconsäure bilden. Durch die Fermentierung entsteht nach mehreren Tagen ein fein moussierendes Getränk mit süßsaurem, gärigen Geschmack mit lebenden Mikroorganismen und einem Alkoholgehalt von 0,5 bis 2 Prozent.

Laut Erklärungsvideo im Internet bildet sich durch den Gärprozess aus der „Pilzmutter“ ein „Pilzkind“, das aufgrund der Gasbildung an die Oberfläche der Flüssigkeit steigt. Der sich neu bildende Pilz sollte immer in Kontakt mit der Flüssigkeit bleiben, um Schimmelanflug zu vermeiden. Das ständige Wachstum schenkt dieser symbiotischen Kultur ein endlos langes Leben. Es wird empfohlen, die „Pilzmutter“ zu entsorgen, wenn sie sich nach mehrfacher Verwendung dunkel verfärbt hat. Mit dem „Pilzkind“ geht der Gär- und Wachstumsprozess weiter: Man verwendet zehn Prozent des zuletzt hergestellten Getränks und füllt auf mit gezuckertem, frisch zubereiteten Tee.

Hygiene ist wichtig

Auch wenn der Kombucha-Pilz ein stabiles Durchhaltevermögen zeigt und das Kombucha-Getränk aufgrund seines sauren pH-Werts wenig anfällig ist für unerwünschte Kontaminationen – bei der Herstellung des Getränks ist Hygiene ebenso gefragt wie die Verwendung der richtigen Materialien. So werden Vergiftungserscheinungen durch Schwermetalle, insbesondere Blei, bei Kombucha-Konsumenten beschrieben, weil sie ihr Getränk monatelang in Keramikgefäßen produziert haben. Die Säure des Getränks hat nach und nach die Giftstoffe aus der Glasur des Gefäßes herausgelöst. Empfohlen werden daher vorzugsweise Glasbehälter.

Auch Sauberkeit ist wichtig, damit keine Schimmelpilze in den Ansatz gelangen. Gefäße und Hände sollten immer sorgfältig gereinigt werden, der Teeaufguss mit kochendem Wasser erfolgen. Eine von Schimmel befallene Kultur oder ein Pilz, der unangenehm riecht oder sich farblich stark verändert hat, sollte weggeworfen werden.

Zuckerarm, probiotisch und vitaminreich?

Kombucha-Freunde beschreiben Kombucha als „zuckerarmes“, wenn nicht sogar zuckerfreies Getränk, weil der Pilz den anfangs zugefügten Zucker vollständig verstoffwechselt. Das ist natürlich abhängig von der Gärdauer. Je länger der Gärprozess dauert, umso saurer und weniger wohlschmeckend wird das Getränk sein. Wenn das Kombucha-Getränk „lecker“ schmeckt, wird es meist noch recht zuckerhaltig sein.

Die handelsüblichen Kombucha-Getränke aus dem Supermarkt oder Naturkostladen enthalten so gut wie alle Zucker. Nach dem Gärprozess wird in der Regel noch Zuckersirup zur geschmacklichen Aufwertung hinzugefügt. Außerdem werden industriell hergestellte Kombucha-Getränke aus Haltbarkeitsgründen pasteurisiert, was lebende Mikroorganismen abtötet. Der Alkoholgehalt ist zwar gering, könnte aber für Menschen, die eine Alkoholkrankheit überwunden haben, gefährlich sein.

Selbst hergestellte Kombucha-Getränke lassen sich hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkungen mit anderen fermentierten Lebensmitteln vergleichen, zum Beispiel Sauermilchprodukten. Die darin befindlichen Mikroorganismen können sich möglicherweise positiv auf die Darmflora auswirken. Wissenschaftlich belegt sind leicht abführende und schwache antibakterielle Wirkungen, die von der in Kombucha-Getränken enthaltenen Essigsäure und Milchsäure ausgehen. Von Kombucha-Befürwortern angeführt wird der hohe Gehalt an B-Vitaminen, von dem vor allem Vegetarier und Veganer profitieren können, sowie an Vitamin C.

Gesundheitlich wertvoll?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellt fest, dass Werbeaussagen über therapeutische oder gesundheitsvorbeugende Wirkungen von Kombucha wissenschaftlich nicht nachgewiesen seien und es keine Untersuchungen zu probiotischen Eigenschaften der Kulturen gebe.

Beratungswissen

Superfood

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weist darauf hin, dass Kombucha zwar der Erfrischung diene und ein Durstlöscher sei, aber kein Heilmittel. Der Anteil an Zucker, Alkohol und Koffein könne sehr unterschiedlich ausfallen. Dem stolzen Verkaufspreis von bis zu 4 Euro und mehr pro Liter stehe jedoch ein fragwürdiger Nutzen gegenüber.



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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