Kommentar

Warum 6,58 Euro?

Süsel - 06.04.2021, 12:15 Uhr

Es gibt keinen Konsens zwischen der Politik und den Apothekern über die Methode, nach der die Kosten der Apotheke auf ein abgegebenes Arzneimittel umgelegt werden. (Foto: Wirestock / stock.adobe.com) 

Es gibt keinen Konsens zwischen der Politik und den Apothekern über die Methode, nach der die Kosten der Apotheke auf ein abgegebenes Arzneimittel umgelegt werden. (Foto: Wirestock / stock.adobe.com) 


Die vorläufige Vergütung der Apotheken für den Umgang mit Corona-Impfstoff in Höhe von 6,58 Euro lässt sich formal erklären. Tatsächlich werden in den Apotheken jedoch höhere Kosten entstehen. Bei der Bewertung des Arbeitsaufwandes werden die Apotheken leider mit einem alten ungelösten Problem zu kämpfen haben, fürchtet DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Die Apotheken sollen für ihre Arbeit im Umgang mit dem Corona-Impfstoff vorläufig 6,58 Euro pro Vial plus Mehrwertsteuer erhalten. Diese „krumme“ Zahl legt eine Vermutung nahe, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gerechnet haben könnte: Gemäß Arzneimittelpreisverordnung erhalten die Apotheken für jedes Rx-Fertigarzneimittel einen Festzuschlag von 8,35 Euro plus einen Zuschlag für den Notdienstfonds. Zieht man von den 8,35 Euro den Kassenabschlag von 1,77 Euro ab, ergibt dies 6,58 Euro. 

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Auf die Details kommt’s an

Wer genau hinsieht, erkennt allerdings, dass 8,35 Euro ein Nettobetrag und 1,77 Euro ein Bruttobetrag einschließlich Mehrwertsteuer ist. Bei sorgfältiger Rechnung ergeben sich also 6,86 Euro statt 6,58 Euro. Das Problem ist aber größer als diese Differenz von 28 Cent. Denn der ganze Ansatz wird dem Aufwand mit dem Corona-Impfstoff nicht gerecht.

Viel mehr Aufwand als für eine Durchschnittspackung

Eine wertbezogene, prozentuale Honorierungskomponente fehlt hier. Das erscheint plausibel, weil der Staat den Impfstoff bezahlt. Die Apotheke muss ihn nicht finanzieren und trägt kein finanzielles Risiko. 

Foto: IMAGO / Antonio Balasco

Das Problem des Rechenansatzes liegt an einer anderen Stelle: Das übliche packungsbezogene Honorar bezieht sich naturgemäß auf eine Packung mit durchschnittlichem Aufwand. Die Mühe im Umgang mit Comirnaty wird dagegen viel größer sein als bei einem durchschnittlichen Rx-Arzneimittel. Denn Comirnaty erfordert einen eigenen Bestellablauf und einen eigenen Vorgang im Wareneingang mit eigener Dokumentation, es ist kühlkettenpflichtig und extrem empfindlich, und es muss zu einem bestimmten Zeitpunkt persönlich an die Arztpraxis geliefert werden. Hinzu kommt der Aufwand für die zusätzliche Kommunikation mit der Arztpraxis und für die Kontingentierung. Gegenüber einem „normalen“ Arzneimittel entfällt zwar die Beratung des Patienten bei der Abgabe, aber der Mehraufwand an anderer Stelle wird erheblich größer sein.

Kostenverrechnung seit Jahren ungeklärt

Die ABDA wird daher gut nachweisen können, dass der Corona-Impfstoff in Apotheken mehr Mühe bereitet als ein durchschnittliches Rx-Fertigarzneimittel. Der geplanten möglichen Anpassung des Honorars durch das BMG könnten die Apotheker daher erwartungsvoll entgegensehen und sich auf einen Nachschlag beim Honorar für Comirnaty freuen – wäre da nicht ein uraltes Problem: Es gibt keinen Konsens zwischen der Politik und den Apothekern über die Methode, nach der die Kosten der Apotheke auf ein abgegebenes Arzneimittel umgelegt werden.

Rechenfehler, falsche Bezugsgrößen und widersprüchliche Aussagen nachgewiesen

2HM-Gutachten fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen

Bei der Einführung des Festzuschlags im Jahr 2004 wurde kein genauer Anpassungsmechanismus festgelegt. Die Methode zur Berechnung der Honoraranpassung von 2013 ist bis heute umstritten. Das Gutachten der Agentur 2hm im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, das im Dezember 2017 vorgelegt wurde, benutzt einen höchst problematischen Verrechnungsmodus für die Fixkosten der Apotheke. Der Verfasser dieses Kommentars hat ein Buch zu dieser Frage herausgegeben („Neue Wege zur Apothekenhonorierung“, Deutscher Apotheker Verlag 2018). Doch die ABDA hat den Streit über dieses Verfahren nie geführt und wollte ihn offenbar aussitzen. Darum konnte der Festzuschlag von 8,35 Euro seit 2013 nicht angepasst werden, und darum fehlt nun ein Konsens zur Kostenverrechnung. 

Eine solche Verrechnung wird aber nötig sein. Denn ein Honorar, das nur die Teilkosten für das Personal deckt, wäre nicht akzeptabel. Der Umgang mit dem Impfstoff erfordert komplette Apotheken mit ihrer ganzen Infrastruktur, einschließlich Kühlschrank und IT-Ausstattung. Darum muss Comirnaty wie jedes andere Arzneimittel seinen Beitrag zur Deckung der Gemeinkosten und einen Gewinnzuschlag liefern. Doch wie die Gemeinkosten auf ein Arzneimittel umgelegt werden, ist seit vielen Jahren umstritten. Das macht uns Comirnaty nun wieder einmal bewusst.

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Buchtipp

2018 | Deutscher Apotheker Verlag | VIII, 190 S., 6 farb. Abb., 13 farb. Tab., 17,0 x 24,0 cm | Kartoniert

Thomas Müller-Bohn (Hrsg.)

Neue Wege zur Apothekenhonorierung

Kritik und Alternativen zum Honorargutachten

Die Apothekenhonorierung ist zu einem Politikum geworden. Schon 2004 wurde die Vergütung weitgehend vom Preis der verschreibungspflichtigen Arzneimittel abgekoppelt, aber eine zuverlässige Methode zur Anpassung des Honorars an steigende Kosten fehlt noch immer. Seitdem 2016 die Preisbindung für ausländische Versandapotheken aufgehoben wurde, interessiert sich auch die Politik verstärkt für dieses Thema. Ein im Dezember 2017 veröffentlichtes Gutachten hat die Diskussion weiter angeheizt. Darin werden massive Kürzungen der Apothekenhonorierung empfohlen.

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Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Honorarbasis aus der Antike!

von Thomas Eper am 06.04.2021 um 12:54 Uhr

Als Basis der Honorarkalkulation dient das Apothekenhonorar aus 2004 + 3% (2012).

Unglaublich!

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