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Neuer Hoffnungsträger Budesonid
Hilft ein Asthmaspray gegen Verschlimmerung von COVID-19?
Aktuell sorgt eine Studie mit dem Asthmamittel Budesonid in den Medien für großes Aufsehen. Hiernach soll dieses bei COVID-19 im Frühstadium helfen, Verschlechterungen zu vermeiden, die zu Notfallbehandlungen und Klinikaufenthalten führen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnet das Medikament angesichts dessen als „Game Changer“. Expert:innen halten die Evidenz aber noch für zu dünn, um eine breite Anwendung zu empfehlen.
Bislang waren alle Bemühungen, bereits zugelassene Arzneimittel für den Einsatz gegen COVID-19 umzuwidmen, von wenig Erfolg gekrönt. Nun weckt ein gängiges Asthmamittel neue Hoffnungen. In einer offenen, randomisierten, kontrollierten Phase-II-Studie hat inhaliertes Budesonid bei der Behandlung von frühem COVID-19 eine beeindruckende Wirkung gezeigt. Die Ergebnisse der STOIC-Studie (Steroids in COVID-19 Study) (NCT04416399) wurden jetzt nach abgeschlossenem Peer-Review-Verfahren in „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht. Bereits im Februar waren sie auf dem Preprint-Server medRixv erschienen.
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Die Studie wurde von der Universität Oxford durchgeführt und vom „National Institute for Health Research“ (NIHR) sowie von AstraZeneca, Göteborg, laut Angaben der Forscher:innen ohne Einflussnahme auf die Durchführung finanziert. Sie untersuchten die Gabe von inhaliertem Budesonid bei Erwachsenen mit milden COVID-19-Symptomen im Vergleich mit der üblichen Versorgung.
Die Anregung zu der Studie hatten die Wissenschaftler:innen aus früheren Berichten abgeleitet, wonach Patient:innen mit chronischen Atemwegserkrankungen unter denjenigen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, deutlich unterrepräsentiert waren. Sie vermuteten, dass dies auf die weit verbreitete Verwendung von inhalierten Glucocorticoiden bei diesen Patient:innen zurückzuführen sein könnte.
Was wurde genau geprüft?
Die 146 Studienteilnehmer:innen wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 dem inhalierten Budesonid oder der üblichen Versorgung zugewiesen. Das Glucocorticoid wurde mit einem Turbohaler (Pulmicort Turbohaler AstraZeneca) in einer Dosis von 400 μg* pro Sprühstoß verabreicht. Die Standard-Versorgung umfasste fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente (Paracetamol, Acteylsalicylsäure, Ibuprofen) sowie Honig gegen den Husten. Die Teilnehmer:innen hatten vor Aufnahme in die Studie im Schnitt drei Tage COVID-19-Symptome. Sie wurden gebeten, zweimal täglich zwei Inhalationen bis zur Symptomauflösung zu nehmen und mit der Behandlung aufzuhören, wenn sie das Gefühl hatten, sich erholt zu haben.
Der primäre Endpunkt der Studie war eine Verschlechterung des Zustands, die einen Besuch in einer Notaufnahme, eine Notfallbehandlung oder die Einlieferung ins Krankenhaus notwendig machten. Sekundäre Endpunkte waren die Zeit bis zur selbst gemeldeten klinischen Erholung (Symptomauflösung), virale Symptome, die mit dem „Common Cold Questionnare“ (CCQ) und dem „InFLUenza Patient Reported Outcome Questionnaire“ (FLUPro) gemessen wurden, die Körpertemperatur, die Blutsauerstoffsättigung und die SARS-CoV-2 Viruslast.
90-prozentige Risikoreduktion
Jede:r Teilnehmer:in erhielt ein Symptomtagebuch, ein kalibriertes Pulsoximeter und ein Thermometer für die tägliche Heimüberwachung. Alle Teilnehmer:innen wurden täglich telefonisch kontaktiert, um die Sauerstoffsättigung und die Temperatur aufzuzeichnen. Am 28. Tag wurden alle Studienteilnehmer:innen noch einmal abschließend untersucht. Der primäre Endpunkt wurde sowohl für die Per-Protokoll (PP)-als auch für die Intention-to-treat-(ITT)-Population analysiert.
In der Per-Protokoll-Population (139 Teilnehmer:innen) erreichten in der Kontrollgruppe zehn von 70 (14 Prozent) den primären Endpunkt gegenüber nur einem von 69 in der Budesonid-Gruppe (1 Prozent). Dieser Unterschied entspricht einer Risikominimierung für schwere COVID-19-Verläufe um 90 Prozent. In der ITT-Population brauchten elf Teilnehmer:inen (15 Prozent) wegen der Verschlechterung ihres Zustands eine Notfallkonsultation oder einen Krankenhausaufenthalt gegenüber zwei (3 Prozent) in der Budesonid-Gruppe. Die Zahl der Patient:innen, die benötigt wurde, um mit inhaliertem Budesonid eine COVID-19-bezogene Notfallversorgung oder Hospitalisierung zu reduzieren (Number Needed to Treat), betrug acht.
Weniger Fieber und Antipyretika
Die Zeit bis zur klinischen Genesung war in der Budesonid-Gruppe ebenfalls kürzer als in der Kontrollgruppe (Median sieben Tage vs. acht Tage). Und auch auf die Anteile der Fiebertage in den Gruppen in den ersten 14 Tagen wirkte sich das Glucocorticoid positiv aus (2 Prozent in der Budesonid-Gruppe vs. 8 Prozent in der Kontrollgruppe). Während in der Vergleichsgruppe 16 Personen mindestens einen Tag lang Fieber hatten, waren es mit Budesonid nur acht. Dies schlug sich auch auf die Gesamt-Anteile der Tage nieder, an denen die COVID-19-Patient:innen Antipyretika benötigten (27 Prozent unter Budesonid vs. 50 Prozent in der Vergleichsgruppe). Außerdem hatten unter den Budesonid-Patient:innen an den Tagen 14 und 28 deutlich weniger anhaltende Symptome.
Kein Unterschied zwischen beiden Gruppen zeigte sich dagegen hinsichtlich der Sauerstoffsättigung im Blut und der Viruslast.
So wirksam wie COVID-19-Impfstoffe?
Die Forscher:innen leiten aus den Studienergebnissen den Schluss ab, dass die frühe Verabreichung von inhaliertem Budesonid die Wahrscheinlichkeit verringert, medizinische Notfall-Versorgung zu benötigen, und dass es außerdem die Zeit bis zur Genesung nach COVID-19 im Frühstadium verkürzt. Mit einer relativen Reduktion der klinischen Verschlechterung von 91 Prozent (ITT-Population) entspricht dieser Effekt aus ihrer Sicht der Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen. Und gegenüber diesen hätte inhaliertes Budesonid ihrer Meinung nach den Vorteil, dass die Wirksamkeit wahrscheinlich nicht durch die SARS-CoV-2-Varianten beeinträchtigt wird.
Noch mehr Evidenz gefordert
Als Schwächen ihrer Studie führen die Autor:innen an, dass sie offen war und dass sie aufgrund der Auswirkungen der nationalen Pandemie-Kontrollmaßnahmen und der Priorisierungsregeln für klinische Forschungsversuche in Großbritannien vorzeitig eingestellt werden musste. Eine unabhängige statistische Überprüfung sei allerdings zu dem Schluss gekommen, dass sich das Studienergebnis mit der Einschreibung weiterer Teilnehmer:innen nicht ändern würde.
Auf jeden Fall erforderten ihre Befunde eine „dringende Validierung“ stellen die Wissenschaftler:innen abschließend fest. Sie verweisen hierzu auf mehrere offene Studien, die derzeit für die Rekrutierung offen sind und die Rolle von inhaliertem Budesonid bei COVID-19-Infektionen untersuchen (ISRCTN86534580, NCT04355637, NCT04331054).
Expert:innen beurteilen die Ergebnisse der STOIC-Studie hierzulande als vielversprechend und sehen darin große Chancen, reklamieren jedoch ebenfalls weitere Evidenz aus breiter angelegten Untersuchungen. Ein verfrühter breiter Einsatz scheint demnach keineswegs angebracht zu sein.
*Der Text wurde zuletzt am 19.04.2021 um 16:50 Uhr geändert.
5 Kommentare
Artikel zu Budenosid Studie
von Dr. Christoph Mauz am 19.04.2021 um 13:50 Uhr
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AW: Artikel zu Budenosid Studie
von Redaktion DAZ.online am 19.04.2021 um 16:55 Uhr
Keine Power in der Studie
von Christoph Kaiser am 18.04.2021 um 16:09 Uhr
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Asthmaspray gegen Verschlimmerung von COVID-19
von Alexander K. am 16.04.2021 um 10:40 Uhr
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von Stephan Garrecht am 14.04.2021 um 11:48 Uhr
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