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Vier Grad machen den Unterschied
Warum sich SARS-CoV-2 in den oberen Atemwegen besser vermehrt
Temperatur als Schlüsselfaktor
Um besser zu verstehen, warum zwei so ähnliche Viren zu so unterschiedlichen Krankheitsbildern führen können, haben Forschende des Instituts für Infektionskrankheiten (IFIK) der Universität Bern und des eidgenössischen Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) ihr Vermehrungsverhalten an speziellen Kulturen von menschlichen Atemwegsepithelzelle (hAEC) untersucht. Das Labor-Modell ahmt die Komplexität der Zellen im Atemtrakt nach. Sie wachsen in speziellen Behältern, in denen sie von der Unterseite ernährt und auf der Oberseite der Luft ausgesetzt werden. Dies simuliert die Verhältnisse in der menschlichen Luftröhre. Wie die echte Luftröhre produzieren die Zellkulturen auch Schleim und haben Flimmerhärchen, die sich sehr schnell bewegen.
Bei ihren Untersuchungen haben die Wissenschaftler:innen speziell den Faktor „Temperatur“ näher unter die Lupe genommen. Ihre Ergebnisse, die sie in „PLOS Biology“ veröffentlicht haben, zeigen, dass die Temperaturverhältnisse in den Atemwegen tatsächlich eine wichtige Rolle für die Vermehrung von SARS-CoV und SARS-CoV-2 spielen.
Zu schwache, aber auch überschießende Immunantwort möglich
So vermehrte sich SARS-CoV-2 bei einer Inkubationstemperatur von 33 °C, wie sie typischerweise in den oberen Atemwegen herrscht, schneller und führte zu höheren Titern als bei 37 °C, der Temperatur in den unteren Atemwegen. Sie vermuten, dass dabei die unterschiedliche Immunantwort eine wesentliche Rolle spielen könnte.
Bei 33 °C wurde die angeborene Immunantwort durch die Epithelzellen in der Luftröhre durch die Infektion mit SARS-CoV-2 nicht so stark stimuliert wie bei der Nachahmung der Bedingungen in den unteren Atemwegen (37 °C). „Da die Stärke der Immunantwort den Grad der Virusvermehrung direkt beeinflussen kann, könnte dies erklären, warum sich SARS-CoV-2 bei niedrigeren Temperaturen effizienter ausbreitet“, erläutert Ronald Dijkman vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern.
Dass das Virus in den unteren Atemwegen durch die angeborene Immunantwort offenbar effizienter bekämpft wird, ist an und für sich ein erwünschter Effekt. Dort kann es aber auch zu einer überschießenden angeborenen Immunreaktion kommen, die sich wiederum nachteilig auf eine infizierte Person auswirkt. Denn hohe Entzündungswerte lösen Gewebeschäden aus und können das Fortschreiten der Krankheit beschleunigen, ein Phänomen, das bei schwerem COVID-19 zu beobachten ist.
Einblicke in den molekularen Kampf zwischen Virus und Wirt
Das Wissenschaftler-Team analysierte auch, welche Gene nach einer Infektion mit SARS-CoV und SARS-CoV-2 ein- und ausgeschaltet werden, um zu verstehen, wie Zellen des menschlichen Atemtrakts auf eine Infektion reagieren und welche angeborenen Immunprogramme dabei jeweils aktiviert werden. „Unser System bietet Einblicke in den molekularen Kampf, der während einer Infektion zwischen Virus und Wirt stattfindet, und unterstreicht die Bedeutung subtiler Veränderungen in der Mikroumgebung zwischen Virus und Wirt, welche die Virusvermehrung beeinflussen können“, fasst Dijkman die neuen Ergebnisse zusammen.
Die Forscher aus Bern hoffen, dass ihre Befunde neue Möglichkeiten für gezielte präventive Maßnahmen oder die Entwicklung neuartiger pharmazeutischer Wirkstoffe zur Bekämpfung von Coronavirus-Infektionen eröffnen.
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