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Patentaussetzung bei COVID-19-Impfstoffen
Nur ein vorübergehender „Sturm im Wasserglas“?
Innovationsbremse und Fälschungsfalle?
Die forschenden Pharma-Unternehmen, die sich in Deutschland im vfa zusammengeschlossen haben, lehnen die Aufhebung des Patentschutzes kategorisch ab. Sie begründen dies damit, dass dies die Forschung behindere und das Problem der noch fehlenden Produktionskapazitäten verschärfe. Eine Aufhebung des Patentschutzes würde aus der Sicht der Unternehmen nicht dafür sorgen, „dass auch nur eine einzige Dosis Impfstoff schneller zur Verfügung steht“. Sie befürchten eher das Gegenteil, nämlich, dass Originalhersteller keinen Anreiz mehr hätten, sich an einer schnellstmöglichen weltweiten Versorgung mit Impfstoffen zu beteiligen. Außerdem lasse sich eine Impfstoff-Produktionsstätte nicht über Nacht auf der grünen Wiese errichten und die vor Ort benötigte Expertise der Fachkräfte, Kühlgeräte und hochtechnologische Bestandteile für die Herstellung des Serums seien nur begrenzt verfügbar. Branchenverbände befürchten außerdem, dass eine Patentaussetzung ohne Zugang zu sämtlichem Know-how zu Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsproblemen und möglicherweise sogar zu Fälschungen führen könnte.
„Symbolpolitik statt Hilfe in der Not“
„Zur Überwindung der Pandemie bringen Patentfreigaben gar nichts“, konstatiert vfa-Präsident Han Steutel. Er ist überzeugt, dass die jetzigen Hersteller im nächsten Jahr nach heutigem Planungsstand mehr Impfstoff-Dosen produzieren, als die Weltbevölkerung benötigt. Patentfreigaben wären für ihn „reine Symbolpolitik statt Hilfe in der Not“. Der vfa-Präsident appelliert stattdessen dringend an die Länder, die Belieferung von Herstellern mit den benötigten Zutaten, Geräten und Ersatzteilen nicht länger durch Exportverbote zu blockieren. Außerdem sollte es allen Ländern mit eigenen Produktionsstätten gestattet werden, dass dort produzierte Impfstoffe auch über das COVAX-(COVID-19 Vaccines Global Access) Programm der WHO an arme Länder geliefert werden.
Entscheidungsträger WTO
Die Welthandelsorganisation WTO ist für die Fragestellung von zentraler Bedeutung, da sie die ultimative Autorität für die Rechte an geistigem Eigentum und für den internationalen Handel darstellt. Dennoch wäre eine einstimmige Zustimmung der Länder erforderlich, damit die Maßnahme verabschiedet werden kann. Die Aufhebung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe würde komplizierte und zeitaufwendige Verhandlungen erfordern, ohne zu wissen, ob die vorübergehende Aussetzung angesichts des zeit- und resourcenaufwendigen Aufbaus neuer Produktionskapazitäten tatsächlich etwas bringen würde.
Ausweg über Lizenzen?
Die Pharmaindustrie präferiert ein Lizenzierungssystem, das ihrer Ansicht nach bereits sehr gut umgesetzt wird. Als Beispiele werden in Presseberichten der Vertrag von AstraZeneca mit dem weltweit größten Impfstoffhersteller, dem indischen Serum Institute, und von Johnson & Johnson mit Aspen Pharmacare aus Südafrika angeführt. Eine Lizenzvereinbarung ist größtenteils freiwillig und besagt, dass ein Impfstoffentwickler nicht nur Patente, sondern auch die Technologie und das vollständige Know-how mit einem Hersteller teilt. Ein Patentverzicht hingegen zwingt einen Impfstoffentwickler dazu, die Rezeptur seines Impfstoffs offenzulegen.
Eine vorübergehende IP-Erleichterung durch die WTO würde bedeuten, dass jedes Unternehmen, das COVID-19-Impfstoffe herstellen möchte, dies tun kann, ohne Lizenzgebühren an Impfstoffentwickler zahlen zu müssen und ohne sich Sorgen machen zu müssen, wegen Patentverletzung verklagt zu werden. Zwar können den Impfstoffherstellern nach dem WTO-System Zwangslizenzen auferlegt werden, die sie dazu zwingen, ihr Know-how zu teilen und den Produktionsprozess zu überwachen, aber die Pharmaunternehmen müssten dann dafür entschädigt werden.
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