Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

30.05.2021, 07:45 Uhr

Es geht voran mit den Impfungen, aber es gibt auch Verdruss und Ärger. Ein Lichtblick in dieser Woche: Das Makelverbot für E-Rezept und E-Token ist im Kasten. (Foto: Alex Schelbert)

Es geht voran mit den Impfungen, aber es gibt auch Verdruss und Ärger. Ein Lichtblick in dieser Woche: Das Makelverbot für E-Rezept und E-Token ist im Kasten. (Foto: Alex Schelbert)


Lockerungen der Bundesnotbremse sind in Sicht. Kein Wunder, es wird geimpft, in Impfzentren, in Arzt- und Betriebsarztpraxen. Und sogar einen Impfmarathon gibt es. Die Impfstofflieferungen von den Apotheken an die Praxen laufen – auch wenn die Apotheken bei dieser Aufgabe „dramatisch unterfinanziert“ sind – laut ABDA-Berechnungen müsste die Vergütung rund dreimal so hoch sein. Verdruss auch bei den Pharma-Privat-Großhändlern: Das BMG schließt sie von den Impfstofflieferungen an Betriebsarztpraxen aus – das kann man nicht verstehen. Ein Lichtblick: Das dritte Digitalisierungsgesetz kommt und mit ihm ein Makelverbot für E-Rezepte und E-Token. Sicher! 

25. Mai 2021

Immer wieder erstaunlich, was man auf die Beine stellen kann, wenn, ja wenn man Ideen hat, wenn man gut vernetzt ist und vor allem, wenn man will. Apotheker Dr. Björn Schittenhelm ist so ein Apotheker, auf den dies wohl zutrifft. Der Pharmazeut aus Holzgerlingen im Landkreis Böblingen, unweit von Stuttgart, gehört zu den ersten Apothekerinnen und Apothekern im Land, die ein Schnelltestzentrum organisierten. Bereits Ende Dezember 2020 führte er professionelle Nasen-Rachen-Abstriche durch. Mittlerweile hat er sogar mehrere solcher Zentren ins Leben gerufen bzw. konnte Starthilfe für andere Kolleginnen und Kollegen geben, die solche Testzentren aufgebaut haben. Bundesweit bekannt wurde Schittenhelm, als er zusammen mit seinem zuständigen Landrat eine Teststrategie für seinen Heimatkreis entwickelt und dazu beiträgt, dass der Landkreis Böblingen mit niedrigen Inzidenzen glänzen kann. Für das Böblinger Modell und Schittenhelm interessierten sich sogar Spiegel, Stern und das Fernsehen. Mitte Mai ist Schittenhelm wieder mit einer neuen Aktion in der Pandemiebekämpfung engagiert: als Mitorganisator eines „Impfmarathons“. Dieses Mal rufen Schittenhelms Gemeinderatskollege Dr. Failenschmid, der als Arzt im Kreisimpfzentrum arbeitet, Apotheker Schittenhelm und der Holzgerlinger Bürgermeister Ionannis Delakos gemeinsam zu einem Impfmarathon auf: Es wird ein voller Erfolg. Mit rund 250 Helfern, u. a. vom Deutschen Roten Kreuz, mit 17 Hausärzten aus fünf Praxen und mit Apotheker Schittenhelm, der die digitale Terminvergabe bereitstellt und bei der Impfstoffbeschaffung mithilft, werden bei diesem Marathon 4802 Impfungen in 20 Stunden durchgeführt. Bei der Organisation der Impfstoffe fügt es sich, dass ein Großhändler 400 Dosen anbietet, die bisher keiner abgerufen hat und Ende des Monats verfallen wären. Mein liebes Tagebuch, schon klar, solche tollen Aktionen sind natürlich nicht überall möglich, da muss sich einiges zusammenfinden und zusammenpassen, aber man muss solche Gelegenheiten auch erkennen, sie dann nutzen – und machen. Und das hat die Holzgerlinger Crew beim Impfmarathon hervorragend gemeistert. Mitte Juli gibt es dann die Fortsetzung bei der Zweitimpfung.

 

COVID-19-Impfstoff-Bestellungen für Betriebsärzte sollen nur über die vier großen Großhändler erfolgen können: Noweda, Sanacorp, Gehe und Phoenix, ließ das Bundesgesundheitsministerium wissen. Der Grund: Das betriebsärztliche System sei anders organisiert als das vertragsärztliche und daher sei bei den Großhandlungen eine bundesweite Vertriebsstruktur notwendig. Das bedeutet: Alle anderen Großhandlungen sind bei der Versorgung der Betriebsarztpraxen außen vor, also z. B. alle sechs Großhandlungen, die in der Pharma-Privat-Kooperation (Otto Geilenkirchen, Kehr, Max Jenne, Krieger und Hageda Stumpf) zusammenarbeiten, ebenso AEP als Nicht-Phagro-Mitglied. Für Pharma Privat ist das nicht nachvollziehbar. Und, mein liebes Tagebuch, vollkommen zurecht. Wie Pharma Privat in einer Pressemitteilung erklärt, seien diese sechs Großhandlungen in kürzester Zeit in der Lage gewesen, auch die ultra-tiefgekühlten Impfstoffe in die Apotheke zu bringen. Ja, es ist wirklich nicht zu verstehen, warum diese Großhandlungen nun ausgeschlossen sein sollen, warum für Betriebsärzte nur bei Großhändlern bestellt werden darf, die bundesweit tätig sind. Wie von Pharma Privat zu hören war, gibt man sich mit dieser Regelung nicht zufrieden, man hoffe, „dass diese unsinnige und diskriminierende Regelung bald herausgenommen wird, denn Betriebsärzte haben zu einem extrem hohen Prozentsatz regionale Strukturen.“ Mein liebes Tagebuch, wo der tiefe Sinn der BMG-Anordnung liegt, bleibt im Verborgenen.

26. Mai 2021

Mein liebes Tagebuch, da hat sie gut gerechnet, unsere liebe ABDA, und ist auf einen Betrag von 18,08 Euro pro Vial COVID-19-Impfstoff gekommen. Im Vergleich zu den bisherigen 6,58 Euro pro Vial ist also fast eine Verdreifachung der Vergütung notwendig, damit die Apotheken nicht drauflegen und auf ihre Kosten kommen. Dieses Rechenergebnis hat die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf für eine angepasste Coronavirus-Impfverordnung bereits ans Bundesgesundheitsministerium geschickt. Laut Impfverordnung ist eine Anpassung der Vergütung nämlich durchaus möglich und zwar aufgrund einer Aufstellung der den Apotheken tatsächlich entstandenen Kosten. Und die sind, wie gezeigt wurde, um einiges höher. Wie sagte doch vor Kurzem unsere Präsidentin in einem WDR 5-Radio-Interview: Die Apotheken seien in diesem Punkt, also bei der Beschaffung und Verteilung der Vials, „dramatisch unterfinanziert“. Und so steht in der ABDA-Stellungnahme auch: „Wir fordern eine dementsprechende Anpassung der Höhe der Vergütung und einen Ausgleich der Unterdeckung aus der Vergangenheit.“ Außerdem müsse dann auch die Vergütung für die Impfstofflieferungen an die Betriebsärzte entsprechend angepasst werden, wobei eine Staffelung hier durchaus akzeptiert wird. Und nun? Wie geht das Haus Spahn mit dieser Rechnung und dieser Forderung um? Vermutlich wird es nicht ausreichen, einfach eine Stellungnahme ans BMG zu schicken – jetzt beginnt die harte politische Arbeit. Eine dramatische Unterfinanzierung können wird nicht dulden. Immerhin, die ABDA kritisiert nicht nur. An der vorgesehenen Vergütung für Apotheken (18 Euro) fürs Ausstellen der digitalen Impfzertifikate hat sie nichts auszusetzen. 

27. Mai 2021

Ob es noch für diesen Sommerurlaub reicht, ist offen. Immerhin, für den geplanten digitalen COVID-19-Impfnachweis startet jetzt in einem Potsdamer Impfzentrum ein bundesweiter Testlauf. Dieser kontrollierte Feldtest soll dann auf Impfzentren in weiteren Bundesländern und Arztpraxen erweitert werden. Mein liebes Tagebuch, das lässt sich doch erstmal gut an. Immerhin ist es nicht ohne, was hier an Technik im Hintergrund abläuft. Das Impfzertifikat in Form eines QR-Code soll dann zum Beispiel über die CovPass-App oder die Corona-Warn-App digital oder alternativ als maschinenlesbarer Ausdruck genutzt werden. Und Dienstleister, die den Impfstatus überprüfen möchten, benötigen eine Prüf-App, mit der dieser QR-Code-gescannt und das Impfzertifikat verifiziert wird. Und ja, mein liebes Tagebuch, unsere Apotheken sind hier mit eingebunden: Sie dürfen die gelben Impfbücher überprüfen und dann die Digitalisierung in die Wege leiten. Gottfried Ludewig, Leiter der Abteilung „Digitalisierung und Innovation“ im BMG, ist da übrigens ganz zuversichtlich: Er befürchtet nicht, dass massenhaft gefälschte Impfausweise in gültige digitale Zertifikate umgewandelt werden. Er ist davon überzeugt: „Apotheken überprüfen jeden Tag Rezepte, die unterschrieben werden, und sind auch in der Lage, die (Impf-)Dokumente auf Echtheit zu überprüfen.“ So sehen wir das auch, mein liebes Tagebuch.

28. Mai 2021

Aller guten Dinge sind drei, hoffentlich: Spahns drittes Digitalisierungsgesetz steht kurz vor der Verkündung. Nach dem mit dem ersten Digitalisierungsgesetz, genannt Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG), und dem zweiten, genannt Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), die Grundstrukturen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen (z. B. Telematikinfrastrukur, E-Rezept, elektronische Patientenakte) gelegt wurden, kommen nun mit dem dritten Digitalisierungsgesetz (Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege) noch einige Regelungen hinzu: zum einen für die Pflege, zum andern sind es aber auch Regelungen für den Apothekenbereich. Und hier ganz wichtig: Das Gesetz stellt klar, dass das Zuweisungs- und Makelverbot für E-Rezepte auch für die elektronischen Zugangsdaten (E-Token) gilt, die für den Zugriff auf die Verordnungsdaten und die Einlösung der E-Rezepte benötigt werden. Die ABDA hatte dafür lange gekämpft – mit Erfolg. Ohne dieses Makelverbot für E-Token hätte es nicht gut ausgesehen fürs E-Rezept und für unsere Vor-Ort-Apotheke. Was außerdem mit diesem dritten Digitalisierungsgesetz kommt: Ab dem 1. Juli 2023 wird der elektronische Medikationsplan nicht mehr auf der Gesundheitskarte gespeichert, sondern er mausert sich zu einer eigenständigen TI-Anwendung. Außerdem werden die Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten ab dem 1. Januar 2023 auf Verlangen eine sichere digitale Identität für das Gesundheitswesen barrierefrei zur Verfügung stellen. Diese digitale Identität soll dann ab 1. Januar 2024 zur Authentisierung der Versicherten im Gesundheitswesen und als Versicherungsnachweis dienen. Auch den Leistungserbringern, also auch für uns Apothekers muss dann ergänzend zum Heilberufsausweis auf Verlangen eine nicht an eine Chipkarte gebundene digitale Identität zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen digitalen Identitäten werden dann Versicherte und Leistungserbringer Zugriff auf Anwendungen wie beispielsweise die elektronische Patientenakte oder den elektronischen Medikationsplan erhalten. Und schließlich wird das dritte Digitalisierungsgesetz eine stärkere Nutzung der  Telemedizin vorantreiben. Mein liebes Tagebuch, die zwanziger Jahre werden uns in eine digitale Welt führen – vielleicht schneller als so manchem lieb ist, aber ein Zurück gibt es nicht mehr. Und wenn’s dann wirklich rund läuft, wird manches sicher einfacher. Wenn.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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