Saarländische Studie

Erst Vaxzevria, dann Comirnaty: besser heterolog impfen?

Stuttgart - 10.06.2021, 07:00 Uhr

In einer Studie der Universität des Saarlandes provozierte eine kombinierte Impfufng mit Vaxzevria (AstraZeneca) und Comirnaty (Biontech/Pfizer) die beste Immunantwort. (Foto: IMAGO / Sven Simon)

In einer Studie der Universität des Saarlandes provozierte eine kombinierte Impfufng mit Vaxzevria (AstraZeneca) und Comirnaty (Biontech/Pfizer) die beste Immunantwort. (Foto: IMAGO / Sven Simon)


Sollte man künftig bei AstraZeneca eher auf kombinierte Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff setzen? Eine Studie der Universität des Saarlandes zeigt die beste Immunantwort – neutralisierende Antikörper und T-Zell-Antwort – nach einer heterologen Impfserie mit Vaxzevria und Comirnaty. Am schwächsten reagierte das Immunsystem nach zweimaliger Impfung mit AstraZeneca.

Wie gut schützt eine kombinierte Impfserie aus Vaxzevria® (AstraZeneca) und Comirnaty® (Biontech/Pfizer)? Die Studien laufen, doch mittlerweile haben Wissenschaftler erste Daten zur Sicherheit und auch zur Wirksamkeit bekannt gegeben: So scheint Ergebnissen der Com-COV-Studie zufolge eine Prime-Boost-Impfung mit gemischten (heterologen) Impfserien (Vaxzevria® plus Comirnaty® oder Comirnaty® plus Vaxzevria®) zu mehr systemischen Nebenwirkungen zu führen, als wenn Teilnehmer zweimal den gleichen Impfstoff (Vaxzevria® oder Comirnaty®) erhalten. Wirksamkeitsdaten aus der Com-COV-Studie fehlen derzeit noch. Doch veröffentlichten spanische Wissenschaftler erste Daten zur Wirksamkeit bei gemischten Impfserien: Die vorläufigen Ergebnisse aus CombivacS deuten darauf hin, dass die Immunantwort nach heterologer Impfserie verstärkt ist und eine Impfkombination aus AstraZeneca- und Biontech/Pfizer-Impfung besonders gut schützen könnte. Entgegen ihren Kollegen der Universität Oxford (Com-COV-Studie) konnten die spanischen Wissenschaftler nach heterologer Impfserie auch keine erhöhte Nebenwirkungsrate feststellen.

Daten zu heterologen Impfserien aus Deutschland

Nun füllt sich der Pool an Informationen zu heterologen Impfserien weiter – dieses Mal mit Daten aus Deutschland: „Besonders deutliche Immunantwort bei der Impfstoffkombination von AstraZeneca und Biontech“, titeln Wissenschaftler der Universität des Saarlandes. Wie kommen sie zu diesem Schluss, was haben sie untersucht? 

250 Teilnehmer erhielten entweder zwei Impfungen mit Vaxzevria®, zwei Impfungen mit Comirnaty®, eine Kombination aus Vaxzevria® und Comirnaty® (Impfabstand 9 bis 12 Wochen) oder zwei Dosen des COVID-19-Impfstoffs Moderna oder eine Kombination aus AstraZeneca und Moderna. Geimpft wurde vom Betriebsarzt am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Die Studie untersuchte die Immunantwort zwei Wochen nach einer abgeschlossenen Impfserie. 

Die Wissenschaftler hinter der Studie interessierten sich sodann dafür, wie viele Antikörper die Studienteilnehmer nach den jeweiligen Impfstoffkombinationen bildeten. Zudem bestimmten sie auch die Wirkstärke der neutralisierenden Antikörper. „Diese gibt  Auskunft darüber, wie gut die Antikörper das Virus davon abhalten, in die Zellen einzudringen“, erklärt Professorin Martina Sester von der Transplantation- und Infektionsimmunologie der Universität des Saarlandes. 

Zweimal Biontech oder AstraZeneca/Biontech wirksamer als zweimal Vaxzevria®

Wie also sahen die Antikörperspiegel nach den unterschiedlichen Impfserien aus? Waren die Teilnehmer zweimal mit Biontech/Pfizer oder gemischt – erst mit AstraZeneca, dann mit Biontech/Pfizer – geimpft worden, entwickelten sie zehnmal mehr Antikörper als zweifach mit AstraZeneca Geimpfte. Vor allem bei neutralisierenden Antikörpern scheint die heterologe Impfserie effektiver: „Bei den neutralisierenden Antikörpern zeigte die kombinierte Impfstrategie sogar noch leicht bessere Ergebnisse als eine zweifache Biontech-Impfung“, sagt Martina Sester.

Was machen die T-Zellen?

Die Wissenschaftler beschränkten die Blutanalysen der Geimpften jedoch nicht allein auf die Antikörper gegen SARS-CoV-2. Sie werteten auch eine weitere wichtige Komponente der Immunreaktion aus – die T-Zell-Antwort mit natürlichen Killerzellen.

Natürliche Killerzellen

Natürliche Killerzellen – NK-Zellen – zählen zu den Lymphozyten, also zu einer Gruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Ihre Aufgabe ist es, abnormale Zellen – wie Tumorzellen und auch virusinfizierte Zellen –  zu erkennen und abzutöten („killen“). NK-Zellen sind Teil des angeborenen Immunsystems.

Am stärksten aktivierte in der Saarländischen Studie die heterologe Impfserie mit Vaxzevria® und Comirnaty® die Bildung von natürlichen Killerzellen. Auch eine zweifache Impfung mit der Biontech/Pfizer-Vakzine stimulierte die NK-Zell-Antwort gut – und besser als eine zweifache Vektorimpfung mit AstraZeneca. Laut Sester zeigen diese Ergebnisse „recht markant“, dass die zweimalige Impfung mit Vaxzevria® die Immunabwehr „weniger mobilisieren“ kann als die beiden anderen Impfserien.

Schützt eine zweifache AstraZeneca-Impfung schlechter?

An dieser Stelle kommt die Frage auf: Schützt denn dann eine zweifache Impfung mit Vaxzevria® schlechter und ausreichend gut vor SARS-CoV-2? Immunologin Sester ordnet die Ergebnisse ein. Diese bedeuteten nicht, dass die zweifach mit AstraZeneca Geimpften keinen ausreichenden Schutz aufwiesen – die Zulassungsstudien wie auch die Erfolge der Impfkampagnen hätten Vaxzevria® schließlich eine hohe Impfwirksamkeit bescheinigt. „Mit einer zweiten Dosis kann jedoch nicht mehr das volle Potenzial ausgeschöpft werden, das eigentlich in diesem Impfstoff liegt“, so Sester.

Künftig besser heterolog?

Noch sind die Ergebnisse der Saarländischen Studie nicht wissenschaftlich begutachtet und in einem Fachjournal veröffentlicht. Dafür wollen Sester und ihr Team die Daten auch noch genauer analysieren – ob Alter oder Geschlecht eine Rolle bei der Immunantwort spielen und wie es sich mit den Nebenwirkungen verhält. Doch könnten ihre Ergebnisse – so auch andere Forscherteams gleiche Ergebnisse fänden – Anstoß sein, „intensiv über eine Kombination von Vektor- und mRNA-Impfstoffen“ nachzudenken. Vor allem auch für vorerkrankte Menschen könnte vielleicht spätestens bei einer dritten Impfung heterolog geimpft werden, um eine „möglichst breite Immunreaktion des Körpers“ zu erzeugen.

STIKO empfahl gemischte Impfserien bei unter 60-Jährigen

Die Frage nach Wirksamkeit und Verträglichkeit von heterologen Impfserien kam auf, nachdem die STIKO (Ständige Impfkommission) zum 1. April 2021 empfohlen hatte, dass unter 60-Jährige keine AstraZeneca-Impfung erhalten sollten. Einmal mit AstraZeneca Geimpfte unter 60 Jahren sollten für ihre zweite Impfdosis mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden – Comirnaty® von Biontech/Pfizer oder dem COVID-19-Impfstoff von Moderna. Der Grund: sehr seltene thromboembolische Nebenwirkungen nach Impfungen mit der Vektorvakzine von AstraZeneca, die mit einer verminderten Blutplättchenzahl einhergehen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.