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SARS-CoV-2-infiziert Betazellen
Kann COVID-19 Diabetes auslösen?
Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Erkrankungen und SARS-CoV-2 steht auch im Verdacht, einen Diabetes zu induzieren. Können Coronaviren Betazellen befallen? Welchen Rezeptor nutzen sie und schädigen sie insulinproduzierende Pankreaszellen? Diesen Fragen ging ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Stanford University School of Medicine nach.
Bereits im August 2020 brachten Wissenschaftler in einem Brief „New Onset Diabetes in COVID-19“ im „New England Journal of Medicine“ den wechselseitigen Zusammenhang von Diabetes und COVID-19 zu Papier: Einerseits sei Diabetes mit einem erhöhten Risiko für schweres COVID-19 verbunden. Andererseits beobachte man bei Patienten mit COVID-19 auch neu auftretenden Diabetes und schwere metabolische Komplikationen eines bereits bestehenden – einschließlich diabetischer Ketoazidose und Hyperosmolarität.
Kann SARS-CoV-2 Betazellen schädigen?
Doch wie stört SARS-CoV-2 den Insulinstoffwechsel, sodass ein Diabetes resultiert? Kann SARS-CoV-2 die insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas infizieren und sie schädigen? Anders als das Lungengewebe weist Pankreasgewebe nur wenige ACE2-Rezeptoren auf – und diese nutzt SARS-CoV-2 eigentlich, um in die menschlichen Zellen zu gelangen. Diesen Ungereimtheiten ging ein internationales Forschungsteam – unter anderen an der Universität Basel – unter Leitung der „Stanford University of Medicine“ nach. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse jüngst im Fachjournal „Cell Metabolism“.
SARS-CoV-2 nutzt auch andere Eintrittspforten
Laut den Wissenschaftler:innen nutzt SARS-CoV-2 neben ACE2 noch andere Eintrittswege, um Bauchspeicheldrüsenzellen zu infizieren. Hier scheint vor allem NRP1 eine wichtige Rolle zu spielen. Den Forscher:innen zufolge gibt es eine „selektiv hohe Expression von NRP1“ in den Betazellen des Pankreas. Neuropilin-1 ist kein unbekannter Faktor im Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen. Bereits im November 2020 veröffentlichten Wissenschaftler:innen in „Science“, dass er SARS-CoV-2 die Infektion menschlicher Zellen erleichtert: „Wenn Sie sich ACE2 als Türschloss für den Eintritt in die Zelle vorstellen, könnte Neuropilin-1 ein Faktor sein, der das Virus zur Tür geleitet“, beschrieb einer der Studienautoren, Giuseppe Balisteri, damals die Funktion von NRP1.
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Interessant ist, dass COVID-19-Erkrankte im Vergleich zu SARS-CoV-2-Negativen eine hochregulierte NRP1-Expression aufwiesen: Macht NRP1 Betazellen nun anfälliger für SARS-CoV-2? Haben also Menschen mit hoher NRP1-Expression eine erhöhte Gefahr für SARS-CoV-2-Infektionen der Betazellen oder führt eine SARS-CoV-2-Infektion erst zu erhöhter Expression von NRP1 in den Betazellen des Pankreas? Diese Frage müsse in weiteren Forschungsarbeiten untersucht werden.
SARS-CoV-2 infiziert und tötet Betazellen
Anhand von Gewebeproben von verstorbenen COVID-19-Patient:innen fanden die Wissenschaftler:innnen heraus, dass SARS-CoV-2 durchaus in der Lage ist, Betazellen des Pankreas zu infizieren: In sieben von neun Gewebeproben wiesen sie das Coronavirus nach. Allerdings kam es bei keinem der Patient:innen zu einer akuten oder chronische Pankreatitis, was eine breite Pankreasschädigung als universelles Merkmal ausschließe. Weitere Untersuchungen stützten jedoch ihre Hypothese, dass „SARS-CoV-2 Betazellen infiziert und sich dort repliziert, um eine Pankreasdysfunktion zu induzieren und so zu Hyperglykämie oder Diabetes zu führen“, erklären die Wissenschaftler:innen. Die Insulinsekretion sei in Zellversuchen abgeschwächt und SARS-CoV-2 könne Betazellen abtöten, so die Ergebnisse der Forschungen. Die Forscher:innen machten eine weitere Beobachtung.
NRP1-Blockade rettet Betazellen
So gelang es ihnen in Zellversuchen, durch Blockade der NRP1-Eintrittspforte eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu reduzieren und Betazellen zu retten. „Ob sich der Zuckerstoffwechsel nach einer überstandenen Infektion bei allen COVID-19-Patientinnen und -Patienten wieder normalisiert und ob und wie häufig ein bleibender Diabetes entstehen kann, lässt sich nach derzeitiger Studienlage nicht mit Sicherheit sagen“, erklärt Pathologe PD Dr. Matthias Matter von der Universität Basel und vom Universitätsspital Basel, Leiter der Anteile der Studie, die in Basel durchgeführt wurden. Es gebe Hinweise, dass bei Betroffenen mit Long-COVID, also anhaltenden Beschwerden nach der Infektion, auch mehrere Wochen bis Monate danach noch ein Diabetes feststellbar sei. Seiner Ansicht nach ist es folglich sinnvoll, eine Möglichkeit zu entwickeln, um bleibende Schäden der Bauchspeicheldrüse zu verhindern, sagte er laut einer Mitteilung der Universität Basel.
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