Was wird wichtig sein?

Die „chronische Phase“ von Corona

Stuttgart - 16.06.2021, 15:15 Uhr

Eine rasche Durchimpfung der Bevölkerung ist die beste Strategie, um die Entwicklung von bedenklichen Varianten zu reduzieren. (Bild: oxinoxi / AdobeStock)

Eine rasche Durchimpfung der Bevölkerung ist die beste Strategie, um die Entwicklung von bedenklichen Varianten zu reduzieren. (Bild: oxinoxi / AdobeStock)


Influenza als Vorbild

Ein Vorbild könne das Influenza-Überwachungssystem für die jährlichen Grippewellen sein, betonte Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel. „Hier besteht seit Jahren ein globales Netzwerk, das Influenzaviren sammelt und Inzidenzen misst.“ Alle sechs Monate gebe es eine Empfehlung für die Zusammensetzung des Grippe-Impfstoffs. Auch bei COVID-19 werde vermutlich eine regelmäßige Aktualisierung der Impfstoffe nötig sein.

Der momentane Stand sei, dass die verfügbaren Impfstoffe gegen Varianten wie Alpha und Delta in Bezug auf Ansteckungen etwas weniger wirksam sind, gegen sehr schwere Verläufe aber weiterhin sehr gut schützen, erklärte Annelies Wilder-Smith, Professorin für neu auftretende Infektionskrankheiten an der London School of Hygiene and Tropical Medicine.

„Da die Senkung der Sterblichkeitsrate das wichtigste Ziel der öffentlichen Gesundheit in der derzeitigen Phase der Pandemie ist, sollte der Schwerpunkt weiterhin darauf liegen, einen größeren Anteil der Bevölkerung rasch zu impfen, anstatt Auffrischungsdosen bereitzustellen.“ Dies sei umso wichtiger, als die Welt nicht einmal über genügend Impfstoffe verfüge, um jedem auch nur eine erste Dosis zu verabreichen, so Wilder-Smith. Eine rasche Durchimpfung der Bevölkerung sei zudem die beste Strategie, um die Entwicklung von bedenklichen Varianten zu reduzieren.

Durchimpfung global die wichtigste Maßnahme 

„Global ist die wichtigste Maßnahme die möglichst schnelle und breite Durchimpfung, so dass dem Virus weniger Gelegenheit gegeben wird, durch evolutionären Druck neue Varianten entstehen zu lassen“, betonte auch Isabella Eckerle. Es scheine erfreulicherweise so zu sein, dass bei den Varianten oft die gleichen Mutationen entstünden – das Virus habe womöglich nur ein begrenztes Repertoire an Mutationen, um sich besser anzupassen. „Wenn es zeitnah auch Impfstoffe gegen Varianten geben wird, die diese Mutationen abdecken, könnte sich ebenso eine recht stabile Situation einstellen, in der das Auftreten von immer weiteren, neuen Varianten ausbremst wird.“ 

Ende des pandemischen Denkens 

Sind vor allem die Gruppen mit hohem Risiko, schwer zu erkranken, weitgehend durchgeimpft, bedeutet das auch Entlastung für die Kliniken – und ein Ende „pandemischen Denkens“, wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, am Dienstag sagte. Künftig werde COVID-19 eine Erkrankung des Klinikalltags werden und den Schrecken einer in Wellen verlaufenden Pandemie verlieren – man gehe „in eine chronische Phase“ über.



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