Erhöhtes Risiko durch Chlormadinon und Nomegestrol

Beim ersten Mal: Kombinierte hormonale Kontrazeptiva mit geringstem Risiko verordnen

Stuttgart - 06.07.2021, 17:50 Uhr

Es ist davon auszugehen, dass es durch die Verschreibung von KHK aus Risikoklasse 3 statt aus Risikoklasse 1 jedes Jahr zu vermeidbaren Thrombosenn kommt. (c / Foto: methaphum / AdobeStock)

Es ist davon auszugehen, dass es durch die Verschreibung von KHK aus Risikoklasse 3 statt aus Risikoklasse 1 jedes Jahr zu vermeidbaren Thrombosenn kommt. (c / Foto: methaphum / AdobeStock)


Zwei bis sieben VTE pro 10.000 Mädchen wären vermeidbar

In der aktuellen Studie diente die pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank GePaRD (German Pharmacoepidemiological Research Database) als Datengrundlage, die Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland enthält. Untersucht wurden 677.331 Mädchen und junge Frauen zwischen zehn und 19 Jahren mit mindestens einer Verordnung eines KHK, die aber zuvor ein Jahr lang keine KHK-Verschreibung erhalten hatten („Neunutzerinnen“). Im Durchschnitt waren die Mädchen 16 Jahre alt.

Nur 39 Prozent der KHK-Neuverordnungen zwischen 2005 und 2017 entfielen insgesamt auf Präparate der Risikoklasse 1 (am wenigsten VTE), während 41 Prozent der jungen Frauen ein Präparat aus Risikoklasse 3 (am meisten VTE) erhielten und 15 Prozent ein Präparat der Kategorie „Risiko unbekannt“. Allerdings heißt es auch: „Der Anteil der Neuverordnungen aus Risikoklasse 1 ist von 32 Prozent in den Jahren 2005 bis 2007 auf 54 Prozent in den Jahren 2015 bis 2017 angestiegen, während die Neuverordnungen aus Risikoklasse 3 im Zeitraum 2005 bis 2007 (46%) verglichen mit dem Zeitraum 2015 bis 2017 (33%) sanken.“

Die Zahl der Verordnungen wird noch weiter aufgeschlüsselt. Mit 96.618 Neuverordnungen (14%) sei die Kombination von Chlormadinon und Ethinylestradiol das häufigste KHK der Risikoklasse „unbekannt“ gewesen. Die Kombination Nomegestrol und Estradiol wurde dagegen selten als erstes KHK verschrieben.

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Interessant ist das nun, weil in der aktuellen Studie die VTE-Inzidenz für Präparate mit Chlormadinon und Nomegestrol im Bereich von neun bis zwölf Ereignissen pro 10.000 Frauen und Jahr lag – wodurch sie der Risikogruppe 3 zuzuordnen sind. Dieses und die anderen neuen Ergebnisse werden im Bulletin in einer Tabelle den bisher bekannten Daten des Pharmakovigilanzausschusses der EMA von 2013 gegenübergestellt: 

RisikoklasseProgestagenVTE pro Jahr gemäß PRACIn aktueller Studie beobachtete Inzidenz in den ersten 12 Monaten
1Levonorgestrel5–7 von 10.000wie erwartet
Norgestimatwie erwartet
Norethisteronhöher*
2Etonogestrel6–12 von 10.000wie erwartet
3Desogestrel9–12 von 10.000wie erwartet
Gestodenhöher**
Drospirenonwie erwartet
Dienogest 8–11 von 10.000wie erwartet
unbekanntChlormadinonunbekanntwie Risikoklasse 3
Nomegestrol

Quelle: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Ausgabe 2 – Juni 2021 

* basierend auf einem Fall bei 818 Neunutzerinnen 

** basierend auf zwei Fällen bei 975 Neunutzerinnen

Als Referenz dient immer Levonorgestrel mit niedrig dosiertem Ethinylestradiol. Das bedeutet, dass weniger als 50 µg Ethinylestradiol enthalten sind. Hier zeigte sich, dass auch bezüglich der Estradiol-Komponente das VTE-Risiko noch weiter variieren kann: 


Im Vergleich zu levonorgestrelhaltigen KHK mit 30 µg Ethinylestradiol hatten Neunutzerinnen von levonorgestrelhaltigen KHK mit mehr als 30 µg Ethinylestradiol ein zweifach erhöhtes Risiko; Neunutzerinnen von levonorgestrelhaltigen KHK mit weniger als 30 µg hatten hingegen ein vergleichbares Risiko.

Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Ausgabe 2 – Juni 2021 


Wie Komorbiditäten sich auf das VTE-Risiko auswirken, wurde in der Studie ebenfalls untersucht, die Ergebnisse sollen aber erst in einer geplanten wissenschaftlichen Publikation dargestellt werden. Außerdem müsse beachtet werden, dass nur Mädchen und junge Frauen bis zum Alter von 19 Jahren in die Studie einbezogen wurden, da KHK in dem untersuchten Zeitraum nur bis zum 20. Geburtstag erstattungsfähig waren. Das VTE-Risiko nehme mit dem Alter zu, jedoch sei abzusehen, dass die relativen Risiken in den Altersschichten vergleichbar sind.

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Abschließend heißt es im Bulletin, dass VTE insbesondere bei jungen Frauen zwar sehr seltene Ereignisse sind. Dennoch sei davon auszugehen, dass es durch die Verschreibung von KHK aus Risikoklasse 3 statt aus Risikoklasse 1 jedes Jahr zu zwei bis sieben zusätzlichen VTE pro 10.000 Mädchen beziehungsweise jungen Frauen kommt. Anwenderinnen sollten also entsprechend aufgeklärt werden. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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