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Mehr Rx-Arzneimittel ohne Rezept
Weitere Kompetenzen für Schweizer Apotheker
In der Schweiz dürfen Apotheker seit eineinhalb Jahren bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel „routinemäßig“ auch ohne Rezept in eigener Verantwortung abgeben. Die Indikationen sind breit gefächert und die freigegebene Medikation umfasst ein großes Spektrum bekannter Wirkstoffe. Zum 1. Juli sind nun einige Analgetika zur Behandlung akuter Schmerzen und Migränemittel hinzugekommen.
Anfang 2019 sind in der Schweiz Revisionen des Heilmittelgesetzes (unter den Begriff „Heilmittel“ fallen in der Schweiz Arzneimittel und Medizinprodukte) und der Arzneimittelverordnung in Kraft getreten. Hiernach dürfen Apotheker unter bestimmten Voraussetzungen verschreibungspflichtige Arzneimittel auch außerhalb von Notfällen direkt abgeben. Damit sollen die Kompetenzen der Pharmazeuten bei der Betreuung von Patienten mit harmlosen Erkrankungen besser genutzt werden.
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Von der Freigabe erfasst sind bestimmte rezeptpflichtige Arzneimittel der Abgabekategorie B (Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung), wobei drei Gruppen unterschieden werden.
- Arzneimittel für häufig auftretende Krankheiten, die bekannte, seit mehreren Jahren zugelassene Wirkstoffe enthalten. Diese werden in einer „Indikationsliste“ erfasst, die vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) erstellt wird. Eine spezielle Expertengruppe prüft periodisch, welche Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen direkt in der Apotheke abgegeben werden dürfen.
- Arzneimittel zur Weiterführung einer Dauermedikation während eines Jahres nach der ärztlichen Erstverschreibung. Damit soll vor allem die Behandlung chronischer Krankheiten erleichtert werden.
- Arzneimittel, die vor dem 1. Januar 2019 in der Abgabekategorie C (Abgabe nach Fachberatung durch Medizinalpersonen) eingestuft waren. Diese Kategorie wurde mit Inkrafttreten des revidierten Heilmittelgesetzes aufgehoben und die Arzneimittel wurden entweder in die niedrigere Abgabekategorie D (nicht rezeptpflichtige Arzneimittel, die nur nach Fachberatung abgegeben werden dürfen) oder in die höhere Kategorie B (rezeptpflichtig) umgeteilt. Für letztere kommen namentlich Arzneimittel infrage, die Wirkstoffe mit einem bekannten Missbrauchspotenzial enthalten, die zur Gewöhnung oder Abhängigkeit führen können, Wirkstoffe, die zu schwerwiegenden Interaktionen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln führen können, oder solche, die eine spezielle Dokumentationspflicht erfordern. Seit Juni 2019 publiziert die Arzneimittelbehörde Swissmedic monatlich eine Liste der von C nach B umgeteilten Arzneimittel, bei denen die Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurden. Diese dürfen Apotheker dann ohne Rezept abgeben
Neu auf der Liste: Schmerzmittel und Migränetherapeutika
Die Indikationsliste umfasste bisher unter anderem Präparate zur Behandlung von saisonaler allergischer Rhinitis (Heuschnupfen), Augenerkrankungen (z. B. bakterielle Konjunktivitis), akute Atemwegserkrankungen (z. B. Bronchospasmen, Husten) Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Übelkeit und Erbrechen, Refluxsymptome, Durchfall), zahlreiche Medikamente gegen Hauterkrankungen wie Ekzeme, Akne oder Pilzinfektionen, Arzneimittel zur Behandlung von Erektionsstörungen (Sildenafil) und gynäkologischen Beschwerden wie Scheidenpilz. Anfang Juli sind nun rezeptpflichtige Wirkstoffe zur Behandlung von akuten Schmerzen (z. B. Ibuprofen 600 mg) und Migräne (diverse Triptane) hinzugekommen.
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Die Schmerzmittel dürfen hauptsächlich an Erwachsene und nur bei akuten Schmerzen abgegeben werden und die Migräne-Therapeutika ebenfalls nur an Erwachsene und nur dann, wenn in der Vergangenheit bereits eine Migräne diagnostiziert wurde. Um die Patientensicherheit im Auge zu behalten, hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Studie zur Überwachung der Abgabemengen und zur Aufdeckung eines Missbrauchs der gelisteten Schmerzmittel veranlasst. Die Untersuchung läuft bis 2025.
42 Indikationen und rund 200 Wirkstoffe
Außerdem wurde die Indikationsliste mit Arzneimitteln ergänzt, die zum 1. Juli von der Abgabekategorie C in die Abgabekategorie B umgeteilt wurden. Sie werden in den Indikationen Vitamin- und Mineralienmangel, Einschlafstörungen (Doxylaminsuccinat), Hypotone Kreislaufregulationsstörungen (Etilefrin), Reisekrankheit und Gleichgewichtsstörungen (Cinnarizin), zur Notfallkontrazeption (Levonorgestrel) beziehungsweise zur Notfalltherapie der Opioid-Überdosierung (Naloxon) eingesetzt.
Insgesamt enthält die Liste aktuell 42 Indikationen für häufige Krankheiten und rund 200 Wirkstoffe. Die Listen der Arzneimittel für andere Indikationen werden derzeit geprüft. Sie werden auf der Webseite des BAG publiziert, sobald sie vom EDI genehmigt sind.
Abgabe nur bei persönlicher Anwesenheit
Für alle Indikationsgruppen gilt, dass bei der Abgabe die von der Expertengruppe festgelegten Anforderungen und Einschränkungen eingehalten werden müssen. Außerdem dürfen Apotheker die betreffenden Präparate nur persönlich abgeben und die Patienten müssen für die Beurteilung und Übergabe des Arzneimittels persönlich anwesend sein. Darüber hinaus muss die Abgabe dokumentiert werden. Die Kantonsapothekervereinigung (KAV) hat dazu eigens eine Vollzugshilfe erlassen. Die direkt in der Apotheke abgegebenen Arzneimittel werden nicht von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet.
1 Kommentar
Paradiesische Zustände
von Wilhelm Tell am 13.07.2021 um 8:20 Uhr
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