Insolventes Rechenzentrum

Neuer Geschäftsführer bei AvP – was bedeutet das?

27.07.2021, 15:15 Uhr

Die insolvente AvP Deutschland GmbH hat einen neuen Geschäftsführer. Welche Konsequenzen hat dies? (s / Foto: picture alliance/dpa)

Die insolvente AvP Deutschland GmbH hat einen neuen Geschäftsführer. Welche Konsequenzen hat dies? (s / Foto: picture alliance/dpa)


Seit dem 19. Juli findet man im Handelsregister mit Lars Diederichs einen neuen Geschäftsführer für die insolvente AvP Deutschland GmbH. Diederichs ist in der Apothekenbranche kein Unbekannter: Rund 17 Jahre leitete er den Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) bevor er im Jahr 2017 zur Apothekenkooperation Avie des Arzneimittelimporteurs Kohlpharma wechselte. Nun arbeitet er beim angeschlagenen Rechenzentrum AvP in Düsseldorf. Wie passt das zum laufenden Insolvenzverfahren? Eine AvP-Vorständin erläutert gegenüber der DAZ die Hintergründe.

Lars Diederichs ist Jurist und begann seine berufliche Laufbahn im August 1993 als Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Hageda AG, später Phoenix Pharmahandel. Zwischen Januar und Juli 1996 war er als Assistent der Betriebsleitung beim Vertriebszentrum Köln des Phoenix Pharmahandels tätig. Es folgte eine Station bei der Richard Jacobi GmbH Köln. Nach dreieinhalb Jahren, unmittelbar nach der Jahrtausendwende, übernahm er die Bundesgeschäftsstellenleitung beim Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA). Im Jahr 2017 wechselte er zur Apothekenkooperation Avie des Arzneimittelimporteurs Kohlpharma, wo er den Posten des Leiters Industrie & Category Management bekleidete.

Im Juni 2020 endete sein berufliches Engagement bei Avie. Seitdem war öffentlich nicht bekannt, für wen und was er arbeitete. Doch zum Stichtag 19. Juli 2021 ist Lars Diederichs nun als Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH im Handelsregister aufgetaucht. Über diese Firmentochter liefen in der angeschlagenen AvP-Gruppe bekanntlich die Auszahlungen der Abrechnungsgelder an die Apotheken. Als die Banken der AvP-Deutschland GmbH am 4. September 2020 aufgrund von Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen den Konsortialkredit kündigten, war es AvP von jetzt auf gleich nicht mehr möglich, den Apotheken für den Monat September ihre Abschläge zu zahlen. Nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Kenntnis über die Kündigung des Kredits erlangte, wies sie am 10. September 2020 den damals aktuellen Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH an, „bis zur Klärung der insolvenzrechtlichen Situation dafür Sorge zu tragen, dass keine gläubiger- beziehungsweise insolvenzmasseschädlichen Auszahlungen seitens des Instituts vorgenommen werden“.

2900 Apotheken zählen zum Kreis der Gläubiger

Der damalige Geschäftsführer wurde jedoch von Mathias Wettstein, dem Ex-Vorstandsvorsitzenden der AvP Service AG, einen Tag später abberufen, weil er sich weigerte, entgegen der BaFin-Anordnung Abschlagszahlungen an die Apotheken vorzunehmen. Wettstein wies einen anderen Mitarbeiter der AvP Deutschland GmbH an, die Überweisungen vorzunehmen. Insgesamt soll es um eine Summe von 183 Millionen Euro gegangen sein – letztlich konnten nur rund 127 Millionen Euro an Abschlagszahlungen realisiert werden. Nach Informationen der DAZ sitzt Wettstein aktuell in Untersuchungshaft. 

Aufgrund der Vorkommnisse bestellte die BaFin am 13. September 2020 Ralf Bauer zum neuen, „starken“ Sonderbeauftragten mit sämtlichen Aufgaben und Befugnissen eines Geschäftsleiters. Als sich für Bauer in den Folgetagen herausstellte, dass die AvP Deutschland GmbH insolvenzreif war, beantragte er mit Schreiben vom 15. September beim Amtsgericht Düsseldorf die Eröffnung des aktuell laufenden Insolvenzverfahrens. Zum Kreis der Gläubiger zählen rund 2.900 öffentliche Apotheken.

Aufsichtsrat will Branchenkenner für ein fundiertes Insolvenzverfahren

Ralf Bauer schied am 6. November 2020 pünktlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens als BaFin-Sonderbeauftragter aus. Seitdem leitete Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos allein die Geschäfte. Nun hat also der ehemalige MVDA-Geschäftsstellenleiter Diederichs die Geschäftsführer-Position übernommen. Welche Auswirkungen hat diese Personalie auf das laufende Insolvenzverfahren? 

Weder Diederichs noch Insolvenzverwalter Hoos waren bisher für Statements erreichbar. Doch gegenüber der DAZ äußert sich Daniela Klahn, die seit dem 22. Februar 2021 im Vorstand der AvP Service AG sitzt. Die Berufung Klahns geht auf den Wunsch des Aufsichtsrats zurück, Branchenkenner gezielt in wichtige Führungspositionen bei der AvP-Gruppe zu berufen, um das Insolvenzverfahren so fundiert wie möglich zu begleiten. Klahn ist Juristin und beschäftigte sich sowohl wissenschaftlich als auch im Rahmen von Verhandlungen und Gerichtsverfahren intensiv mit den Themen Rabattverträge sowie Herstellerrabatte. So war Klahn beispielsweise beteiligt an dem Rechtsstreit um die Frage, ob DocMorris Herstellerrabatte zustehen. Ende 2009 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass der niederländische Versender seinerzeit keinen Anspruch auf Rückerstattung des Herstellerrabatts hatte. 

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In ihrer Funktion als AvP-Vorständin ist Daniela Klahn seit ihrer Berufung auf der Suche nach weiteren Personen mit Branchenkenntnis für die Geschäftsführungen in den einzelnen Tochterunternehmen. In der für die öffentlichen Apotheken bedeutenden AvP Deutschland GmbH konnte nun Lars Diederichs eingesetzt werden. Klahn betont, dass sowohl ihre Position als auch die Position Diederichs aufgrund der Umstände nur über eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten verfügen. Für unternehmerische Entscheidungen sei man auf den Insolvenzverwalter angewiesen. Doch im Sinne der Gläubiger könne man versuchen, durch beratende Funktion das Insolvenzverfahren positiv zu beeinflussen, insbesondere bei den wichtigen Verhandlungen mit den Krankenkassen.

Weiteres Gutachten

Jan-Philipp Hoos hat indes ein weiteres Gutachten dem Amtsgericht sowie dem Gläubigerausschuss vorgelegt. Der Redaktion liegt das rund zwanzigseitige Werk vor. Darin berichtet der Insolvenzverwalter unter anderem von Aussonderungsrechten, die er bei denjenigen Apotheken anerkennt, die ihre Rezeptforderungen – abweichend von den ansonsten üblichen AGB des Unternehmens – nicht an AvP abgetreten hatten. Laut Bericht hat Hoos den Krankenkassen bereits eine Auflistung dieser 314 Apotheken zukommen lassen.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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