COVID-19

Wie läuft es mit den Antikörpertherapien?

Stuttgart - 11.08.2021, 16:45 Uhr

Ende Juni benannte die EU-Kommission fünf vielversprechende Corona-Medikamente, von denen vier auf monoklonalen Antikörpern basieren. (Foto: IMAGO / Christian Grube)

Ende Juni benannte die EU-Kommission fünf vielversprechende Corona-Medikamente, von denen vier auf monoklonalen Antikörpern basieren. (Foto: IMAGO / Christian Grube)


Antikörpertherapien gegen COVID-19 sind gegenüber den Impfstoffen noch nicht zu großem Ruhm gelangt – auch weil Zulassungen in Europa noch fehlen. Gerade mit Blick auf die vierte Welle ist man beispielsweise an der Charité in Berlin nun aber froh über diese Therapieoption. Die dort angesiedelte Antikörperambulanz kann mittlerweile von drei Monaten praktischer Erfahrung berichten. Mit entsprechenden Zulassungen wird noch dieses Jahr gerechnet.

Als der Bund im Januar 2021 Antikörper-Arzneimittel für 400 Millionen Euro beschaffte, fragten sich einige, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn da wohl eingekauft hat. Konkret handelte es sich um die monoklonalen Antikörper der US-Hersteller Regeneron (Casirivimab/Imdevimab) und Eli Lilly (Bamlanivimab), die in Deutschland als erstem Land in der EU eingesetzt werden sollten. Beide waren und sind noch nicht in der EU zugelassen. Hinsichtlich der Wirksamkeit wurde damals aber beispielsweise auf Notfallzulassungen in den USA verwiesen.

So richtig zu Ruhm gelangte die Antikörper-Therapie bei COVID-19 bislang allerdings nicht. Vielleicht weil sie im Schatten der Impfungen steht, aber wohl auch, weil die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Bamlanivimab im April die Notfallzulassung wieder entzog. „Nach der Auswertung weiterer Daten habe sich herausgestellt, dass Virus-Varianten gegen diesen Antikörper resistent seien und der Nutzen des alleinigen Einsatzes dieses Präparats nicht mehr größer sei als mögliche Risiken“, hieß es damals.

Im März 2021 hatte es jedoch auch viel Rückenwind für die „Antikörpercocktails“ gegeben. „Sie könnten in der Prophylaxe und der Therapie leichter Fälle Verwendung finden und deshalb eine wichtige Lücke auf dem Gebiet der bislang so raren Behandlungsoptionen füllen“, berichtete die DAZ. Außerdem:


Das CHMP kam Anfang März zu dem Schluss, dass Bamlanivimab und Etesevimab zusammen zur Behandlung bei COVID-19-Patient:innen eingesetzt werden können, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und die ein hohes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben. Auch Bamlanivimab alleine könne – trotz der Unsicherheiten des Nutzens einer Monotherapie – als Behandlungsoption in Betracht gezogen werden.“

DAZ, 11. März 2021, „EMA startet Rolling Review für Bamlanivimab und Etesevimab“


Ende Juni benannte sodann die EU-Kommission fünf vielversprechende Corona-Medikamente, von denen vier eben auf monoklonalen Antikörpern basieren:

  • Kombination aus Bamlanivimab und Etesevimab von Eli Lilly
  • Kombination aus Casirivimab und Imdevimab von Regeneron Pharmaceuticals, Inc. und F. Hoffman-La Roche, Ltd.
  • Regdanivimab von Celltrion
  • Sotrovimab von GlaxoSmithKline und Vir Biotechnology, Inc.

Bis Oktober sollten mindestens drei neue Therapeutika zugelassen werden und möglicherweise zwei weitere bis Ende des Jahres, hieß es.

Wie praxisrelevant diese Antikörpertherapien jetzt schon sind, dazu bietet die Nachrichtenagentur dpa aktuell einen Einblick. Laut einem Bericht sind Charité-Medizinier:innen froh über die Möglichkeit der Antikörpertherapie, dort werden solche Arzneimittel auch ambulant eingesetzt. So könnten Patient:innen mit bestimmten Risikofaktoren in der Frühphase ihrer Corona-Infektion eine Infusion bekommen und danach wieder nach Hause in Isolation gehen, heißt es.

Die Antikörperambulanz an der Charité in Berlin

Diese Antikörperambulanz an der Charité in Berlin kann nun nach gut drei Monaten und rund 150 behandelten Patientinnen und Patienten eine erste Bilanz ziehen: „Wir sind in der abfallenden dritten Welle an den Start gegangen, sodass wir keine Busladungen von Patienten mehr hatten. Aber es sind bisher trotzdem viele Betroffene nach einer Behandlung in der Ambulanz erleichtert vom Hof gegangen“, sagte der Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie, Professor Norbert Suttorp, der dpa.

An wen sich das Angebot der Charité richtet

Das Angebot richtet sich nach Charité-Angaben an Menschen ab einem Alter von 50 Jahren, Menschen mit Immunsuppression (zum Beispiel wegen Chemotherapie oder Organtransplantation), chronischen Nierenerkrankungen, deutlichem Übergewicht, bestimmten Lungenerkrankungen und an Menschen mit Trisomie 21 (Down-Syndrom). Die ersten Symptome der Infektion sollten demnach nicht länger als fünf Tage zuvor aufgetreten sein, das positive Testergebnis nicht älter sein als 72 Stunden. Patienten können über einen Arzt bei der Ambulanz angemeldet werden. Es werden nicht nur Berlinerinnen und Berliner behandelt.

Mit Blick auf eine vierte Welle, die nach seiner Einschätzung auch in den Krankenhäusern spürbar werden dürfte, sei man an der Charité froh, dass die Präparate zur Verfügung stehen, sagte Suttorp. Man müsse damit rechnen, dass das Virus im Herbst zunächst in den Schulen um sich greife und es wieder zu Ansteckungen in Familien kommen könne – etwa der Großeltern. Denn bisherige Erkenntnisse ließen eine nachlassende Impfwirkung bei älteren Menschen befürchten. Hinzu kommt, dass die Delta-Variante deutlich ansteckender ist als frühere Formen. Als Kombinationstherapie könnten die Antikörper auch gegen Delta eingesetzt werden, sagte Suttorp. Wenn die Atikörpertherapien sich in der Praxis also nützlich erweisen, ist dann wirklich bald mit einer Zulassung in Deutschland zu rechnen?

Wie das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage der dpa mitteilte, wird mit ersten Zulassungen durch die Europäische Kommission noch im dritten Quartal 2021 gerechnet. Mit Stand 16. Juli seien insgesamt rund 3.600 Einheiten solcher Arzneimittel abgegeben worden, hieß es vom Ministerium. Erste Rückmeldungen aus der Anwendungspraxis seien positiv. Begleitende Studien zum „notfallmäßigen Einsatz“ seien seitens des Ministeriums jedoch nicht vorgesehen. Die monoklonalen Antikörper sind den Angaben nach teils bis Herbst 2021 haltbar, teils aber auch deutlich länger.



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