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Lieber Versandhandel als Botendienst
Ersatzkassen stellen honorierte Botendienste infrage
Die Ersatzkassen hadern mit den honorierten Botendiensten der Apotheken: Knapp 29 Millionen Euro hätten sie in den ersten acht Monaten nach ihrer Einführung Ende April 2020 für diesen Service aufgebracht, heißt es im aktuellen „ersatzkasse magazin“. „Spitzenreiter“ unter den Apotheken kämen auf „schwindelerregende“ Summen, die sie bei den Kassen abrechneten. Dabei, so die Autorinnen des Textes, seien Botendienste weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Versorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern.
Seit Ende April vergangenen Jahres können Apotheken Botendienste bei den Krankenkassen abrechnen, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel auf diesem Wege abgeben. Zunächst als Pandemie-Sonderregelung mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeführt, um Kontakte zu vermeiden, wurde die Honorierung zum Jahreswechsel mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz im Sozialgesetzbuch V verstetigt. Die Höhe der Vergütung hatte sich bereits zum 1. Oktober 2020 von 5 auf 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer halbiert.
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Nun regt sich offener Widerstand bei den Kassen. Im aktuellen „ersatzkasse magazin“, das der Verband der Ersatzkassen (vdek) herausgibt, machen sich zwei Verbandsmitarbeiterinnen aus der Abteilung Ambulante Versorgung unter dem Titel „Ein recht teures Geschenk“ Luft. Zwar zeigen sie sich noch verständig, dass es eine befristete Vergütung in der Pandemie aus Infektionsschutzgründen gab. Allerdings müsse „nun die Frage erlaubt sein, ob dieser dauerhafte Service von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren ist“. Zumal die Abrechnung dieser Leistung an keinerlei Bedingung geknüpft sei, also nicht auf notwendige Fälle wie etwa gebrechliche Patientinnen und Patienten beschränkt sei.
Versandhandel für die Kassen günstiger
Und es geht provokant weiter: „Die Frage nach dem Vergütungsanspruch muss man auch deshalb stellen, weil Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen und damit die oft von der Apothekerschaft eingeforderten ‚gleich langen Spieße‘ zwischen Offizin- und Versandapotheke gerade nicht hergestellt worden sind: Arzneimittel kosten die GKV bei den Vor-Ort-Apotheken mehr als bei konkurrierenden Versandapotheken.“
Sodann haben die vdek-Autorinnen auch Zahlen parat: Seit Ende April 2020 seien für das Jahr 2020 7,2 Millionen Botendienste zulasten der Ersatzkassen erbracht worden – für knapp 29 Millionen Euro. Durchschnittlich seien etwa 4 Prozent der Arzneimittelabgaben im Wege des Botendiensts erfolgt. Regional gab es dabei den vdek-Zahlen zufolge deutliche Unterschiede: So ist der honorierte Service zum Beispiel in Berlin selten (2,1 Prozent der Abgaben), während das Saarland mit 6,3 Prozent am anderen Ende des Rankings steht. Erstaunlicherweise ist in den Flächenländern Bayern und Brandenburg die Botendienstquote mit 2,7 Prozent am zweitniedrigsten.
24 Apotheken verursachen ein Viertel der Ausgaben
Und dann gibt es Apotheken, die die neue Abrechnungsmöglichkeit besonders extensiv nutzen: „Allein 24 Apotheken (von über 14.000) sind für ein Viertel der Ausgaben verantwortlich. Bei den fünf Spitzenreitern, die die höchsten Beträge abgerechnet haben, liegt die Quote durchschnittlich bei 17 Prozent“, heißt es im Text. Einige Apotheken hätten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abgerechnet. Für sie rechne sich das Geschäft, so die Autorinnen: Während die durchschnittliche Apotheke seit Einführung etwa 2.000 Euro für den Botendienst von den Ersatzkassen erhalten habe, habe der Spitzenreiter im gleichen Zeitraum mehr als 70.000 Euro erlöst. „Hochgerechnet auf die gesamte GKV und ein ganzes Jahr ergibt sich der schwindelerregende Wert von etwa 200.000 Euro.“
Und die vdek-Vertreterinnen fürchten Nachahmer: Stehen der Fuhrpark und das Personal erstmal, lohnt sich die Sache betriebswirtschaftlich immer mehr. „Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass mehr Apotheken auf den Zug aufspringen und die Kosten dafür noch erheblich steigen werden.“ Die Einführung des E-Rezepts werde diese Entwicklung sicher noch befördern, so die Autorinnen.
Entschädigung für die Nicht-Untersagung des Rx-Versandhandels
Zuletzt behaupten die Autorinnen noch, die „zusätzlich zur regulären Vergütung“ eingeführte Leistung sei „weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern“. Woran sie das festmachen, lassen sie allerdings offen. Ihre Schlussfolgerung ist, die Botendienstvergütung müsse „wahrscheinlich als eine ‚Entschädigung‘ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte“. Auch das ist eine zumindest nicht unumstrittene These. Immerhin gilt in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten das Rx-Versandverbot.
6 Kommentare
Wo ist die Fachkompetenz der Kassen geblieben?
von Thomas Eper am 19.08.2021 um 11:48 Uhr
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Versteh ich nicht
von Stefan Haydn am 19.08.2021 um 9:59 Uhr
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Botendienst und Land
von Karl Friedrich Müller am 19.08.2021 um 8:27 Uhr
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AW: Botendienst und Land
von Karl Friedrich Müller am 19.08.2021 um 8:36 Uhr
Wer die „gleich langen Spieße“ findet, darf sie behalten
von Ein Autor :-) am 18.08.2021 um 23:07 Uhr
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Hallo? Geht's noch?
von Armin Spychalski am 18.08.2021 um 18:55 Uhr
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