Nagelpilz

Welche Rolle spielt der Terbinafin-Lack?

Waren (Müritz) - 18.08.2021, 07:00 Uhr

Terbinafin gilt als wirksamste orale Therapie bei Nagelpilz. Könnte das dem topischen Antimykotikum zum Verhängnis werden? (x / Foto: Denis Chernousov / AdobeStock)

Terbinafin gilt als wirksamste orale Therapie bei Nagelpilz. Könnte das dem topischen Antimykotikum zum Verhängnis werden? (x / Foto: Denis Chernousov / AdobeStock)


Nagelneu und schon der Lack ab? Der Terbinafin-Nagellack von 1A Pharma versucht sich seit einigen Monaten auf dem heiß umkämpften Markt zu positionieren. Die Konkurrenz ist alarmiert, gilt Terbinafin doch immerhin systemisch als Mittel der ersten Wahl bei Nagelpilz. Doch genau das könnte dem Lack zum Verhängnis werden.

Seit April 2021 gibt es eine neue Option gegen Nagelpilz für die Selbstmedikation: ein Lack mit Terbinafin. Das Allylamin-Derivat spielte in diesem Szenario bisher nur als Tablette eine Rolle. In der Lokalbehandlung muss es sich nun neben den starken Konkurrenten Ciclopirox, Amorolfin und Bifonazol behaupten. Das könnte jedoch schwierig werden, glaubt Professor Pietro Nenoff. In der aktuellen DAZ 32|2021 spricht der Hautarzt über fatale Wendungen in der Mykologie und deren klinische Konsequenzen.

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Terbinafin jetzt auch als Nagellack

Bis zu 18 von 100 Menschen leiden an Nagelpilz (Onychomykose), von den Über-70-Jährigen sogar jeder Zweite. Haupterreger sind Fadenpilze (Dermatophyten), allen voran Trichophyton rubrum (ca. 65 Prozent). Systemische Antimykotika gelten wegen der Aussicht auf höhere Heilungschancen als Therapie der ersten Wahl. Die Kombination mit einer lokalen Therapie wird jedoch empfohlen. Eine lokale Monotherapie kommt nur infrage, wenn die Nagelmatrix noch nicht betroffen ist und weniger als 50 Prozent der distalen Nagelfläche befallen ist oder wenn Kontraindikationen bzw. risikoreiche Interaktionen eine Tabletteneinnahme verbieten.

Erst einmal täglich, dann einmal pro Woche

Zur lokalen Therapie stehen Nagellacke und Cremes mit Antimykotika, Präparate zur atraumatischen Entfernung des befallenen Nagelmaterials und diverse physikalische Maßnahmen zur Verfügung. Lacke werden bevorzugt eingesetzt, da der Wirkstoff über längere Zeit in den Nagel penetrieren kann. Gefragt sind wirksame und verträgliche Präparate, die zugleich bequem in der Anwendung sind.

Mit diesen Charakteristika kann auch der neue Terbinafin-Lack von 1A Pharma punkten: Aufgrund der Wasserlöslichkeit der Formulierung sind weder Lösungsmittel noch Feilen der Nägel nötig. In den ersten vier Wochen muss er einmal täglich aufgetragen werden, danach nur noch einmal pro Woche. Eine Flasche mit 3,3 ml reicht etwa sechs Monate, wenn ein oder zwei Nägel betroffen sind. Professor Pietro Nenoff, Hautarzt am Labor für medizinische Mikrobiologie in Rötha, begrüßt es, dass die Palette an Therapieoptionen erweitert wird: „Die wasserlösliche Terbinafin-Formulierung auf Basis von Chitosan, das selbst antimykotisch und penetrationsfördernd wirkt, ist prinzipiell ein guter Ansatz.“

Terbinafin systemisch die Nummer 1

Die Konkurrenz, darunter die Hersteller von Ciclopoli®, Loceryl® und Canesten® Extra Nagelset, sind entsprechend alarmiert: Seit der Terbinafin-Nagellack auf dem Markt ist, hat der Werberummel um die Selbstmedikation von Nagelpilz spürbar zugenommen. In der aktuellen Ausgabe der DAZ werden die absatzstärksten Produkte mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt und die ihnen attestierten Superlative einmal kritisch unter die Lupe genommen.

Das Zittern ist nicht unbegründet, immerhin hat sich Terbinafin in einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2017 als das wirksamste systemische Antimykotikum empfohlen und ist seit Jahrzehnten erste Wahl, gefolgt von Itraconazol und Fluconazol. Doch gerade diese Pole-Position kann dem Terbinafin-Nagellack in der Lokalbehandlung zum Verhängnis werden, gibt Nenoff zu bedenken: „Da Terbinafin meist als Tablette gegeben wird, wäre es sinnvoll, lokal auf einen anderen Wirkstoff zu setzen, um mehrere Angriffspunkte zu bedienen. Das ist bisher eine rein empirische Empfehlung und müsste genauer untersucht werden. Diese Strategie ist aber auch vor dem Hintergrund einer möglichen Resistenzentwicklung nicht von der Hand zu weisen, die insbesondere für Terbinafin relevant ist.“

Nie dagewesen: Resistente Dermatophyten

Terbinafin wirkt durch die Hemmung der Ergosterol-Biosynthese und der Squalen-Epoxidase in der Pilzzellmembran fungizid gegen Dermatophyten und Schimmelpilze und fungistatisch gegen einige Hefen. Jahrzehntelang galt es als verlässliches und gut wirksames Mittel bei verschiedenen Mykosen. Doch die breite Anwendung hat Spuren hinterlassen: Seit einigen Jahren beobachten Nenoff und Kollegen steigende Werte der minimalen Hemmkonzentration (MHK), was für die Entwicklung von Resistenzen spricht. „Hautärzte und Wissenschaftler sind selbst überrascht. Resistenzen gegen Dermatophyten kannte man bisher nicht.“ Besonders ernst sei das Problem in Indien, wo ansonsten gesunde Personen unabhängig vom Alter schwerste Hautinfektionen entwickeln, die auf Terbinafin nicht mehr ansprechen.

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Dafür verantwortlich gemacht wird ein neuer Genotyp von Trichophyton mentagrophytes, der auch schon in Deutschland nachgewiesen wurde, ebenso wie andere Resistenzen. „Allein in diesem Jahr wurden schon vier oder fünf Stämme isoliert, die in vitro und genetisch eine Punktmutation im Squalen-Monooxygenase(SQLE)-Gen, einer Zielstruktur von Terbinafin, zeigten.“ Das wird Konsequenzen haben, ist sich Nenoff sicher. „Es gibt deutsche Kollegen, die Terbinafin gar nicht mehr systemisch einsetzen, sondern ausschließlich Itraconazol verordnen. So weit würde ich aber nicht gehen.“

Für ihn und etwa 98 Prozent aller Hautärzte ist Terbinafin nach wie vor das Mittel der ersten Wahl zur oralen Therapie von Nagelpilz. Allerdings habe man bei nicht heilen wollenden Mykosen die Resistenzentwicklung gegen Terbinafin im Hinterkopf.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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