Nach COVID-19-Impfungen

Myokarditis eher bei Jüngeren, Perikarditis eher bei Älteren?

Stuttgart - 19.08.2021, 09:15 Uhr

Vergleicht man die Myokarditisraten nach COVID-19-Impfung mit deren Häufigkeit vor Verfügbarkeit der Impfstoffe, so lag die durchschnittliche monatliche Zahl an Myokarditis- oder Myoperikarditisfällen in der Zeit vor der Impfung  bei 16,9 Fällen gegenüber 27,3 in der Zeit nach der Impfung. (Foto: shot4sell / AdobeStock)

Vergleicht man die Myokarditisraten nach COVID-19-Impfung mit deren Häufigkeit vor Verfügbarkeit der Impfstoffe, so lag die durchschnittliche monatliche Zahl an Myokarditis- oder Myoperikarditisfällen in der Zeit vor der Impfung  bei 16,9 Fällen gegenüber 27,3 in der Zeit nach der Impfung. (Foto: shot4sell / AdobeStock)


Wie oft kommt es zu einer Myokarditis oder Perikarditis nach einer COVID-19-Impfung – treten die kardialen Ereignisse tatsächlich häufiger auf im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit? US-Wissenschaftler verglichen diese Inzidenzen an 40 amerikanischen Krankenhäusern und publizierten ihre Ergebnisse nun im Fachjournal „JAMA“. Dabei stießen sie auf eine weitere Auffälligkeit: Während eine Myokarditis nach COVID-19-Impfung insbesondere Jüngere und rasch nach der Impfung trifft, tritt eine Perikarditis bevorzugt bei Älteren und verzögert auf.

In sehr seltenen Fällen kann es nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen Comirnaty® (Pfizer/Biontech) und Spikevax® (Moderna) zu Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) kommen – ein Rote-Hand-Brief informierte im Juli darüber. Auch die CDC (Centers for Disease Control and Prevention) – die US-amerikanische Seuchenbehörde – hatte Fälle von Myokarditis und Perikarditis nach COVID-19-Impfungen beobachtet, meistens bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 16 Jahren und häufiger nach der zweiten als nach der ersten Dosis eines der beiden mRNA-COVID-19-Impfstoffe. Die meisten Patienten sprechen den Erfahrungen der CDC zufolge gut auf eine Behandlung an und erholen sich rasch. Doch wie häufig treten Herzmuskelentzündungen eigentlich im Vergleich mit und ohne vorherige Corona-Impfung auf? Dieser Frage gingen US-amerikanische Wissenschaftler nach.

Vergleich der Myokarditisraten mit und ohne Impfung

Sie verglichen die monatlichen Diagnoseraten einer Myokarditis, Perikarditis und Myoperikarditis in Zeiten, bevor es die COVID-19-Impfung gab, mit den monatlichen Diagnoseraten – wie viele Menschen kommen pro Monat wegen einer Myokarditis, Perikarditis oder Myoperikarditis ins Krankenhaus – nach einer COVID-19-Impfung. Dafür analysierten die Wissenschaftler Daten von elektronischen Patientenakten aus 40 Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten und verglichen die monatliche Myokarditisrate im Zeitraum Januar 2019 bis Januar 2021 (vor COVID-19-Impfung) mit dem nach der Impfung (Februar 2021 bis Mai 2021). Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher am 4. August im amerikanischen Ärzteblatt „JAMA“ .

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Myokarditis: jung, männlich und rasche Entwicklung

Von den rund zwei Millionen Menschen, die mindestens eine COVID-19-Impfung erhalten hatten (Pfizer/Biontech 52,6 Prozent der Impfungen, Moderna 44,1 Prozent der Impfungen, Johnson & Johnson 3,1 Prozent der Impfungen), entwickelten 20 eine Myokarditis (1 von 100.000) – elf Menschen hatten den Impfstoff von Moderna und neun den von Pfizer/Biontech erhalten. Die Myokarditis wurde im Median 3,5 Tage nach der Impfung beobachtet, drei Viertel der Erkrankten waren männlich, das Durchschnittsalter lag bei 36 Jahren. Häufiger trat die Myokarditis nach der zweiten Impfung auf (16 Fälle, 80 Prozent) als nach der ersten Dosis (4 Fälle, 20 Prozent). Nahezu alle Patienten wurden ins Krankenhaus eingeliefert und nach zwei Tagen (Median) entlassen. Interessant ist auch die Beobachtung, dass zwei Patienten trotz einer aufgetretenen Myokarditis ihre zweite Impfdosis erhielten – ihre Symptome verschlimmerten sich nicht. Kein Patient starb. 13 Patienten waren zum Zeitpunkt der Nachbeobachtung (nach 23,5 Tagen) genesen, bei sieben besserten sich die Symptome.

Perikarditis: ältere Menschen und verzögertes Auftreten

Wie sieht es mit einer Perikarditis aus? Diese kam insgesamt häufiger vor: Von den gut zwei Millionen Menschen, die mindestens eine COVID-19-Impfung erhalten hatten, entwickelten 37 eine Perikarditis (1,8 von 100.000). Auch hier kam es – allerdings nur etwas – häufiger nach der zweiten Dosis (22 Menschen, 59,5 Prozent) als nach der ersten Dosis (15 Menschen, 50,5 Prozent) zu dem kardialen Ereignis und häufiger bei Männern (73 Prozent) als bei Frauen. Interessanterweise traten hier auch zwei Fälle nach Impfung mit dem Vektorimpfstoff von Janssen (Johnson & Johnson) auf, am häufigsten wurde eine Perikarditis nach Pfizer/Biontech-Impfung beschrieben (23 Fälle, 62 Prozent), nach Moderna gab es zwölf Fälle (32 Prozent).

Unterschiede zu einer Myokarditis gab es beim Alter der Geimpften und auch wann die Perikarditis auftrat: So lag das Durchschnittsalter der Geimpften mit Perikarditis bei 59 Jahren, ihre Symptome entwickelten die Erkrankten 20 Tage nach Impfung (Median). Keiner der Erkrankten musste auf der Intensivstation behandelt werden oder verstarb. Im Schnitt verließen die Patienten die Klinik nach einem Tag. Zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung (nach 28 Tagen) waren sieben Patienten gesundet, bei 13 hatten sich die Symptome gebessert.

Myokarditis und Perikarditis häufiger nach Impfung

Vergleicht man nun diese kardialen Ereignisse nach COVID-19-Impfung mit deren Häufigkeit vor Verfügbarkeit der Impfstoffe, so traten sie in der Tat häufiger auf: Die durchschnittliche monatliche Zahl an Myokarditis- oder Myoperikarditisfällen in der Zeit vor der Impfung lag bei 16,9 gegenüber 27,3 in der Zeit nach der Impfung. Die durchschnittliche Anzahl der Perikarditisfälle in den gleichen Zeiträumen betrug 49,1 (vor der Impfung) beziehungsweise 78,8 (nach der Impfung).

Einschränkungen der Studie

Die Wissenschaftler betonen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Myo- oder Perikarditis nicht zwingend einen ursächlichen Zusammenhang belegt, auch wenn die kurzen Abstände der Ereignisse zum Impfzeitpunkt sowie die höheren Inzidenzen in den Studienkrankenhäusern eine mögliche Verbindung „nahelegen“. Die Wissenschaftler geben auch zu bedenken, dass Fälle in externen Pflegeeinrichtungen nicht berücksichtigt wurden, wodurch das Auftreten der kardialen Ereignisse möglicherweise auch unterschätzt sein könnte.

Nichtsdestotrotz kommen sie zu dem Schluss, dass sich ihre Ergebnisse mit den Beobachtungen der CDC decken, auch wenn sie eine höhere Inzidenz der möglichen Nebenwirkungen feststellten. Dabei fanden die Wissenschaftler zudem heraus, dass sich eine Myokarditis bei jüngeren Patienten rasch und meist nach der zweiten Impfung entwickelte, eine Perikarditis hingegen trat bei älteren Patienten und später auf und entweder nach der ersten oder nach der zweiten Dosis.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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