Ökotest

Saure Intimwaschlotionen sind nicht automatisch gut

Stuttgart - 13.09.2021, 07:00 Uhr

Braucht man zur Intimhygiene spezielle Intimwaschlotionen? (s / Foto: mike / AdobeStock)

Braucht man zur Intimhygiene spezielle Intimwaschlotionen? (s / Foto: mike / AdobeStock)


Auf einen sauren pH-Wert bei Intimwaschlotionen zu achten, ergibt Sinn, wobei auch reines Wasser nicht unterschätzt werden sollte. Allerdings musste Ökotest feststellen, dass sich in den meisten Intimwaschlotionen auch Stoffe tummeln – PEG, kritisische Duftstoffe –, die an dem oft als „sensitiv“ ausgelobten Reinigungsprodukt zweifeln lassen.

Ist reines Wasser ausreichend, um den Intimbereich zu reinigen – oder vielleicht sogar das Beste? In der Tat klappt die Selbstreinigung von Vagina und Vulva eigentlich ganz gut: Physiologische Milchsäurebakterien sorgen für ein leicht saures Milieu der Scheide (pH 3,8 bis 4,5), indem sie unter dem Einfluss von Estrogenen Glykogen zu Milchsäure verstoffwechseln, was Bakterien  und Pilze in Schach hält. Nutzt man statt Wasser Seife oder Duschgel, sind diese Reinigungsmittel vom pH-Wert meist basischer als das saure Intimmilieu und stören die ausgeklügelte Mikroflora – auch wenn man sich subjektiv vielleicht mit Seife & Co. sauberer und frischer fühlen mag.

Schützende Fettsäuren ausgewaschen

Ist es also vielleicht sinnvoll, auf gewöhnliche Seifen zu verzichten und lieber spezielle Intimwaschlotionen zu nutzen – die meisten werben bereits mit einem sauren pH-Wert, was das Problem des gestörten Säure-Basen-Gleichgewichts ja aus dem Weg räumen müsste. Doch so einfach ist es nicht, denn: Die Tenside waschen die „schützenden Fettsäuren“ der Haut aus – „das kann auch mit Reinigungsmitteln mit einem sauren pH passieren“, erklärt Christian Albring, Gynäkologe und Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, in der aktuellen Ausgabe von „Ökotest“ (9|2021).

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Und wäre das das einzige Problem von Intimwaschlotionen, wäre es wahrscheinlich noch gut: Ökotest hat 20 Intimwaschlotionen geprüft – um im Testkorb von Ökotest zu landen, mussten sie als „sensitiv“, „sanfte Reinigung“ oder „milde Reinigung“ ausgelobt sein. Mit dabei waren Waschlotionen aus Apotheken, Drogerien, Discountern und Supermärkten. Die Preisspanne reichte von 1,17 Euro bis 23,90 Euro je 200 ml. Ist teuer gleich gut? Und was macht eine gute Intimwaschlotion nach den Kriterien von Ökotest aus? In gewohnter Manier prüfte Ökotest auf kritische Duftstoffe, Formaldehyd, Silikone, Paraffine und Kunststoffpolymere sowie überflüssige Verpackungskartons bei Nicht-Glasbehältern – und wurde fündig. Wie sonst ließe sich erklären, dass die meisten Intimwaschlotionen mit „befriedigend“ und schlechter bewertet wurden?

Ungenügend: Duftstoffe und PEG

Die letzten Ränge belegen Kade Femin Intimwaschlotion von Dr. Kade und Sagella pH 3,5 von Meda Pharma – beide gibt es auch in Apothekern zu kaufen – sowie Vionell ph Balance: Alle enthalten Polyethylenglykole oder deren Derivate (PEFG/PEG-Derivate). An PEG beziehungsweise PEG-Derivaten übt Ökotest stets Kritik, dienen sie in Kosmetika als Penetrationsförderer. Allerdings – und das ist die Krux an der Sache – machen PEG die Haut nicht nur durchlässiger für gewünschte, sondern auch für unerwünschte Stoffe, weswegen Ökotest sie ablehnt.

Besser ohne Duftstoffe

Gestört haben Ökotest außerdem die Duftstoffe – und zwar generell: „Erschreckend: Nur drei Waschlotionen sind überhaupt parfümfrei“, und allein für das Vorhandensein von Duftstoffen hat Ökotest diesmal Bewertungspunkte einkassiert. Vor allem jedoch, wenn die Duftstoffe zusätzlich noch umstritten sind – wie künstlicher Moschusduft oder Lilial. Wie auch PEG ist auch Lilial Ökotest schon seit langem ein Dorn im Auge. Auch die Verbraucherschützer der EU beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit dem Duftstoff – wobei Beschreibungen wie „nicht sicher“ schon vor Jahren fielen. Mittlerweile ist der Duftstoff als reproduktionstoxisch eingestuft und wird aller Voraussicht nach ab März 2022 in Kosmetika verboten sein. Unerwünscht ist Lilial in Intimwaschlotionen aber bereits jetzt – gefunden wurde es jedoch in Sagella, wobei der Hersteller dies laut Ökotest noch nicht einmal deklariert hat.

Auch künstlichen Moschusduft will Ökotest nicht in Kosmetika sehen, Galaxolid reichere sich im Fettgewebe an und finde sich auch in der Muttermilch – aber auch in Kade Femin und Vionell.

Der lange Weg von Lilial bis zum baldigen Verbot

Auch auf EU-Ebene ist man seit Jahren skeptisch bei Lilial. Der wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU-Kommission (SCCS, Scientific Committee on Consumer Safety) – in dem auch ein Vertreter des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sitzt – kam im Jahr 2015 zu der Einschätzung, dass Lilial „nicht sicher“ in der Verwendung als Duftstoff ist, und zwar sowohl bei abwaschbaren (Rinse-off) als auch auf der Haut verbleibenden (Leave-on) Kosmetika. Zur Mutagenität könne man keine abschließende Bewertung abgeben, hieß es 2015, Lilial berge jedoch zumindest das Risiko für Hautsensibilisierungen. Lilial muss auf der Packung deklariert sein, wenn in Leave-on-Produkten mehr als 10 ppm und in Rinse-off-Produkten mehr als 100 ppm enthalten sind. 

Das SCCS beschäftigte sich seit der Einschätzung von 2015 jedoch weiter mit dem Duftstoff: Im Mai 2019 erklärte das Wissenschaftliche Komitee dann zu Lilial – und zwar speziell zum para-Isomer und nicht zum meta-Isomer! –, dass „auf Einzelproduktbasis Butylphenylmethylpropion (p-BMHCA) mit Alpha-Tocopherol bis 200 ppm als Duftinhaltsstoff in verschiedenen kosmetischen Leave-on- und Rinse-off-Produkten als sicher angesehen werden“ kann. Zur Erklärung: Alpha-Tocopherol wird teilweise als Antioxidans und als Stabilisator direkt nach dem Produktionsprozess von Lilial zugegeben. 

Jedoch gab der wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU-Kommission in seiner Einschätzung vom Mai zu bedenken, dass Lilial auch als Duftstoff in einigen nicht-kosmetischen Produkten verwendet wird – wie Haushaltsreiniger und Waschmittel. Da keine spezifischen Expositionsdaten hierzu vorlagen, konnte das SCCS die Lilial-Belastung durch nicht-kosmetische Produkte auch nicht in der tatsächlichen Gesamtsumme der Expositionsszenarien berücksichtigen. „Die Exposition des Verbrauchers kann höher sein als die Exposition durch kosmetische Mittel allein“, so das Fazit. Das sieht das SCCS nicht unkritisch: Betrachte man nämlich das Gesamtrisiko, das sich aus der Verwendung verschiedener lilialhaltiger Produkte zusammen ergibt, könne sodann Butylphenylmethylpropionat in den vorgeschlagenen Konzentrationen nicht als sicher angesehen werden, so das SCCS. 

Hintergrund für die differenzierte Betrachtung des para-Isomers von Lilial war, dass im März 2017 die IFRA (International Fragrance Association) den Kommissionsdienststellen ein neues Sicherheitsdossier speziell zu para-Lysmeral vorgelegt hatte, mit dem Ziel, die Verwendung des para-Isomers zu verteidigen. Das meta-Isomer wurde laut SCCS vom Hersteller BASF selbst als mutagen eingestuft und wird auch vom SCCS als kritische Verunreinigung bewertet.

Mittlerweile – seit dem Jahr 2020 – ist Lilial als reproduktionstoxisch eingestuft und wird voraussichtlich ab März 2022 in Kosmetika verboten sein.

Wie schneidet zertifizierte Naturkosmetik ab?

Nur ein Stück besser schneiden Vagisan und Sebamed Intimwaschlotion ab. Sie bekommen von Ökotest ein „ausreichend“, denn auch sie gehören zu den parfümierten Intimwaschlotionen, die zudem PEG enthalten. Selbst die beiden zertifizierten Naturkosmetikprodukte (Bioturm und Fair Squared Apricot Washing Lotion) wollen auf Duftstoffe nicht verzichten, wenigstens aber auf die Polyethylenglykole, weswegen es zumindest die Note „gut“ gibt. Doch wer macht es denn jetzt richtig von den Herstellern?

Welche Intimwaschlotionen sind „sehr gut“?

„Sehr gut“ gibt es für die Intimwaschlotionen Jessa von dm und Natuvell von Globus: keine Duftstoffe, keine PEG, keine unnötige Pappkarton-Verpackung – einzig beim Rezyklatanteil der Kunststoffflasche ist noch Luft nach oben. Sowohl dm wie auch Globus nutzen nämlich kein recyceltes Plastik dafür. Immerhin vier weitere Intimwaschlotionen schaffen noch eine gute Bewertung: CD, Facell, Ream und Sophie.

Wenigstens stimmen die pH-Werte

Bei einem Punkt schneiden tatsächlich alle Intimwaschlotionen-Hersteller sauber ab: Alle pH-Werte liegen im sauren Bereich – und das sogar im deklarierten. Kein Hersteller hat hier folglich gemogelt. Ein angepasster pH-Wert ergibt durchaus Sinn – wenn es denn eine Intimwaschlotion zur Reinigung sein muss –, denn es könne nach dem Waschen sonst Stunden dauern, bis der gesunde pH-Wert der Haut wieder hergestellt sei, erklärt Albring.

Abschließend bleiben Ökotest jedoch nur acht Empfehlungen: „Zwei sehr gute und sechs gute Intimwaschlotionen können wir für eine sanfte Reinigung empfehlen“, erklärt Ökotest. Und: Klares Wasser sei völlig ausreichend zur Reinigung des Intimbereichs.

Die vollständigen Testergebnisse gibt es bei Ökotest.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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