Maltodextrin und Co. hinterlassen Spuren in der Mikrobiota

Emulgatoren unter Verdacht

Stuttgart - 16.09.2021, 07:00 Uhr

Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 induzierten in Konzentrationen zwischen 0,1 Prozent und 1 Prozent einen dauerhaften, scheinbar schädlichen Einfluss auf die Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiota. (x / Bild: skd / AdobeStock)

Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 induzierten in Konzentrationen zwischen 0,1 Prozent und 1 Prozent einen dauerhaften, scheinbar schädlichen Einfluss auf die Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiota. (x / Bild: skd / AdobeStock)


Nicht nur in Cremes, sondern auch in verarbeiteten Lebensmitteln sind häufig Emulgatoren anzutreffen. Sie dienen einer verbesserten Textur und Haltbarkeit. Dass sie bei der Aufnahme über die Nahrung zu einer Dysbalance der Mikrobiota führen und dadurch die Entstehung entzündlicher Darmerkrankungen begünstigen könnten, haben Forscher vor Kurzem in einem In-vitro-Modell demonstriert.

Da in den vergangenen Jahrzehnten die Prävalenz nicht infektiöser Entzündungserkrankungen trotz gleichbleibender Humangenetik zugenommen hat, geht man davon aus, dass Umweltfaktoren als Auslöser für diese Erscheinungen verantwortlich sind. Insbesondere Lebensmittelzusatzstoffe sind dabei in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Sie werden oft nicht resorbiert und interagieren wahrscheinlich direkt mit den Darm-Mikrobiota. 

So zeigten mehrere Studien, dass künstliche Süßstoffe und Polysaccharide die Entstehung von Entzündungen fördern. Auch den in Nahrungsmitteln enthaltenen Emulgatoren wird zunehmend eine solche Wirkung unterstellt. Emulgatoren, die ein homogenes Vermischen von nicht mischbaren Flüssigkeiten ermöglichen, werden in der Industrie genutzt, um die Textur und Haltbarkeit der Lebensmittel zu verbessern.

In Tests gelten sie im Allgemeinen zwar als untoxisch und nicht mutagen, eine entzündungsfördernde Auswirkung wird jedoch noch immer diskutiert. So begünstigt beispielsweise Carageenan in Nagetieren die Entwicklung von entzündlichen Darmerkrankungen. Auch über die beiden synthetischen Emulgatoren Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 ist aus Untersuchungen an Mäusen bekannt, dass sie die Zusammensetzung und die Funktion der Mikrobiota nachhaltig verändern und dadurch möglicherweise die Entstehung von entzündlichen Darmerkrankungen ­begünstigen.                      

20 Substanzen im Test

Forscher wollten nun wissen, ob das auch auf andere in Lebensmitteln enthaltene Emulgatoren zutrifft und haben 20 Emulgatoren genauer unter die Lupe genommen. Dazu sammelten sie zunächst Fäkalproben in einem MiniBioReactor Array, der unter anaeroben Bedingungen eine dynamische stabile Kultur humaner Mikrobiota ermöglicht. Jeweils vor, während und nach der Zugabe der verschiedenen Emulgatoren wurden Proben entnommen, in denen neben der Dichte und der Zusammensetzung der Mikrobiota auch die Genexpression und die Menge an proinflammatorischen Lipopolysacchariden und Flagellin bestimmt wurden.

Negative Auswirkungen auf die Funktion der Mikrobiota

Erwartungsgemäß zu anderen Studien induzierten Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 in Konzentrationen zwischen 0,1 Prozent und 1 Prozent einen dauerhaften, scheinbar schädlichen Einfluss auf die Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiota. Auch einige der anderen Emulgatoren verringerten in einer Konzentration von 0,1 Prozent die Bakteriendichte (z. B. Maltodextrin, Guarkernmehl) oder erhöhten diese (z. B. Glycerinstearat, Sorbitanmonostearat).

Die meisten, jedoch nicht alle untersuchten Substanzen führten zudem zu einer veränderten Zusammensetzung der Mikrobiota, die sich zum Beispiel in Form einer Abnahme von Lactobacillus- und Streptococcus-Arten äußerte. Einige Emulgatoren (u. a. Polysorbat 80, Agar-Agar, Iota-Carrageen) reduzierten signifikant die Besiedlung mit Faecalibacteriae, die für ihre entzündungshemmende Wirkung bekannt sind. (Auch bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen konnte ein Mangel an Faecalibacterium prausnitzii in Studien gesehen werden). Zudem kam es unter mehreren Emulgatoren zur vermehrten Bildung von entzündungsfördernden Molekülen wie Lipopolysacchariden und Flagellin.

Klinische Studien gefordert

Die Forscher schlussfolgern, dass die meisten Emulgatoren in vitro einen negativen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Funktion der Mikrobiota haben. Einige der stärksten Veränderungen rief dabei Maltodextrin hervor, eine von den Behörden nicht als Emulgator eingestufte Substanz, die aber emulgierende Eigenschaften besitzt. Auch Carageene und Gummisubstanzen fielen den Experten besonders negativ auf. Lediglich unter Sojalecithin, Mono- und Diglyceriden konnten keine Auswirkungen auf die Mikrobiota festgestellt werden. Klinische Studien sollen nun die Auswirkungen von in Nahrungsmitteln enthaltenen Emulgatoren weiter unter­suchen.

Literatur

Naimi S et al. Direct impact of commonly used dietary emulsifiers on human gut microbiota. Microbiome 2021. doi: 10.1186/s40168-020-00996-6



Marina Buchheit-Gusmão, Apothekerin
redaktion@daz.online


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