Aus Bodenbakterien gewonnen

Bacteriocine – nachhaltig, günstig und eine Alternative zu Antibiotika?

Düsseldorf - 08.10.2021, 10:45 Uhr

Fluoreszierende Sensorbakterien, helfen den Forschenden dabei, antimikrobielle Peptide wie Bacteriocine zu detektieren. Die Fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen zeigen einzelne Bakterien (A) bzw. Kulturen auf Agarplatten (B und C). (b/Abbildungen: Christian Riedel/ Universität Ulm)

Fluoreszierende Sensorbakterien, helfen den Forschenden dabei, antimikrobielle Peptide wie Bacteriocine zu detektieren. Die Fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen zeigen einzelne Bakterien (A) bzw. Kulturen auf Agarplatten (B und C). (b/Abbildungen: Christian Riedel/ Universität Ulm)


Weiterentwicklung bereits existierenden Methoden zur Reinigung möglich

Das nicht-pathogene Bodenbakterium ist bereits ein etabliertes Plattform-System in der Biotechnologie und wird bislang besonders für die Herstellung von Aminosäuren wie Glutamat benutzt, die industriell Verwendung als Geschmacksverstärker findet. Das mache es leicht, hochreine Wirkstoffe zu gewinnen, erklärt der Forscher. „C. glutamicum ist ein biotechnologischer Plattform-Organismus, für den bereits sehr viele Methoden zur Kultivierung wie Medien, Substrate sowie Produktreinigung existieren – unter anderem auch zur Produktion von etwa Substanzen für medizinische Infusionslösungen und so weiter. Diese könnte man dann relativ einfach auf Bacteriocine übertragen oder weiterentwickeln“, erklärt er.

Das Projekt der Forscher:innen ist Teil des von der EU im Rahmen von Horizon2020 mit 5,25 Millionen Euro geförderten und von der Norwegian University of Science and Technology koordinierten internationalen Forschungsverbundes „iFermenter“. Dabei steht „die Entwicklung einer intelligenten Bioprozesstechnologie, die es möglich macht, antimikrobielle Proteine aus Abfällen der Holzindustrie zu synthetisieren“ im Fokus. Dementsprechend arbeiteten die Wissenschaftler:innen nicht nur daran, die Bacteriocin-Produktion auch im großtechnischen Maßstab zu ermöglichen, sondern auch, die Technologie der Fermenter günstiger und ressourcenschonender zu machen. „Anstatt teurer Nährmedien verwenden wir Abfallstoffe aus der Holzindustrie als Substrate für die Produktion“, erklärt Riedel.

Entsprechende genetische Modifikationen an C. glutamicum, die das ermöglichen, stammen dabei von kooperierender Forscher:innen an der Universität des Saarlandes aus der Arbeitsgruppe von Professor Christoph Wittmann. „Dies macht es für unsere Bakterien möglich, Zucker und organische Säuren aus den Holzabfällen zu verwerten, um daraus schließlich die antimikrobiellen Peptide zu bilden“, sagt Riedel. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden ergebe sich dabei deutlich mehr Nachhaltigkeit und auch eine Kostenersparnis. „Teil des Projektes war auch ein Life Cycle Assessment also eine Berechnung etwa des Energieverbrauchs und CO2-Abdrucks des neuen Verfahrens durch unsere Partner von der Universität Santiago de Compostela in Spanien“, erklärt Riedel.

Erstes vorsichtiges Interesse der Industrie

Auch wenn zukünftig andere Wirkstoffe in dem System erzeugt werden sollen, sei das Abfallstoff-Medium kein Problem. „Es ist nur auszuschließen, dass die relativ ‚dreckigen‘ Substrate aus der Holzindustrie keine Substanzen enthalten, die mit dem Produkt interagieren beziehungsweise dieses inaktivieren“, sagt der Professor.

Als weitere Schritte arbeite man nun an verschiedenen Aspekten. Dabei gehe es um die Etablierung von Produzenten weiterer Bacteriocine, die Verwendung nachhaltiger Substrate etwa aus den Abfallströmen der Holzindustrie sowie um die Prozessoptimierung, um die Ausbeute weiter zu erhöhen.

Seitens der Industrie gebe es bereits vorsichtiges Interesse. „Im Projekt sind auch europäische Firmen, die Bacteriocine aus den bisherigen Produktionsverfahren für die Nahrungsmittelkonservierung vertreiben. Aufgrund der Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen halten diese sich aber noch bedeckt. Um für Pharmafirmen für die Produktion von Bacteriocinen als Antibiotikaersatz interessant zu werden, müssten wir wahrscheinlich auch noch etwas an den Produkttitern arbeiten“, sagt der Ulmer Forscher.

Für die Zukunft wünscht er sich nach dem Ende des laufenden Projektes ein Nachfolgeprojekt. „In dem könnte man dann etwa die nächste Stufe im Upscaling angehen, das Downstream-Processing optimieren oder weitere Produkte angehen. Gerne auch unter Beteiligung von Firmen, die Interesse haben, Bacteriocine in großer Reinheit als Produkt auf den Markt zu bringen“, sagt Riedel.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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