Rolling-Review-Verfahren

Vorbeugung von COVID-19 mit Tixagevimab und Cilgavimab

Stuttgart - 15.10.2021, 15:15 Uhr

Tixagevimab und Cilgavimab konnten bei Nichtinfizierten in der Präexpositionsrophylaxe das Risiko für schwere COVID-19-Infektionen verringern. (x / Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock) 

Tixagevimab und Cilgavimab konnten bei Nichtinfizierten in der Präexpositionsrophylaxe das Risiko für schwere COVID-19-Infektionen verringern. (x / Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock) 


Ein weiteres Antikörper-Duo gegen COVID-19 fordert derzeit die EMA: Sie hat das Rolling-Review-Verfahren zu Tixagevimab und Cilgavimab gestartet. Die Antikörper gegen das Spikeprotein von SARS-CoV-2 reduzierten in Studien das Risiko für schweres COVID-19 und Tod bei symptomatischen Patienten und auch in der Präexpositionsprophylaxe. Vorteil von Evusheld soll die intramuskuläre Verabreichung und die lange Wirkdauer sein.

Die EMA prüft eine Antikörperkombination zur Prävention von COVID-19 bei Erwachsenen: Am 14. Oktober startete sie das Rolling-Review-Verfahren zu Tixagevimab und Cilgavimab in Evusheld® (AZD7442). Antragsteller ist AstraZeneca. Die Grundlage für den Start der fortlaufenden Prüfung bilden vorläufige Ergebnissen aus klinischen Studien. Diese deuten laut EMA darauf hin, dass Evusheld vor COVID-19 schützen könnte. Zuerst begutachtet die EMA nun nicht klinische Daten aus Labor- und Tierstudien.

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Bei Tixagevimab und Cilgavimab handelt es sich um zwei humane monoklonale Antikörper, die an zwei verschiedenen Stellen des Spikeproteins von SARS-CoV-2 binden und dadurch verhindern sollen, dass SARS-CoV-2 in menschliche Zellen eindringt und diese infiziert. Durch die verschiedenen Angriffspunkte könne die Kombination der beiden Antikörper wirksamer sein als die einzelnen Antikörper allein, erklärt die EMA.

Optimierte Antikörper mit längerer Halbwertszeit

Die Antikörper stammen ursprünglich aus B-Zellen von rekonvaleszenten Patienten nach SARS-CoV-2-Infektion. AstraZeneca hat diese optimiert: Tixagevimab und Cilgavimab weisen eine verlängerte Halbwertszeit und dadurch eine verlängerte Wirkdauer auf – sie sei im Vergleich zu herkömmlichen Antikörpern mehr als verdreifacht, teilt AstraZeneca mit, weswegen der Hersteller auch von LAABs – long acting antibodies – spricht. Eine einmalige Verabreichung könne einen COVID-19-Schutz von bis zu zwölf Monaten bieten, und Phase-1-Studiendaten zeigten hohe neutralisierende Antikörpertiter für mindestens neun Monate nach Verabreichung. Zudem hat AstraZeneca auch am Fc-Teil der beiden Antikörper „geschraubt“, sodass Tixagevimab und Cilgavimab weniger stark an den Fc-Rezeptor binden, was ihre Reaktogenität reduziert und so das „Risiko einer antikörperabhängigen Verstärkung der Krankheit minimiert“.

Tixagevimab und Cilgavimab in der Präexpositionsprophylaxe

Bereits im August hatte AstraZeneca die wichtigsten Ergebnisse der PROVENT-Studie (Phase 3, doppelblind, placebokontrolliert im Verhältnis 2:1 – 300 mg Verum oder Kochsalz-Placebo als i.m.-Injektion) bekannt gegeben – es ging dabei um die Präexpositionsprophylaxe, also einen COVID-19-Schutz vor möglichem Kontakt. Dabei konnten Tixagevimab und Cilgavimab – auch bekannt als AZD7442 – statistisch signifikant das Risiko an symptomatischen COVID-19-Erkranken verglichen mit Placebo um 77 Prozent reduzieren. Zudem erkrankte keiner der mit Tixagevimab und Cilgavimab behandelten Patient:innen schwer oder verstarb, in der Placebogruppe gab es drei schwere COVID-19-Verläufe und zwei Todesfälle. Insgesamt kam es bei 5.172 ausgewerteten Studienteilnehmer:innen zu 25 COVID-19-Fällen. 

Durch die lange Halbwertszeit könnten Tixagevimab und Cilgavimab damit auch bei nicht infizierten Risikopatient:innen, die vielleicht nicht geimpft werden können, möglicherweise prophylaktisch einmal jährlich verabreicht werden, um sie vor schwerem COVID-19 zu schützen.

Tixagevimab/Cilgavimab reduziert Risiko für schweres COVID-19

Erst vor wenigen Tagen, am 11. Oktober, informierte AstraZeneca sodann über vorläufige Ergebnisse einer weiteren Phase-3-Studie: TACKLE. Hier hatten nicht hospitalisierte Patient:innen mit leichtem bis mittelschwerem symptomatischem COVID-19 entweder Tixagevimab und Cilgavimab oder Placebo erhalten. Bei einer Dosis von 600 mg Tixagevimab/Cilgavimab (i.m.) verringerte sich das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken oder zu versterben, verglichen mit Placebo um 50 Prozent, wenn die Patient:innnen seit höchstens sieben Tagen symptomatisch waren [18 COVID-19-Fälle im AZD7442-Arm (18/407) und 37 im Placebo-Arm (37/415)]. Bei früherer Therapieintervention – Symptome weniger als fünf Tage – verbesserte sich das Studienergebnis und schweres COVID-19 oder Tod ließen sich zu 67 Prozent verhindern [neun Ereignissen im AZD7442-Arm (9/253) und 27 im Placebo-Arm (27/251)]. Von den Studienteilnehmern wiesen fast alle (90 Prozent) Komorbiditäten auf, die für ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe prädisponieren. Laut AstraZeneca wurde LAAB „in der Studie im Allgemeinen gut vertragen“.

Vorteil: intramuskuläre Verabreichung

Als Vorteil neben der langen Halbwertszeiten von Tixagevimab und Cilgavimab gilt die intramuskuläre Verabreichung, was eine Gabe im ambulanten Setting deutlich vereinfacht.

Auch die FDA prüft bereits das Antikörperduo. AstraZeneca reichte Anfang Oktober einen Antrag auf Notfallzulassung ein. Dort soll Tixagevimab/Cilgavimab zur Prävention von schwerem COVID-19 und Tod bei symptomatischen COVID-19-Patienten zugelassen werden.

Derzeit prüft die EMA noch ein weiteres Antikörper-Duo: Casirivimab/Imdevimab von Roche und Regeneron. Handelsname lautet Ronapreve®. Hier läuft das Rolling-Review-Verfahren bereits seit Februar, vor wenigen Tagen hat Roche nun den Antrag auf Zulassung gestellt. Casirivimab und Imdevimab werden nicht als LAAB beworben, sie greifen jedoch wie auch Tixagevimab und Cilgavimab am Spikeprotein von SARS-CoV-2 an. Geplante Anwendungsgebiete sind die Behandlung von COVID-19 bei ab Zwölfjährigen, wenn diese keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen, aber ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, und die Prävention von COVID-19 (ebenfalls ab einem Alter von zwölf Jahren).

EMA und WHO hatten noch vor Zulassung Empfehlungen zur Anwendung veröffentlicht. Die WHO rät derzeit, dass sowohl leicht, schwer wie auch kritisch an COVID-19 Erkrankte Casirivimab und Imdevimab erhalten können und empfiehlt damit erstmals ein Arzneimittel auch für SARS-CoV-2-infizierte Patient:innen mit hohem Risiko für eine Krankenhauseinweisung zur Vorbeugung einer schwere COVID-19-Erkrankung. COVID-19-Patient:innen mit hohem Risiko für schwere Verläufe sollen 1.200 bis 2.400 mg des Antikörpercocktails erhalten, und zwar intravenös oder subkutan (bei schwer und kritisch Erkrankten wird Casirivimab und Imdevimab nur intravenös empfohlen).



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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