Selbstmedikation aus der Apotheke

Reizhusten bei Kindern – was ist empfehlenswert?

Berlin - 01.11.2021, 07:00 Uhr

Welche Arzneimittel können Apotheker Eltern von Kindern mit Reizhuten empfehlen? (Foto: veronica / AdobeStock)

Welche Arzneimittel können Apotheker Eltern von Kindern mit Reizhuten empfehlen? (Foto: veronica / AdobeStock)


Trockener Reizhusten ist ein unangenehmes Symptom, das der ganzen Familie schlaflose Nächte bescheren kann. Als „Nebenwirkung“ der Corona-Pandemie werden zudem ein Räuspern und umso mehr ein Hustenanfall vom Umfeld argwöhnisch betrachtet. Welche Wirkstoffe sind bei trockenem Reizhusten im Kindesalter indiziert und welche können für die Selbstmedikation empfohlen werden?

Trockener Husten und Kratzen oder Schmerzen im Hals sind oft die ersten Anzeichen einer Erkältung, die von verschiedenen Viren (Rhino-, Corona-, Parainfluenzaviren) hervorgerufen wird. Bei Kindern überwiegen Infektionen mit RSV-, Adeno-, Coxsackie- oder Echoviren. Im weiteren Verlauf entwickelt sich aus einem Reizhusten meistens ein produktiver Husten. Wenn die Erkältungssymptome abgeklungen sind, kann der Husten noch bis zu acht Wochen anhalten. Die Anwendung von Antitussiva sollte jedoch ohne ärztlichen Rat auf maximal zwei Wochen beschränkt werden.

Wann zum Arzt?

Die Grenzen der Selbstmedikation bei Husten sind im Kindesalter recht einfach zu ziehen. Unter zwei Jahren sollten die Beschwerden auf jeden Fall vom Kinderarzt abgeklärt werden. Zu den Gründen zählt beispielsweise eine mögliche Aspiration eines Fremdkörpers, für den die Wahrscheinlichkeit bei Säuglingen und Kleinkindern hoch ist. Am häufigsten sind Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren betroffen, Jungen etwa doppelt so häufig wie Mädchen. Neben Nahrungsmitteln wie Nüssen, Weintrauben oder Karotten zählen auch kleine Spielzeugteile zu den am häufigsten aspirierten Objekten. Nach einem plötzlichen Hustenanfall kann die weitere Symptomatik der Fremdkörperaspiration einer Atemwegsinfektion ähneln und dadurch unerkannt bleiben. Zu bedenken ist auch die Möglichkeit des Übergangs einer akuten Bronchitis in eine Lungenentzündung. Viele Kinder erleiden bereits im ersten Lebensjahr eine Infektion der unteren Atemwege, die sich zu einer Pneumonie entwickeln kann und gegebenenfalls stationär behandelt werden muss. Auch Asthma, Pseudokrupp, Mukoviszidose, Allergien sowie Kinderkrankheiten wie Masern, Keuchhusten oder Scharlach zählen zu den Erkrankungen, die bei Husten vom Arzt ausgeschlossen werden müssen.

Welche pflanzlichen Arzneimittel gibt es bei Reizhusten?

Eltern jüngerer Kinder bevorzugen häufig pflanzliche Hustenstiller. Hustenreiz-lindernd wirken Zubereitungen aus Schleimstoff-Drogen wie Eibischwurzel, Isländischem Moos oder Spitzwegerich-Blättern. Für ältere Kinder eignen sich auch Lutschpastillen. Chemisch sind Schleimstoffe Gemische von verzweigtkettigen anionischen Heteropolysacchariden. Sie sind stark hydrophil und bilden in Wasser viskose Lösungen oder Gele, die als Schutzfilm Defekte auf der entzündeten Mund- und Rachenschleimhaut abdecken. Deshalb sollte nach der Einnahme für mindestens eine halbe Stunde nichts gegessen oder getrunken werden. Zusätzlich verringert der Schutzfilm die Wirkung von Reizen auf Hustenrezeptoren der Rachenschleimhaut.

Als Hausmittel gegen Husten gilt Honig, der auch in einigen rezeptfreien Präparaten und Medizinprodukten enthalten ist (z. B. Silomat® gegen Reizhusten Eibisch-Honig-Sirup). Kindern unter einem Jahr darf er wegen des Risikos eines Säuglings­botulismus nicht verabreicht werden. Wegen der noch geringen Immun­abwehr in diesem Alter können sich im Honig enthaltene Sporen von Clostridium botulinum im Darm zu Bakterien entwickeln und Botulinumtoxin bilden. Saccharose und andere Zuckerarten im Honig und in Hustensäften steigern durch Reizung der Magenschleimhaut reflektorisch die Bronchosekretion.

Rezeptfreie synthetische Hustenstiller aus der Apotheke

Antitussiva unterdrücken den Hustenreiz in der Regel durch eine Hemmwirkung auf das Hustenzentrum in der Medulla oblongata im Stammhirn. Rezeptfreie synthetische Hustenstiller enthalten Dextromethorphan, Pentoxyverin, Benproperin oder Dropropizin. Voraussichtlich ab Januar kommenden Jahres wird auch Levodropropizin (Quimbo® Saft, Tropfen), das S-Enantiomer von Dropropizin, aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Levodropropizin blockiert Hustenrezeptoren im Tracheobronchialbaum.

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Pentoxyverin und Benproperin wirken dämpfend auf den Hustenreflex, jedoch nicht auf das Atemzentrum. Benproperin wirkt sogar atemanregend und darf deshalb auch bei eingeschränkter Atmung verwendet werden. Dennoch ist bei gleichzeitiger Behandlung mit einem Schleimlöser Vorsicht geboten, da auch dieser Wirkstoff das Abhusten des Sekrets behindern kann. Pentoxyverin besitzt zusätzlich leicht bronchodilatatorische und spasmolytische Eigenschaften. Dropropizin wirkt teilweise zentral, eine Atemlähmung ist jedoch nicht zu befürchten. In der Lunge unterbricht Dropropizin wahrscheinlich den Hustenreflex über eine Hemmung vagaler afferenter Neuronen. Dextromethorphan besitzt neben seiner sehr guten antitussiven Wirkung auch ein Abhängigkeitspotenzial; in höheren als den therapeutischen Dosierungen können Rauschzustände mit Halluzinationen, Verwirrtheit und Herzrasen auftreten. Grund dafür ist der Antagonismus von Dextromethorphan an NMDA-Rezeptoren. Besonders bei der Abgabe eines entsprechenden Hustenmittels an Jugendliche sollte das bedacht werden. Dextromethorphan wird auch in Kombination mit zentral wirksamen H1-Antihistaminika wie Diphenhydramin missbräuchlich verwendet.

Alte Marke, neuer Inhalt

Das Antitussivum Clobutinol, vertrieben unter dem Handelsnamen Silomat®, galt über Jahrzehnte als ein bewährtes rezeptfreies Mittel gegen trockenen Reizhusten. Es wurde 2007 vom Markt genommen, 2008 erfolgte der Widerruf der Zulassung. Grund waren neue Studien, die gezeigt hatten, dass der Wirkstoff zu einer QT-Strecken-Verlängerung mit der Folge lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen führen kann. Die Marke Silomat® blieb erhalten, jetzt mit Dextromethorphan oder Pentoxyverin als Wirkstoffen.

Rezeptpflichtige Antitussiva

Neben dem bereits erwähnten Levodropropizin können bei Kindern bei Reizhusten Codein, Dihydrocodein und Noscapin angewendet werden. Die antitussive Wirkung wird teilweise durch Angriff an supraspinalen Opiatrezeptoren (μ-Rezeptoren) vermittelt. Bei Kindern unter zwölf Jahren ist Codein (z. B. BronchiCodein® Tropfen) kontraindiziert, bei Kindern im Alter von zwölf bis 18 Jahren mit eingeschränkter Atemfunktion wird der Wirkstoff nicht empfohlen. Dihydrocodein (z. B. Paracodin® Saft) ist dreimal so wirksam wie Codein und kann bereits bei Kindern ab vier Jahren zum Einsatz kommen. Noscapin kann bei unproduktivem Reizhusten in den flüssigen Darreichungsformen Capval® Saft und Tropfen Kindern bereits ab sechs Monaten verordnet werden, die entsprechenden Dragees erst ab sechs Jahren.

Was bietet die Komplementärmedizin?

Anthroposophische oder homöopathische Mittel werden bei Husten ebenfalls häufig nachgefragt. Je nach Zusammensetzung wirken sie oft gegen einen Symptomkomplex. Beispielsweise kann Weleda® Hustenelixier Sirup bei akuten katarrhalischen Entzündungen der Luftwege bei Kindern ab einem Jahr sowohl zur Linderung des Hustenreizes als auch zur Förderung des Abhustens von zähem Schleim empfohlen werden. Bereits ab einem Alter von sieben Monaten wird das homöopathische Komplexmittel Monapax®-Saft unter anderem bei nächtlichem Krampfhusten angewendet. Auch bei Mitteln der Komplementärmedizin sind Anwendungsbeschränkungen zu beachten. So enthält beispielsweise Wala Plantago Bronchialbalsam® neben homöopathischen Dilutionen (z. B. aus Spitzwegerich-Blättern) auch D-Campher, der einen Kehlkopfkrampf mit Atemstillstand hervorrufen kann und deshalb bei Kindern unter zwei Jahren nicht angewendet werden darf. Auch Einreibungen mit Menthol, Eukalyptus- oder Kiefernnadelöl sind aus diesem Grund kontraindiziert. Bei Mitteln, die Thymian enthalten, sind außerdem Allergien gegen diese Pflanze oder andere Lippenblütler sowie Birke, Beifuß und Sellerie zu beachten.

Sie möchten eine tabellarische Übersicht mit allen Wirkstoffen, Präparaten und Abgabehinweisen? Diese finden Sie in der DAZ 43|2021, ebenso die Quellen zu diesem Beitrag.

DAZ 32|2021


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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