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BMJ-Whistleblower
Nach Kritik an Comirnaty-Studie: Was sagen Wissenschaftler dazu?
Ventavia, ein Subunternehmen von Pfizer, hat bei der Comirnaty-Zulassungsstudie nicht astrein gearbeitet. Welche wissenschaftlichen Auswirkungen hat das auf die Zuverlässigkeit des Pfizer/Biontech-Impfstoffs? Sind Auftragsunternehmen für klinische Studien generell mit Vorsicht zu genießen? Das „Science Media Center“ hat Wissenschaftler dazu befragt.
Bei einem der von Pfizer beauftragten klinischen Forschungssubunternehmen, Ventavia, lief bei der Comirnaty®-Zulassungsstudie nicht alles astrein. Die FDA sah trotz eines Hinweises einer Mitarbeiterin jedoch keinen Anlass, diesem nachzugehen. Dies veröffentlichte das „British Medical Journal“ am 2. November.
Was bedeutet das für die Zuverlässigkeit der Studiendaten? Ventavia betreute drei Studienzentren von 153, und 1.000 Proband:innen von 44.000. Ein schwarzes Schaf – wenn man optimistisch davon ausgeht, dass es das einzige war –, dürfte vor allem in Anbetracht der millionenfachen Real-World-Daten die Qualität von Comirnaty® nicht infrage stellen. Dennoch erschüttern solche Geschichten das Vertrauen in die Impfstoffe – und vor allem in die Aufsichtsbehörden. Was sagen Wissenschaftler dazu?
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Schnelligkeit zulasten der Sorgfalt?
Haben Pfizer und die FDA bei der Comirnaty-Studie geschludert?
Prof. Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Eberhard Karls Universität Tübingen, äußert sich gegen über dem Science Media Center so: „Das, was die Whistleblowerin aufgedeckt hat, ist ohne Frage unschön, wenngleich ich betonen möchte, dass dies meines Erachtens nicht ausreicht, um an der Qualität der klinischen Studie von Biontech/Pfizer zu zweifeln. Das ist mir einfach zu wenig. Die Impfdaten wurden schon in zahlreichen Studien bestätigt. Von daher sehe ich keinen Grund, sie deswegen jetzt infrage zu stellen.“
Sind Subunternehmen kritisch?
Kremsner weiter: „Bei klinischen Studien gibt es zwei wichtige Einheiten: die Studienleitung und den klinischen Sponsor. Letzterer ist hier Pfizer. Der klinische Sponsor ist unter anderem für die Qualitätssicherung der Daten verantwortlich. Kleinere Pharmafirmen, aber zunehmend auch größere, lagern bestimmte Aufgabenbereiche mittlerweile häufig an Subunternehmen aus, die für sie zum Beispiel bestimmte Aufgaben übernehmen. So hat es auch Pfizer gemacht, obwohl das Unternehmen definitiv in der Lage gewesen wäre, alle Aufgaben eines klinischen Sponsors selbst zu übernehmen. Im Pandemiefall muss natürlich alles schnell gehen. Die Gefahr, dass ein Subunternehmen dann womöglich nicht den Qualitätsstandards des großen klinischen Sponsors entspricht, kann in solch einem Fall steigen. Mir als Studienarzt ist es immer lieber, direkt mit dem klinischen Sponsor zu kommunizieren. Die Einbeziehung von Subunternehmen macht viele Bereiche einer klinischen Studie komplizierter und mitunter auch schlechter.“
Wirksamkeit von Comirnaty zeigt sich durch Real- World-Daten
Prof. Dr. Oliver A. Cornely, Oberarzt, Klinik I für Innere Medizin, Schwerpunkt Klinische Infektiologie, invasive Pilzerkrankungen, Uniklinik Köln, und wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Klinische Studien Köln, beantwortet die Frage, wie relevant die beschriebenen Datenprobleme in Bezug auf die Bewertung der Gesamtstudienergebnisse für den Impfstoff von Pfizer/Biontech sind, wie folgt: „Die im ,The BMJ‘-Artikel geschilderten Fehler schränken die Aussagekraft der Zulassungsstudie des Impfstoffs nicht ein. Man sollte die Daten der Probanden dieser Zentren aus der Analyse nehmen und so prüfen, ob sich die Studienaussage ändert“. Gut, dass auf diese Zentren nur etwa 2,3 Prozent der etwa 44.000 Teilnehmer entfielen. Zudem sei die Wirksamkeit inzwischen aus Daten aus Israel und anderen Ländern belegt. Und: „Wir nehmen kaum geimpfte Personen wegen COVID-19 stationär auf, erkennen also die Wirksamkeit jeden Tag.“
Wird auch in Deutschland mit privaten Forschungsorganisationen gearbeitet?
„Wir prüfen bei der Durchführung von klinischen Studien vor jedem Einschluss eines Patienten oder Probanden in eine Studie, ob die Kapazität des Studienteams ausreicht. Das Team hat das letzte Wort, nicht das Management“, so Cornely weiter. „Das ist ein organisatorischer Ablauf, der verhindert, dass das Team überlastet wird. In den komplexen Abläufen in der Durchführung klinischer Studien treten wie in jedem Lebensbereich Fehler auf. In einem verantwortungsvoll geführten Team fällt das aber zügig auf. Dann muss die Zeit vorhanden sein, um Fehler zu korrigieren und eine Wiederholung zu verhindern. Die beschriebenen Probleme sind jedes für sich nachvollziehbar, aber in der Schilderung hat keine Korrektur und keine Verbesserung der Abläufe stattgefunden. Es wurde offensichtlich eine Probandenzahl eingeschlossen, für die die entsprechende Kapazität nicht vorhanden war. Ein Einfluss der Fehler auf das Studienergebnis lässt sich derzeit nicht belegen. Es braucht dringend eine behördliche Inspektion aller Zentren der Firma Ventavia. In Deutschland werden sehr viele Inspektionen von Studienzentren durchgeführt und dadurch eine hohe Qualität gesichert. Bei uns sind Inspektionen die Regel und nicht die Ausnahme.“
Kaum Studien in Deutschland
„Private CRO gibt es in Deutschland ebenfalls, da aber in Deutschland so gut wie keine Studien zu Corona-Impfstoffen durchgeführt wurden, kann ich das nicht beurteilen. Wenn so viele Personen in Studien eingeschlossen werden, dass die Kapazität der Studiendurchführenden überschritten wird, dann fällt die Qualität und dann sinkt auch die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Ethikkommission an der medizinischen Fakultät der Universität Köln bewertet ein neues Studienvorhaben immer auch im Kontext der Gesamtbelastung eines Studienzentrums; diese Information gehört zu den einzureichenden Unterlagen, und es besteht ein Online-Zugang, über den die Aktivität jederzeit von der Ethikkommission nachvollzogen werden kann. Das System haben wir in Köln entwickelt. Ich weiß nicht, ob das anderenorts die Regel ist, aber es ist sehr umsichtig.“
„Es hat sicher noch nie einen solchen Erfolgs- und Geschwindigkeitsdruck gegeben wie in der Impfstoffentwicklung der aktuellen Pandemie. Fehler dürften dabei rascher sichtbar werden. Entscheidend ist das Erkennen der Fehler, eine offene Kommunikation und das konsequente Verbessern der eigenen Abläufe. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Studiendurchführung nicht gewinnorientiert erfolgen darf. Wir berechnen bei jeder Studie den Aufwand und der muss vom Auftraggeber kompensiert werden. Wenn ein Gewinn erzielt wird, dann reinvestieren wir diesen in das Team und die Studiendurchführung.“
2 Kommentare
"Unschön?" Wohl eher kriminell, was Pfizer da trieb!
von Anna am 10.11.2021 um 20:01 Uhr
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DIE Wissenschaft
von Lisa am 06.11.2021 um 8:35 Uhr
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