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Land NRW
10 Millionen Euro für Betroffene des Bottroper Zyto-Skandals
Über drei Jahre ist es nun her, dass im Skandal um massenhaft gepanschte Krebsmedikamente der Apotheker Peter Stadtmann zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Bislang haben die von Unterdosierungen und Ungewissheit Betroffenen keine Entschädigungen erhalten, gegen den Apotheker läuft ein Insolvenzverfahren. Das Land NRW will sie jetzt mit einem Fonds von insgesamt 10 Millionen Euro unterstützen.
Zwar wurde der Apotheker Peter Stadtmann zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt und gegen ihn ein Berufsverbot verhängt – doch die von dem Unterdosierungs-Skandal betroffenen Patient:innen haben bislang keine Entschädigungen erhalten. Zivilrechtlich ist dies schwer durchzusetzen. Einerseits ist unklar, wer durch Unterdosierungen geschädigt wurde, andererseits läuft gegen Stadtmann ein Insolvenzverfahren.
Nachdem die Landesregierung schon mehrfach Unterstützung für die Betroffenen angekündigt hatte, hat nun der Landtag eine Summe von 10 Millionen Euro bereitgestellt. „Ich freue mich sehr, dass wir diese Mittel zur Verfügung gestellt haben“, erklärte Anette Bunse (CDU), Mitglied in den Gesundheitsausschüssen des NRW-Landtags sowie der Stadt Bottrop. „Diese ermöglichen finanzielle Entschädigungsleistungen für die Betroffenen. Damit zeigen wir die Solidarität des Landes NRW mit den Opfern dieses Geschehens.“
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Nach gegenwärtigem Stand hätten die Betroffenen „keinerlei Leistungsansprüche gegenüber dem Staat“ und faktisch auch zivilrechtlich keine Entschädigungsmöglichkeiten gegen den Apotheker, heißt es in einem Änderungsantrag von CDU und FDP zum Landeshaushalt 2022. Die Zahlungen sollen beispielsweise über einen einzurichtenden Sonderfonds erfolgen – „als Anerkennung des Leids und Ausdruck der Verbundenheit als Billigkeitsleistungen“. Das Land zeige hiermit „seine Solidarität mit den Opfern dieses Skandals, die u. U. verunreinigte oder unterdosierte Krebsmedikamente aus der ehemaligen Alten Apotheke in Bottrop erhalten haben“.
Geschädigte haben Zweifel, ob die Summe reicht
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wandte sich in einem Schreiben an Betroffene wie die Bottroperin Heike Benedetti, die sich in den letzten Jahren für die Belange von Betroffenen engagiert und Demonstrationen organisiert hat. „Landtag und Landesregierung wollen Ihnen ein Signal des Mitgefühls und der Anerkennung geben“, erklärt er. Das Ministerium werde nun „schnellstmöglich die Voraussetzungen für Ihre Entschädigungen schaffen“, schreibt Laumann. „Geplant ist die Einrichtung eines Anerkennungsfonds.“ Das Schreiben nimmt auch Bezug auf eine Vergleichsstudie, laut der Brustkrebspatientinnen, die Zytostatika aus der Apotheke erhielten, früher als andere ein Rezidiv hatten – wenn auch nicht häufiger als in einer Vergleichsgruppe.
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Einige Betroffene hatten Entschädigungen in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro gefordert, zeigen sich jedoch nun teils zufrieden über die Landesinitiative. Sie sei glücklich, dass der Landtag nun endlich entschieden hat, erklärt Benedetti. „Es war ein langer mühsamer Weg“, sagt sie. „Ob allerdings 10 Millionen bei so viel Geschädigten ausreichen, wage ich zu bezweifeln.“
Am heutigen Freitag findet beim Landgericht Essen eine Verhandlung zu einer Klage einer anderen Betroffenen statt – sie klagt stellvertretend gegen den Insolvenzverwalter, um eine Schmerzensgeldforderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Geladen ist ein Sachverständiger, der die Frage beantworten soll, ob Unterdosierungen mit ausreichender Sicherheit zu gesundheitlichen Schäden führen.
Verfassungsbeschwerde des Apothekers anhängig
In dem Insolvenzverfahren hatte allein die Mutter von Peter Stadtmann Forderungen in Höhe von rund 23 Millionen Euro angemeldet. Am Landgericht Essen hatte sie einen Vergleich mit dem früheren Insolvenzverwalter ihres Sohnes geschlossen – dieser hatte gegen die Mutter geklagt, da ihr nach der Verhaftung Stadtmanns aus seiner Sicht rechtswidrig unter anderem die Apotheke zurück übertragen worden war. Laut dem Vergleich musste sie auf ihre Forderungen verzichten, konnte aber gleichzeitig Eigentum an der Apotheke und Kunstwerken behalten. Eigentlich musste der Insolvenzverwalter noch die Zustimmung der Gläubigerversammlung einholen, doch verstarb er zuvor. So lief zwischenzeitlich eine Einspruchsfrist ab, der Vergleich wurde rechtsgültig.
Außerdem ist beim Bundesverfassungsgericht weiterhin eine Verfassungsbeschwerde Stadtmanns anhängig: Sie richtet sich gegen die vom Landgericht Essen verhängte und vom Bundesgerichtshof bestätigte Haftstrafe sowie das Berufsverbot gegen ihn.
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