Interview Teil 1

Hih-Chef Debatin: „Für die Apotheker ist richtig viel drin“

Berlin - 17.12.2021, 17:50 Uhr

Nach Ansicht von Jörg Debatin ist das Experiment Health Innovation Hub geglückt. (Foto: Jan Pauls Fotografie / hih)

Nach Ansicht von Jörg Debatin ist das Experiment Health Innovation Hub geglückt. (Foto: Jan Pauls Fotografie / hih)


„Wie groß das digitale Potenzial der Apotheken ist, haben wir am Beispiel der digitalen Impfzertifikate gesehen.“

Wie haben Sie den Austausch mit der Gematik und der Selbstverwaltung erlebt?

Sehr offen. Klaus Reinhardt etwa, der Präsident der Bundesärztekammer, ist sehr engagiert beim Thema Digitalisierung. Er hat das Potenzial erkannt, damit zum Beispiel zur Verbesserung der AMTS beizutragen. Und was Markus Leyck Dieken bei der Gematik innerhalb kurzer Zeit geschafft hat, ist bemerkenswert. Er hat die Leitung einer Agentur übernommen, die es gewohnt war, nichts zu dürfen und nicht zu kommunizieren. Hier eine neue Kultur zu schaffen, war keine leichte Aufgabe. Auch wenn er sicher noch nicht am Ziel seiner Vorstellungen angekommen ist, hat er innerhalb der Gematik vieles zum Positiven wenden können.

Welchen Eindruck hat die Apothekerschaft bei Ihnen hinterlassen?

Gabriele Regina Overwiening hat als neue ABDA-Präsidentin viel frischen Wind reingebracht. Sie macht einen super Job, ist interessiert, präsent und dialogfähig, auch mit anderen Leistungserbringern. Wie groß das digitale Potenzial der Apotheken ist, haben wir am Beispiel der digitalen Impfzertifikate gesehen. Innerhalb von zwei Wochen hat der Berufsstand die nötige Infrastruktur geschaffen und nach weiteren 2 Wochen war das Thema geräuschlos abgeräumt. Das hat gezeigt: Die Apotheken können so etwas, sie arbeiten serviceorientiert und die meisten von ihnen sind ausgesprochen digital-affin. Sie können bei der digitalen Transformation eine ganz entscheidende Rolle spielen. Die Potenziale, die dort schlummern, gilt es noch viel stärker zu nutzen, als wir es bisher tun.

Wie geht es jetzt weiter mit der digitalen Transformation vor dem Hintergrund, dass mit Karl Lauterbach nun ein neuer Mann im BMG am Drücker ist? Die Digitalisierung war ja eines der Herzensprojekte von Ex-Minister Spahn.

In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht so sehr davon abhängt, welche Partei gerade im BMG den Hut aufhat, sondern wie sehr die handelnden Personen dahinter stehen. Vor der Amtszeit Spahns hat einfach niemand das Thema wirklich entschlossen vorangetrieben. Das hat sich geändert und vieles von dem, was er regulatorisch auf den Weg gebracht hat, wird bleiben. Wir haben mit verbindlichen Interoperabilitäts-Standards nun endlich eine Grundlage für eine moderne Software-Architektur geschaffen.

Die Herausforderung in der angebrochenen Legislaturperiode wird in Sachen Digitalisierung eine andere sein: Nachdem auf der gesetzgeberischen Seite viel aufgeholt wurde, geht es jetzt primär um die Umsetzung. Darauf sollte der Fokus in den kommenden vier Jahren liegen. Die Grundlagen für Anwendungen wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte sind da, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen die Angebote auch nutzen. Dazu finden sich auch gute Ansätze im Koalitionsvertrag der Ampel, etwa dass man statt eines Opt-in- ein Opt-out-Modell für die ePA anstrebt. Voraussetzung ist aber, dass die Anwendungen technisch einwandfrei funktionieren.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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