Antikörper in „Klein“ (Teil 2 von 2)

Nanobodies – sind die „Lama-Antikörper“ auch bei COVID-19 eine Option?

Stuttgart - 07.01.2022, 16:35 Uhr

Der Vorteil von Nanobodies bei COVID-19: Sie könnten inhaliert werden und das SARS-CoV-2 direkt in den Atemwegen und der Lunge bekämpfen. (Foto: IMAGO / Science Photo Library)

Der Vorteil von Nanobodies bei COVID-19: Sie könnten inhaliert werden und das SARS-CoV-2 direkt in den Atemwegen und der Lunge bekämpfen. (Foto: IMAGO / Science Photo Library)


Warum Nanobody-Dreierpacks wirksamer sind

Noch besser war die Bindung der Göttinger Nanoantikörper an ihr Antigen, wenn die Wissenschaftler drei identische Nanoantikörper zu „Nanobody-Dreierpacks“ verknüpften, sodass sie „zur Symmetrie des Spikeproteins passen“ – denn auch das Spikeprotein besteht aus drei identischen Bausteinen mit drei Bindedomänen. Idealerweise soll sich jeder Nanobody des Dreierpacks an eine der drei Bindedomänen des Spikeproteins anlagern: „So entsteht eine praktisch irreversible Bindung. Der Dreierpack lässt das Spikeprotein nicht wieder los und neutralisiert das Virus sogar bis zu 30.000-fach besser als die Einzel-Nanobodies“, so die Erklärung der Wissenschaftler. Als weiterer Vorteil kommt hinzu, dass die Dreier-Nanobodies dann „gerade groß genug“ sind, damit die Niere sie nicht innerhalb von wenigen Stunden direkt wieder ausscheidet – was ihre Wirkdauer verlängert und damit ihre Wirksamkeit erhöht.

Was sind DIOS-202 und DIOS-203?

Wissenschaftler der Universität Bonn und des Bonner Unternehmens DiosCURE haben ebenfalls zwei erfolgversprechende Nanobodies entwickelt – die Single-Domain-Antikörper DIOS-202 und DIOS-203 binden beide an das Spikeprotein von SARS-CoV-2, aber an zwei verschiedenen Epitopen (kleiner Molekülabschnitt auf der Oberfläche des Antigens, an den der Antikörper bindet). Diese doppelte Ausrichtung führt laut DiosCURE zu einer vorzeitigen Aktivierung der „Fusionsmaschinerie“, wodurch die Virionen nicht infektiös würden. „Multivalente Nanobodies neutralisieren das Virus viel wirksamer als einzelne Nanobodies, und multivalente Nanoantikörper, die zwei Epitope binden, verhindern die Entstehung von viralen Escape-Mutanten“, erklärten die Bonner Forscher bereits im Januar 2021 anhand der präklinischen Daten in „Science“ („Structure-guided multivalent nanobodies block SARS-CoV-2 infection and suppress mutational escape“). Dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa) zufolge sollte die klinische Erprobung eines Arzneimittels mit  DIOS-202 und DIOS-203 noch 2021 starten.

Nanobodies erreichen auch für Antikörper unzugängliche Stellen

Auch Wissenschaftler der Ohio State University sehen in Nanobodies potenzielle Alternativen zu konventionellen Antikörpern in der Vorbeugung und Behandlung von COVID-19, da sie „Epitope erkennen können, die für herkömmliche Antikörper oft unzugänglich sind“, erklärten sie in ihrer im Juni 2021 veröffentlichten Arbeit in „Nature“. Sie isolierten zwei Gruppen von „hochneutralisierenden“ Nanoantikörper gegen die Rezeptorbindedomäne von SARS-CoV-2 von Lamas und von Mäusen. Gruppe eins ihrer Nanoantikörper umgehe „die antigene Drift“, indem sie eine Rezeptbindedomäne(RBD)-Region erkenne, die in Coronaviren hoch konserviert sei, aber nur selten von menschlichen Antikörpern angegriffen werde. Die zweite Gruppe der Nanobodies sei fast ausschließlich auf die RBD-ACE2-Schnittstelle ausgerichtet, neutralisiere aber keine SARS-CoV-2-Varianten, die E484K- (Mutation u. a. in der Alpha-Variante) oder N501Y-Substitutionen (Mutation in der Delta-Variante) tragen. Allerdings: Auch hier scheinen die Nanobody-Dreierpäckchen wirksam: „Die Nanokörper der Gruppe zwei behalten jedoch ihre volle Neutralisierungsaktivität gegen diese Varianten, wenn sie als Homotrimere exprimiert werden“, was sie konkurrenzfähig mit den stärksten Antikörpern gegen SARS-CoV-2, die bisher hergestellt wurden, mache, so die Wissenschaftler. Somit könnten multivalente Nanobodies Mutationen bei Coronaviren durch zwei separate Mechanismen überwinden: Sie binden an Stellen, die für menschliche Antikörper weitgehend unzugänglich sind, und sie binden stärker an die ACE2-nfür SARS-CoV-2 (zur Erinnerung: SARS-CoV-2 bindet über das Spikeprotein an ACE2 auf der menschlichen Zelle, um sie zu infizieren). Damit könnten Nanoantikörper „vielversprechende Instrumente“ gegen COVID-19 sein, wenn neue SARS-CoV-2-Mutanten die Impfstoffwirksamkeit beeinträchtigten.

Geht es sogar noch kleiner? 

Dass es noch kleiner, noch abgespeckter geht, zeigt ein Zusammenschluss von Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten und die im April 2020 begonnene Zusammenarbeit des deutschen Unternehmens Ethris und des schweizerischen Unternehmens Neurimmune: Sie wollen – wie auch bei mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 bereits eingesetzt – keine Antikörper oder Nanobodies verabreichen, sondern die mRNA, also die Erbinformation dazu, sodass der menschliche Körper seine Antikörper anhand der Information sodann selbst herstellt. Ethris und Neurimmune planen sogar die inhalative Applikation, was die Antikörper in spe direkt an den Ort der Infektion katapultieren würde. Der vfa sieht durchaus einen Vorteil in mRNA-basierten Antikörperpräparaten: Man könne so wahrscheinlich schneller große Mengen an Arzneimitteln (mRNA) produzieren, als wenn man die Antikörper direkt herstellen müsse. Nachteilig sei jedoch, dass es bislang noch keine zugelassenen Antikörperpräparate auf mRNA-Basis gebe.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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